Ort: Harmonie, Bonn
Vorband:Brothers & Bones

Get well soon

„Jetzt klingen sie nach Radiohead“. Das reicht, als die Dreiergruppe vor mir dieses äußerte beschloss ich, nach dem Ende des Songs zu gehen. Das war das Tröpfchen zu viel an diesem Abend.
Dabei hatte ich mich den Tag über auf dieses Konzert gefreut. Es sollte mein elfter Get well soon Konzertbesuch werden, wie ich beiläufig nachmittgas feststellte und es trieb die Frage in mir noch stärker nach oben, warum um alles in der Welt ich mir ein Ticket für diesen Crossroads Event gekauft hatte. Schon im Januar im Gloria hatte ich den Eindruck, dass wir mal eine Pause voneinander brauchen. Abstand, um mich wieder neu begeistern zu können. Wer aber jetzt denkt, Get well soon Konzerte verlieren mit der Zeit ihren Reiz oder sie würden gar schlechter, der irrt. Get well soon Konzerte sind ganz große Unterhaltung, an diesem Abend sogar ganz große Fernsehunterhaltung (das Crossroads Festival im Rahmen des Rockpalast ist eine Fernsehaufzeichnung; ein viertägiges Konzertevent in der Bonner Harmonie, das extra fürs Fernsehen entstanden ist). Nein, daran liegt es nicht, dass meine Begeisterung etwas nachgelassen hat. Es ist vielmehr ein sattgesehen haben. Dieser Eindruck beschlich mich schon im Sommer auf dem Lüften Festival, er verstärkte sich im Gloria, aber trotzdem war ich gestern wieder vor Ort. Ich scheine ein komischer Mensch zu sein. Aber wieder ließ ich mich begeistern und war froh, dagewesen zu sein. Trotz allem.
Das „trotz allem“ waren nicht nur die Leute um mich herum, es war das gesamte Drumherum.
In der Harmonie war ich das letzte Mal vor Jahren, und scheinbar hatte ich extrem verdrängt, was für ein ungünstiger Konzertsaal die Harmonie ist und wie fürchterlich schlecht die Parkplatzsituation in Endenich sein kann. Ich suchte ungefähr genauso lange eine Parkmöglichkeit, wie mich die Fahrt nach Bonn Zeit gekostet hat. Nach einer knappen halben Stunde war ich redlich bedient, parkte weit weg und nahm zähneknirschend einen 20 minütigen Fußweg in Kauf. Oder war es länger? Egal. „Da hätte ich gleich von zuhause aus losgehen können“, dachte ich noch so, als ich die Harmonie betrat.

