Ort: Grand Théâtre, Luxemburg
Vorband: Mélanie de Biasio

Eels

Die Eels – oder besser gesagt Mark O. Everett – machen vieles richtig. Seit Jahren verfolge ich die Band und besuche ihre Konzerte, und jedes Mal bin ich über ihre neuen Platten und ihre Auftritte begeistert. Der Wandel von der Indierockband hin zur verschrobenen, melodramatisch, traurig sarkastischen Kammerband vollzog sich in den letzten knapp 20 Jahren unaufdringlich unauffällig. Kleine Ausreißer wie das zwischen die tieftraurigen Blinking lights and other revelations und Daisies of the Galaxy eingepackte Souljacker inbegriffen.
Live greifen die Eels dabei immer wieder ihre musikalischen Gemütszustände auf. So sah ich Konzerte von entspannter Gelassenheit, mit Orchester, als quasi Comedy Show, als ZZ-Top Revival Band oder als Theaterpopband. Räumlich und zeitlich eingeordnet heißt das: kleines E-Werk Köln (die Tour zum Debütalbum Mitte der 90er.), Live Music Hall (Blinking lights… Tour ), eine Synagoge in Washington („An Evening with Eels„) und immer wieder Heerlen. Zweimal gastierten die Eels in den letzten drei Jahren in der niederländischen Grenzstadt, es waren die Touren zu den letzten beiden Alben Tomorrow morning und Wonderful, Glorious.
Dieses Jahr erschien das bisher letzte Eels Album The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett und natürlich gab es wieder eine Tour. Und natürlich wieder nicht durch heimische Gefilde, so dass ich auch dieses Mal ins benachbarte Ausland fahren musste, um eine meiner Lieblingsbands live zu erleben. Also Luxemburg.

Seit Tagen freute ich mich auf dieses Konzert. In Luxemburg war ich länger nicht mehr, nach meinem letzten Ausflug dorthin hatte ich für mich beschlossen, die nächtliche Fahrten durch die Eifel zu reduzieren, und Luxemburg bei meiner Konzertplanung etwas außen vor zu lassen. Abzüglich besonderer Ausnahmen natürlich, zu denen ich immer ein Eels Konzert zählen möchte.
Daher also Luxemburg.
Ausverkauft meldete die Homepage des Theaters einen Tag zuvor. Oh ha, die Eels haben mittlerweile ihr Publikum, deutsches WM Halbfinale hin oder her. Denn das nahe Luxemburg nutze nicht nur ich zu einem Konzertausflug, um die Eels live zu sehen.
Das Grand Théâtre liegt verkehrsgünstig am östlichen Stadtrand von Luxemburg. Bisher kannte ich nur die Rockhal in Esch-Alzette und vom Namen her das Atelier in Luxemburg-Stadt, zu einem Theaterbesuch in einem der vielen Theater der Stadt hatte ich noch keine Gelegenheit. In den Beneluxländern gibt es eine Vielzahl von kleinen und mittelgroßen Theatern und Veranstaltungsgebäuden, die relativ neu und ausstattungstechnisch ganz hervorragend sind, so dass es mir immer wieder viel Spaß macht, über die ein oder andere Grenze zu fahren, um in den Ländern, in denen Kultur noch was zählt und in die investiert wird, Konzerte zu sehen. So ist denn auch das Grand Théâtre ein kleines Schmuckkästchen. In einem 60er Jahre Bauwerk steckt ein kleiner Theatersaal, der geschätzten 700 Besuchern Platz bietet.
Popkonzerte in E-Musik Orten sind immer etwas Besonderes und haben ihren eigenen Charme. Alles wirkt so gediegen, so ernsthaft, beinahe festlich. Das beginnt schon beim Betreten des Foyers. Dort herrscht eine bedächtige Stimmung, kein wildes Gewusel und Gedrängel. In einem Theater drängelt man nicht, unbewusst halte nicht nur ich mich daran.

