Ort: Theater Heerlen, Heerlen
Vorband: –
So 1980er Jahre Kram.
Letzte Woche stolperte ich in meiner Social Media Timeline über ein, zwei Videos des Marc Almond Auftritts in der Utrechter TivoliVredenburg. Mhh, dachte ich, Marc Almond, kenn’ ich. Was macht der denn heutzutage so? Ich googelte etwas umher und erfuhr, dass er zwei Tage später in Heerlen im Theater ein Konzert geben wird. Was er darüber hinaus so macht, blieb mir erstmal diffus. Aber die Gleichung Heerlen+Samstag+‘ich habe nichts vor‘ = ‘Tickets kaufen‘ ging nichtsdestotrotz vollends auf.
Es sollte mich nun wirklich nicht mehr überraschen, aber als wir die Tickets kauften, mussten wir erneut feststellen, dass es sinnvoll ist, nicht über das eventim Portal Tickets zu kaufen. Die Preisdifferenz zwischen dem Ticketkauf via Theater Heerlen und einem Kauf über eventim beträgt für das Marc Almond Konzert sagenhafte 9 Euro. 9 Euro! Wie um Himmels Willen rechtfertigt das eventim? Mit Auslandstransaktionskosten? Mit einer Umrechnungspauschale von niederländischen Euro in deutsche Euro?
Ich kapituliere, ich verstehe es nicht, nehme aber erneut mit, dass Ticketpreise im Ausland eher günstiger als teurer sind. Denn das ist leider kein Einzelfall.
Im Theater in Heerlen herrscht an diesem Abend Hochbetrieb. Nicht nur im LimburgZaal gibt es an diesem Abend ein Konzert, sondern auch der große Theatersaal und eine kleinere Bühne werden bespielt. (Für Nicht-Grenzgänger: Konzerthäuser in Benelux verfügen meist über mehr als nur einen Saal). Entsprechend hoch ist der Andrang im theatereigenen Parkhaus und im Foyer. Mit beiden haben wir jedoch keine Probleme, zum einen finden wir drei Querstraßen weiter einen freien Parkplatz und zum anderen sind wir so zeitig vor Ort, dass wir uns nirgends durchdrängeln müssen.
Der LimburgZaal ist der zweitgrößte Saal des Theaters. Er hat neben einer kleinen Stehplatzfläche auch mehrstöckige Sitzreihen, die je nach Auslastung und Art der Veranstaltung geöffnet (sprich aus den Wänden herausgezogen) oder geschlossen werden können. So wie in einer Mehrzweckturnhalle die Sitztribünen.
Der obere Sitzplatzbereich ist an diesem Abend geschlossen. Es sind vielleicht 300 Leute (ich bin jedoch schlecht im Schätzen), die Marc Almond und Band sehen wollen. Der Saal ist damit zu einem Viertel ausgelastet. Das fällt aber wenig auf, da der Stehplatzbereich vor der Bühne nicht peinlich leer bleibt, dafür die hinteren, leeren Sitzplätze fast im Dunkeln bleiben.
Um 20.30 Uhr kommen die Musiker*innen auf die Bühne. Marc Almond hat eine komplette Band, Schlagzeug, Gitarre, Bass, Keyboard sowie zwei Backgroundsänger*innen um sich geschart. Eine Vorband gibt es nicht. „Black sunrise“ vom 2020er Album Chaos and a Dancing Star ist der erste Song, den wir an diesem Abend in Heerlen hören. Der Sound ist perfekt. Natürlich, wir sind schließlich in einem zeitgemäßen Konzertsaal. Und wir sind in den Niederlanden, da gibt es keine schlechten Konzertsäle. Ich kenne zumindest keinen. Chaos and a Dancing Star ist das aktuelle Album des Briten, das Konzert in Heerlen ist Teil der ursprünglichen Chaos Tour. Ursprünglich, weil die Konzerte vor zwei Jahren angesetzt waren und das neue Album supporten sollten. Daraus wurde bekanntermaßen nichts und die Konzerte wurden auf 2023 verschoben. Da mittlerweile Chaos and a Dancing Star ein paar Jahre älter ist und Marc Almond zwischenzeitlich weiteres Material veröffentlicht hat (ein neues Album mit seiner Band Soft Cell (oh ha) und eine EP, wenn ich es richtig verstanden habe), wurde der Name der Tour auf Chaos and Hits ausgedehnt.