Kommt man in den Laden, sieht man als erstes eine Seite der Bühne. Also wenn man sie vor lauter Leuten, die sich hier im Thekenbereich aufhalten, überhaupt sieht. Der Eingang zum Saal liegt sehr günstig am Bühneneck und ist ca. 2 Meter breit. Da das Konzert ausverkauft war, ich wegen Parkplatz und Fußweg spät dran, war natürlich alles schon pickepacke voll. Sollte es jetzt noch tatsächlich so sein, dass ich hier stehen bleiben muss und mir das Konzert von der Theke aus mit Seitenblick auf Get well soon anschauen darf? Ich schwör‘, ich wäre direkt wieder gefahren, wenn es so gekommen wäre. Aber trotz aller bisherigen Umstände schien ich Glück zu haben. Die erste Band des Abends, Brothers & Bones, hatte gerade ihren letzten Song gespielt, als der Ansager eine längere Umbaupause von ca. 40 Minuten ankündigte. Daraufhin verließen viele den Konzertbereich und ich konnte mir doch noch einen Platz mit Sicht auf die Bühnenhauptseite ergattern. Uff. Allerdings durfte ich nun 40 Minuten warten, was, ohne Begleitung und mit auslaufendem Smartphoneakku eine sehr lange Zeit werden kann.
Als der Konzertbeginn näher rückte, schnappte ich einige Satzfetzen der um mich herum stehenden Leute auf. „Ah, jetzt käme wohl eine deutsche Band“, die man aber nicht kenne. Und „ohh, die hätten ja allerhand Zeugs auf der Bühne aufgebaut“. Expertenrunde also.
Nach dem schönen Eröffnungssample Skeeter Davis‘ „The end of the world“ ließen die ersten fragenden Bemerkungen und Gesichter nicht auf sich warten. „Mhh, das Klänge ja komisch, gar nicht so erdig wie die andere Band zuvor, die ja super gewesen sei.“ Das anschließende „The Last Days of Rome“ zerredete die Gruppe völlig. Dann war Getränkeholpause. Nach „Roland, I feel you“ ein nächstes Fazit. „Die schnelleren Songs seien ja ganz gut. Man könne ja mal zum Merchstand gucken gehen.“ Ja, ich war genervt.
Und die Band? Nun, Get well soon überzeugten wie immer. Und sie spielten ähnlich dem Gloria Konzert ein sehr ausgewogenes Set mit Songs aus hauptsächlich den letzten beiden Alben. Konstantin Gropper war nicht ganz so redselig wie sonst, aber darüber hinaus war alles wie gehabt. Obwohl, bei „Listen …“ und „Angry young man“ kamen sie mir lauter als sonst vor.
Ein paar Mal sagte Konstantin Gropper doch etwas und zwei Anmerkungen des Bandleaders habe ich mir insgeheim so beantwortet. „Jetzt kommt Kunst. Ich hoffe, ihr kommt damit klar.“ vor „Just like Henry Darger“ mit: „Nein, nicht jeder kam damit klar“. Und gegen Ende, als er sich für den Applaus mit den Worten „Im Fernsehen klingt das sicherlich so, als hätte es euch gefallen“ bedankte, mit: „Nein, nicht allen hat es gefallen“.

Mir aber schon. Trotz all den blöden Umständen. Sehr sogar. Es war ein gutes Konzert.
Nach dem Song, es war übrigens „Red nose day“, ging ich dann wirklich. Es war das letzte Lied des Abends und die zweite Zugabe, die nur von den Gropper Geschwistern ohne Band gespielt wurde.
Zuvor gab es zwei gut gespielte „I sold my hands …“ und „A voice in the Louvre“, die alles zeigten, was Get well soon herausragend machen. Gerade das erste Stück begeisterte mich sehr. Weitere Höhepunkte am Abend „5 steps/7 swords“ (natürlich), ein schönes „Courage, Tiger!“ und ein gutes „You cannot cast out the demons…“.
Ja, ihr habt den Abend so gut es geht für mich gerettet. Danke, Get well soon.

Das Get well Soon Konzert wird am 07.05.13 um 02:50 Uhr auf 3sat gezeigt. Herausragendes und gute Kunst gehört ja im deutschen Fernsehen ins Nachtprogramm wie die Erbsensuppe zum Freitag. Passt also.

Setlist:
01. Prologue
02. The Last days of Rome
03. 5 Steps / 7 Swords
04. We are free
05. Just like Henry Darger
06. Roland, I feel you
07. Listen! Those lost at sea sing a song on Christmas Day
08. Good Friday
09. Werner Herzog gets shot
10. A Gallows
11. Courage, Tiger!
12. Oh my! Good heart
13. Angry young man
14. You cannot cast out the Demons
Zugabe I:
15. A voice in the Louvre
16. I sold my hands for food so please feed me
Zugabe II:
17. Red Nose Day

Kontextkonzerte:
Get well soon – Köln, 20.01.2013
Lüften! Festival – Frankfurt, 22.06.2012
Rolling Stone Weekender – Ostsee, 13.11.2010
Get well soon – Heerlen, 07.03.2010
Get well soon – Köln, 26.02.2010
Get well soon – Nijmegen, 25.04.2009
Get well soon – Köln, 07.12.2008

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