Die Schlange vor dem Einlass ist noch überschaubar. Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn haben sich erst knapp 100 Leute vor dem Theater eingefunden. Bis zum Konzertbeginn um 20 Uhr, bzw. 20.30 Uhr, wird die Warteschlange jedoch noch enorm anwachsen. Als die Türen zum Theatersaal geöffnet werden, ist es rasch sehr voll. Ich war über den Ticketaufdruck Türen 20 Uhr etwas irritiert, wusste ich da doch nicht, wann das Konzert losgeht. Erst eine Stunde später, wie üblich, oder bereits 10 Minuten nach Einlass (wie in Theatern üblich). Daher – wenn ich schon durch die Eifel anreise – war ich sehr zeitig da und bekam einen guten Platz. Eine längere Autofahrt und ein schlechter Platz, dass passt nicht zusammen.

Oh nein, es werde kein rockiger Abend werden, eher ein un-easy listening Abend. Mark O. Everett erklärt uns gleich zu Beginn in seiner unnachahmlich lakonisch klingenden Stimme die Rahmenbedingung für die nächsten knapp 75 Minuten.
Die Eels, wie immer in der Bandbesetzung The Chet, Nuckles, Pee-Boo und Honest Al, stimmen ihm zu. Ihre „yes“ und „yeah“ rufe erklingen erst zaghaft, dann immer stärker. Dabei muss jeder einzelne sehr stark versuchen, nicht laut loszulachen. Es ist einer dieser typischen Eels Dialoge, der sich so an diesem Abend noch mehrmals abspielen wird. Und es ist typisch für die Eels, in dieser Art und Weise mit sich und dem Publikum zu kommunizieren. Bei all dem, und das macht das Ganze noch viel unterhaltsamer, nehmen sich die Musiker auf der Bühne überhaupt nicht ernst. Hier darf der Bandleader gnadenlos über seine Kollegen herziehen, ohne dass es ihm nachgetragen wird.
Mark O. Everett ist ein Meister der leisen sarkastisch-ironischen Töne. Egal ob gegen ihn, seine Musik oder gegenüber anderen.
‚Komplimente an die Band, das ist meine neues Ding‘, erzählt er nach dem dritten Song „Parallels“, ‚Komplimente an die eigene Band sind wichtig. Also nehmt dies: das habt ihr gut gemacht.‘ Großes Gelächter, vor und auf der Bühne. „Yes, yeah! “

Die Band startet mit dem Piano-Intro „Where I’m at“ vom aktuellen Album, der Standarderöffnung dieser Tour. Beim letzten Konzert in Heerlen traten die Eels in Trainingsanzügen auf, heute sind sie, zufällig auch der Räumlichkeit entsprechend, in Anzügen unterwegs. Es ist nicht die „Rockshow“ der letzten Tour, es ist aber auch nicht das so strenge Programm der Eels with string Tour (damals im Frack und Mr E. mit Gehstock). Es ist ein Mittelding, ein Konzert der ruhigen Töne zwar, aber nicht zu ernst. In diese Umgebung passen die neuen Stücke wunderbar. Die Eels spielen mit „Mistakes of My Youth“, “Series of misunderstandings“, „Parallels” und „Lockdown Hurricane” die größten Hits von The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett, und sie spielen ältere Sachen, die sie – so wie immer – in den aktuellen musikalischen Kontext überführen. „Fresh feeling” und “I like birds” klingen zu Beginn kurz befremdlich, weil die Songs weniger opulent aber dafür etwas schneller und unter kleinem Countryeinfluß gespielt werden. Auch durch „It’s a Motherfucker”, neben der Elvis Presley Schmonzette „Can’t help falling in love“ das einzige Klavier-Solo-Stück, rast Mark O. Everett an diesem Abend.

So spielt Gitarrist Pee-Boo bei fast jedem Stück ein bisschen Trompete, auch dort, wo ursprünglich keine hingehört und The Chet verzaubert die Songs mit der Pedal-Steel Gitarre, Melodica und Begleitgesang. Das klingt alles wahnsinnig schön und harmonisch, erst recht wenn Knuckles sein Schlagzeug verlässt und das Vibraphon und Röhren-Glockenspiel bespielt.
„Sad Machine“, so nennt Mr E. in der Vorstellungsrunde die Pedal-Steel Gitarre. Und im anschließenden „Grace Kelly Blues“ weiß ich genau, was Mark O. Everett meint. Blues, leichte Traurigkeit, so möchte ich die Grundstimmung des Konzertes beschreiben. In jedem Augenblick schwelgt ein bisschen Melancholie, Sanftmut und Nachdenklichkeit. Das aktuelle Album bringt mir die Eels, wie ich sie am liebsten mag. Nämlich genau so.