Folglich spielt Marc Almond an diesem Abend nicht nur die Songs seines aktuellen Albums, sondern auch „Tainted love“, „Something’s gotten hold of my heart“, „Tears run rings“ und „The days of Pearly Spencer“ und all das, was ich früher sehr oft im Radio gedudelt wurde. Also die Hits. Zum Beispiel „Tainted love“. Das ist einer dieser Hits. Irgendwann fing ich an, diesen Song zu hassen. Er war mir unhörbar geworden. „Tainted love“ war Anfang der 1980er Jahre einer dieser Songs, die ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gefühlt für die nächsten 10 Jahren dreimal pro Stunde im Radio gespielt wurden. Definitiv zu oft. Ich habe ihn, genauso wie Mike Oldfields “Moonlight shadow” irgendwann nicht mehr ertragen. Jahre später erging es mir mit „Losing my religion“ ähnlich. Das Radio hat mir sehr viele gute Songs kaputtgemacht.
„Tainted love“ war der größte Hit der britischen Synthie-Band Soft Cell, zu der neben Mark Almond auch David Ball zählte. Ursprünglich stammt der Song aus der Feder von Ed Cobb, in den 1960er Jahren Mitglied der Band Four Preps und Produzent verschiedener Musiker*innen. 1964 schrieb er „Tainted love“ für Gloria Jones. Es war ein Flop. Erst die Soft Cell Version verschaffte dem Song größte Anerkennung. 1981 platzierte sich der Song in allen wichtigen Charts auf Spitzenpositionen. „Tainted love” wurde die Synthie-Hymne schlechthin und Soft Cell ein one hit wonder der 1980er Jahre.
Als besonders schlimm empfand seinerzeit ich die Maxi Single. Sie lief Mitte/ Ende der 1980er Jahre sehr oft als Rausschmeißersong auf Feten und in Discos. Ich mochte den Song ohnehin schon nicht mehr wirklich gerne hören, aber die 9 Minuten Fassung mit diesem komischen „Where did your love go“ Sample im Mittelteil war extrem fürchterlich. Ich erinnere mich gut, wie das mittwochs im Dortmunder Musikzirkus oder in der Bochumer Zeche lief.
1991 erschien gar eine Remixfassung, „Tainted love ’91“. Wahrscheinlich dachten Soft Cell, wenn New Order „Blue Monday ‘88“ rausbringen können und das chartet, können wir das mit unserem größten Hit auch. „Tainted love ’91“ hab’ ich Gott sei Dank verpasst. Grunge und die Rave-o-lution waren mir mittlerweile wichtiger als Synthie-Wave Kram.
An diesem Abend spielen sie, vermutlich altersgerecht gedacht, eine – ich sag mal – Las Vegas Version von „Tainted love“. Der Song hat zu viele echte Instrumente und zu viele Backing-Vocals. Es ist nicht die allerbeste Interpretation, wie ich finde. Und jedweder bekannte und geliebte Synthie-Charme des Songs geht vollends verloren, als die beiden Backing Vocalists Kelly Barnes und Bryan Chambers die zweite Strophe im Duett durchziehen und alles an dem Song zerstören.
Gott sei Dank waren die sieben Musiker*innen drei Songs zuvor bei „Tears run rings“ – übrigens mein Marc Almond Favorit – viel näher am Original. Das war mir wichtiger.
Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, aber auf dem Rückweg denke ich: Warum covern Wet leg nicht mal „Tainted love“? Das wäre definitiv unterhaltsamer als „Tainted love ‚LasVegas“ an diesem Samstagabend in Heerlen.
Bis auf diese kleine Enttäuschung in der Zugabe fand ich das Konzert überraschend unterhaltsam und kurzweilig. Ehrlich gesagt, ich hatte es mir weniger interessant vorgestellt. Alles in allem war es also eine gute Idee, an diesem Abend nach Heerlen zu fahren.
Kontextkonzerte:
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