Get well soon 07122008

Traurige, ins nichts schauende Augen blicken aus den Straßenbahnen. Um kurz nach acht fahren wir auf der Aachener Strasse Richtung Innenstadt. Das Stadion des FC ist gleich nebenan, und das heutige Bundesligaspiel seit 10 Minuten Geschichte.
Wir kennen das Ergebnis nicht, Nachrichten haben wir nicht gehört, doch die Straßenbahngesichter lassen nicht auf einen Sieg tippen. Auf dem Rückweg um kurz nach elf erfahren wir, dass der FC 1:2 gegen den HSV verloren hat. Das schlägt mir aber nicht allzu sehr aufs Gemüt, denn der wahre Fußball wird in Köln schon lange nicht mehr zelebriert, und mein Lieblingsverein ist rund 100 km weiter nördlich im besten Stadion Deutschlands beheimatet.
Wir sind auf dem Weg ins Gloria, wo gestern Abend drei Bands aufspielten. Port O’Brien, Hermann Dune und Get well soon. Aus vielerlei Gründen waren wir spät dran, so verpassten wir den kompletten Auftritt der Kalifornier Port O‘Brien. Das war ärgerlich, denn im Laufe des Abends hörten wir viele positive Stimmen und Bemerkungen über die 40 Minuten Konzertauftritt. Nun, so bleibt diese Band weiterhin unbekannt für mich….
Gerne verpasst hätte ich die zweite Band des Abends. Hermann Dune, eine schwedisch-französische Bandkombination um die beiden Strategen David-Ivar Herman Düne (Gitarre/Stimme) und Neman (Schlagzeug), langweilten mich doch sehr. Ihr Patchwork aus Folk, Antifolk, Hippiefolk und Pop ist einfach nicht meins. Zumindest nicht jetzt und heute. Der Gesang von David-Ivar Herman Düne klingt überdies auf Dauer recht monoton, die Songstrukturen fand ich sehr vorhersehbar. So entdeckte ich wenig spannendes in den Songs, und die gute Stunde Konzert nagte sehr an meinem Durchhaltevermögen. Dieses war gestern Abend sowieso nur begrenzt ausgeprägt, denn durch körperliche Unpässlichkeiten gequält, hatte ich lange im Laufe des Tages hin- und herüberlegt, ob ich überhaupt fahren solle. Denn vollständig war die Magengeschichte der letzten Tage noch nicht gegessen (haha!), und so musste ich mich schon sehr aufraffen, um es ins Gloria zu schaffen. Und nun hatte ich es nach 30 Minuten fast bereut.
Get well soon 07122008Hermann Dune arrangierten ihr Set launig, die vorgetragenen Songs, das mit der singenden Säge gespielte My home is nowhere without you zum Beispiel, kamen teils sehr amüsant daher. Und so gab es während des Auftritts der achtköpfigen Band einige Schmunzeleinheiten für das Publikum. Das Gloria war gut gelaunt und hatte sichtlich Spass am Auftritt Hermann Dunes. Selbst meine Mitbewohnerin, die nicht sonderlich auf Folk steht, ließ sich von der guten Laune vor und auf der Bühne anstecken.
Doch die luftig leichten Gitarren, der mehrstimmige Gesang der beiden Backroundsängerinnen, der bunte Instrumentenmix, all das klingt so sehr nach Kalifornien oder französischer Provence, dass es mich gestern innerlich schüttelte. Angeknockte Menschen brauchen traurige, ernsthafte Musik. Gute Laune der anderen zeigt ihnen nur, wie schlecht es ihnen eigentlich geht.
„Get well soon“ hatte ich bereits auf dem diesjährigen Melt! Festival gesehen. Dort haben sie mich live sehr begeistert mit einer sehr feinfühligen aber doch sehr rockigen und konsequenten Umsetzung ihrer komplexen Songs. So war es für mich seit diesem Sommer ein wichtiges Konzertziel, die Band einmal im kuscheligen Clubambiente zu sehen. Das es nun in der Weihnachtszeit soweit sein sollte, und das es das sehr gemütliche Gloria sein sollte, umso besser. Denn, „Get well soon“ Songs sind der perfekte Wintersoundtrack.
Kitschig, aber ohne kitschig zu wirken, so die Bühnendeko. 2 digitale Bilderrahmen, in vergoldetem Holz eingefasst, hängen am Bühnenrand, es laufen abwechselnd kalte Meeres- oder Eisdokumentationen, Zeichentrickfilmausschnitte oder verrauschte Livebühnenbilder. An Weihnachtskugeln oder weißmatte Glühbirnen erinnernde Lampions leuchteten von der Kinodecke des alten Gloria und zu guter letzt schneit im abschließenden „Dear Tempest-tossed! Dear weakened!“ noch Konfettischnee auf die Bühne. Schön!
Konstantin Gropper liebt es dramatisch und künstlerisch. Alle sechs tragen schwarze Klamotten (grau und weiss sind das neue schwarz!), Jeans scheinen tabu. Zusammen mit der Bühnendekoration verdient sich das „Get well soon“ sche Gesamtwerk eine glatte eins.Get well soon 07122008 Noch schöner!
Das Konzert beginnt mit zwei Stücken der am Merchandisestand käuflich zu erwerbenden EP Songs against the Glaciation. Die EP beinhaltet 7 Stücke, die sich thematisch irgendwie mit Weihnachten in Verbindung bringen lassen oder zu dieser Zeit von Konstantin Gropper geschrieben wurden. Den typischen “Get well soon Stil” erkennt man sofort, die Songs gefallen mir auf Anhieb. Nach diesem unbekannten, eher ruhigen Beginn, wird es mit You Aurora erstmals bekannter. Es folgen weitere vertraute Melodien, bevor es wieder was Neues zu hören gibt.
„Den nächsten Song habe ich für einen Film geschrieben. Der spielt leider in Düsseldorf. Aber der Soundtrack ist gut“. „Busy hope“ aus dem neuen Wim Wenders Film.
Bei der Zugabe kommen als Unterstützung Port O’Brien. So lerne ich die Band dann doch noch kennen. Zumindest visuell. Der blonde Sänger erinnert mich ein wenig an Kurt Cobain.
„Das letzte Stück sei noch was zum tanzen“, sagt Konstantin, „und wer Lust hätte könne gerne auf die Bühne kommen und mittanzen.“ Race for the price, ein Flamimg Lips Cover. Passt ja.