‚This one is a bummer‘, so kündigt Mr E. die meisten Songs an. Der Mist ist so melodisch, perfekt instrumentiert, mit seiner knarzend rauen Stimme großartig gesungen, dass es mich weit wegzieht. Jeder einzelnen Song ist an diesem Abend um ein vielfach schöner als auf Platte. Was will ich mehr?! Zum Ende des Abends spielen sie „Fucker“ von der Novacaine for the soul EP. Hervorragend! Wir sind mittlerweile im zweiten und letzten Zugabenblock, der damit beschlossen wird. Nach guten 75 Minuten ist der Konzertabend mit den Eels vorüber. Er war vielleicht ein bisschen kurz, aber wunderschön!

Zu einem gelungenen Abend trägt auch die Vorband bei. Und die Belgierin Mélanie de Biasio setze das zweite Ausrufungszeichen an diesem Abend.
Ich sah sie und ihren Begleitmusiker Pascal Paulus bereits Anfang des Jahres im Rahmen des PIASnite Festivals. Schon dort war ich, trotz der widrigen Umstände des Konzertsaales, sehr angetan von ihrer ruhigen, jazzbeeinflussten Musik. Ihr Album No deal ist mittlerweile veröffentlicht, und ihre bluesbeeinflusste ruhige Musik war ein gutes Vorprogramm für die Eels.

Mélanie de Biasio spielte eine gute halbe Stunde lang auf einer sehr abgedunkelten Bühne Songs ihres aktuellen Albums. Das ganze geschieht sehr minimalistisch, nur mit der Gitarre begleitend. Gut, ab und an greift Mélanie de Biasio zur Flöte oder schnippt die Finger, aber ansonsten höre ich nur ihre Stimme oder Stille. Während ihres Auftritts ist es mucksmäuschenstill, der Theatersaal mit seiner gut austaxierten Soundtechnik und Akustik passt zu ihrer Musik, die klar und akzentuiert gespielt wird. Es macht mächtig Spaß, im Sessel zu versinken und gedankenverloren den Songs zuzuhören.

Melanie De Biasio is a graduate of the Conservatoire Royal de Bruxelles and already an acclaimed artist in her home country of Belgium and in the neighbouring Francophone nation to the south.
Initially heralded as a new voice in jazz, albeit jazz „d’autres univers“, other-worldly, so to speak, her first album „A Stomach Is Burning“ was closer to the smoky, smouldering sound you dream of stumbling upon in a jazz cellar. Preferably in Paris or New York in, let’s say, 1959.
„No Deal“, her sophomore album, appears almost monochromatically minimalist at first, A simple cover shot. Melanie has cut her hair. Miles Davis „A Kind Of Blue“ typography. Seven songs, through which her own voice drifts gracefully, at times disappearing altogether. Like a tintype photograph, this record needs time to develop, for the details to become clear, as if by magic.
Apparently „No Deal“ comes in at 33 and a third minutes, which could be mistaken for a nod to the golden age of the jazz LP. And yet its brevity (or succinctness) is genuinely hard to believe. It reverberates, echoes resonates. Throw a stone into the lake and the concentric ripples seem to go on for ever.
She has been called the Belgian Billie Holiday and, to be fair, there is something delicately haunting about her voice. Something in her delivery which compels you to listen, a different timbre to Abbey Lincoln but a similarly entrancing fascination. If the „No Deal“ LP does have an immediate relative in jazz, then perhaps it is Nina Simone’s debut „Little Girl Blue“, also known as „Jazz As Played In An Exclusive Side Street Club“. On both, instrumental tracks nestle between the vocal ones. Nina plays the piano. Melanie plays the flute. There’s Nina on the cover of „Little Girl Blue“ on a Central Park bench looking like there’s definitely some other place she’d rather be. Melanie, half in shadow, looking up and away, breathes that same unpindownability. (Homepage)

Kontextkonzerte:
Eels – Heerlen, 04.04.2013  / Parkstad Limburg Theaters
Els – Heerlen, 20.06.2011 / Parkstad Limburg Theaters
Eels – Köln, 20.02.200 / Theater am Tanzbrunnen
Eels – Washington DC, 29.03.2008 / Synagoge Sixth and I

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