Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband: Disso!ver
Was für ein Überraschungskonzert. Was für ein wunderbarer Konzertabend! Ich habe nicht viel erwartet, ich hatte eigentlich gar keine Lust, hinzugehen. Und dann wurde ich von zwei fabelhaft aufspielenden Acts auf dem völlig falschen Fuß erwischt, der sich als goldrichtig herausstellte.
Disso!ver und Hotline TNT. Letztere der Grund, mir ein Ticket zu kaufen. Dabei kannte die Band überhaupt nicht und bin eher zufällig auf das Konzert aufmerksam geworden. Und das kam so: Bei meiner monatlichen Konzertvorbereitung hörte ich mir ein paar Bands an, die im Bumann & SOHN auftreten sollten. Ich empfinde die Konzertauswahl des Bumann als sehr geschmackssicher, daher schaue ich öfter mal auf ihre Homepage und höre mir ein paar Bands an, die dort ein Konzert geben. In der Vergangenheit lohnte sich das schon das ein oder andere Mal, ich habe auf diese Art und Weise durchaus ein paar Entdeckungen getätigt. An Hotline TNT fand ich erstmal den Bandnamen grundsätzlich interessant, blieb hängen und hörte ein paar Songs. Nach dem ersten Song war dann bereits klar, dass ich ihr Konzert sehen möchte. Oder muss! Ihr diy-Indierock Gitarrensound passt einfach zu gut zu meinem Musikgeschmack. Im Vorfeld versuchte ich, etwas mehr über die Band herauszufinden. Doch googlet man den Namen, treffen einen als erste Suchergebnisse ein paar Fragen: Wo finde ich meine TNT Nummer? Ist TNT jetzt FedEx? Was macht TNT, wenn man nicht zuhause ist? undsoweiterundsofort.
Die amerikanische Indierockband Hotline TNT hat mit all dem natürlich nichts am Hut. Das ist ein Fall für die TNT Hotline. Erst weiter unten werden in der Suchmaschine die ersten ernstzunehmenden Links zum Profil der Band aus New York angezeigt. In aller Kürze lese ich: Die Band um Will Anderson hat seit 2021 zwei Alben veröffentlicht, Nineteen in love (2021) und im letzten Jahr Cartwheel. Weiterhin interpretiere ich, dass es sich aktuell bei der Band eher um ein Projekt des Sängers Will Anderson handelt. Die Tourmusiker sind alle noch nicht allzu lange dabei. Doch bevor die vier Gitarren der Hotline TNT ihren Wall of Sound auffahren, steht für einige Minuten meine Entdeckung des Abends auf der Bühne.
Es ist verdammt leer, als Disso!ver die Bühne des Bumann & SOHN betritt. Als ich im Vorfeld las, dass Disso!ver aus Köln kommen, hatte ich doch stärker mit family and friends im Saal gerechnet. Doch gegen kurz vor 20 Uhr hatte ich keinerlei Mühe, einen der Hocker an einem der Tische zu ergattern. Das kommt im überschaubaren Bumann & SOHN zwei Minuten vor Konzertbeginn nicht oft vor. Aus den gedachten 2 Minuten bis Konzertbeginn werden 15 Minuten und mein angedachter Zeitplan für den Abend – Vorband bis kurz nach halb neun, kurz vor neun Hotline TNT, die kaum 60 Minuten spielen, pünktlich um 23 Uhr zuhause – droht, in sich zusammenzufallen.
Disso!ver ist das Projekt von Roman Biewer. Bisher erschienen sind das Album Lagerkoller sowie ein paar lose Songveröffentlichungen. Ende des Jahres folgt dann Album Nummer zwei. Roman Biewer ist eine One-Man-Band. Er macht alles selbst: Gitarre, Bass, Synthesizer, Apple Computer werden nacheinander eingespielt und dann übereinander geloopt. Man kennt das. Dazu singt Roman Biewer über die Berliner Ringbahn, das Fensterputzen und anderen Alltagskram. Mir gefallen die Songs, die Arrangements. Ich kann seine Songs sehr empfehlen. Den jungen Mann sollte ich unbedingt auf dem Schirm behalten. Ich denke auch, dass ich ihn noch öfter live sehen werden. Sei es im Vorprogramm irgendeiner Indieband oder bei seinem eigenen Heimspielkonzert. Im Herbst kommt sein Album, spätestens dann wird er in irgendeinem Konzertclub auftauchen.
‘Post-post irgendwas’, um es mit Disso!ver zu sagen, sind im Anschluss im weitesten Sinn Hotline TNT.
Der Umbau zieht sich etwas, sodass die Band erst gegen halb zehn einsatzbereit ist. Shoegaze und ganz viel Indierockgitarren sind das, was Hotline TNT auf die Bühne zaubern. „Anyone can play guitar“ heißt ein alter Radiohead Song. Mir fällt der Hit ein, weil er ein bisschen das Motto des Konzertes widerspiegelt. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht stehen vier der fünf Hotline TNT Musiker auf der Bühne: Gitarre, Bass, Gitarre, Gitarre. Der Schlagzeuger sitzt dahinter. Vier Gitarren, kompromisslos heruntergedroschen (anders kann ich das nicht beschreiben), und ein Schlagzeug, das permanent nach vorne treibt, hatte ich in dieser wuchtigen Form lange nicht mehr. Jeder kann Gitarre spielen. Hotline TNT machen das ganz gut. Von der ersten Sekunde an bin ich beeindruckt und fasziniert. Die Musik gefällt mir sehr, und sie wird jedem gefallen, der ein Herz für Bands wie Swervedriver oder Chokebore hat. Klassischer amerikanischer Shoegaze ohne Wenn und Aber. Ihr knapp 50-minütiges Konzert ist eine einzige Wand aus Gitarren. Großartig!
Natürlich sind die Songstrukturen vorhersehbar und alles ist nicht wirklich neu. Aber Will Anderson und Kollegen zitieren clever und gut. Altbacken klingen ihre Sounds nicht. Im Gegenteil! Das Konzert macht Spaß, es begeistert mich. Der Abend ist ein voller Erfolg. Dabei wollte ich mich anfangs erst nicht aufraffen, in die Stadt zu fahren. Das Wetter, der nervige Arbeitstag, das Fußballspiel am Abend. Gut, dass ich es doch getan habe. Hotline TNT haben mich sehr überzeugt. Ich kaufe alle CDs. Noch heute! Im Sommer werde ich sie erneut sehen. Irgendwann im August spielen sie in Luxemburg in den Rotondes, oder im Biergarten davor. Ab diesem Abend ist dieses Konzert ein Pflichttermin geworden.
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