Setlist:
01. Heading home to the pole
02. You’re using all your senses just for being sad
03. You / Aurora / You / Seaside
04. We are safe inside while they burn down our house
05. Listen! Those lost at sea sing a song on Christmas day
06. Christmas in adventure parks
07. Busy Hope
08. Green Island never turns white
09. If this hat is missing i have gone hunting
10. Good Friday
11. I sold my hands for food so please feed me
12. Ticktack! Goes my automatic heart
13. Dear Tempest-tossed! Dear weakened!
Zugabe:
14. People Magazine Front Cover
15. Race for the price

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Multimedia:
Fotos: frank@ipernity
Video: –
Lesenswert: Port O’Brien Tourtagebuch
Archiv: –

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hallo Frank,
    ich war gestern in Bochum und es war wirklich fantastisch (Bericht und Fotos folgen bald). In Bochum gabs am Ende noch ein Tom Waits Cover von Konstantin gesungen und nur mit Klavierbegleitung, Gänsehaut pur! Bei Port O’Brien hast du wirklich was verpasst. kannte ich bis dahin auch nicht wirklich, aber sie haben mich voll überzeugt.

    Schade, dass The Notwist heute Abend ausfallen … dann sehen wir uns ein andermal wieder.

    Liebe Grüße
    Micha

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