Ort: Live Music Hall, Köln
Vorband: –

#deus281111, so sollten wir unsere tweets, likes und +1 taggen, die wir an diesem Abend über die Smartphonetastaturen in die weite Welt jagen.
Der Plan der belgischen Band ist es, ein Tourtagebuch aus allen Tweets zu erstellen. Ob das Projekt gelingt oder scheitert, kann jeder von uns hier nachschauen. Auf Twitter stehen unter diesem Tag Anmerkungen wie ‚Der Typ, der mir beim WOM in Köln damals immer die CDs zum Reinhören aufgelegt hat, ist auch da‘ oder ‚Der Altersschnitt auf einem dEUS– Konzert war auch schon mal niedriger. So vor 15 oder so Jahren. Warum nur?‘ Ach ja, jeder Tweet ein Volltreffer…
Bei der Endauswertung aller Anmerkungen zu diesem Abend werden dEUS feststellen, dass es ein großes Problem gab: den Sound. Kalle_3000 stellt fest, was alle unweigerlich fühlten: ‚Terrible sound! Please do something!‘ Gerade vorne in den ersten Reihen war es in den ersten Minuten fürchterlich. Tom Barman’s Gesang ist zeitweise weg, die rechte Box dröhnt wie bolle und eigentlich ist das Konzert unhörbar.
Da auf der Bühne aber nicht irgendwer, sondern eine meiner Lieblingsbands ever stehen, muss ich ausharren. Minütlich fürchte ich den totalen Tonzusammenbruch und mit schlimmsten Befürchtungen vernehme ich die ersten Töne von „Little arithmetics“. Dieser Song ist einfach zu schön, um ihn durch diese Soundmühle zu jagen. Beim Einsetzen der lauteren Gitarren in der Mitte des Stückes zucke ich bereits Sekunden vorher, in Erwartung des Schlimmsten, zusammen. Doch was ist das: Alles ist viel besser als noch Augenblicke zuvor. Das Boxendröhnen ist so gut wie weg, der Gesang angenehm ausgepegelt. Jetzt endlich konnte das Konzert beginnen.
Allerdings haben die Minuten zuvor es mir fast unmöglich gemacht, in das Konzert hineinzukommen. Zu sehr wird mein Ohr gequält und zu nervig ist dadurch das zuhören. Ich bin also noch nicht drin, als dEUS „Little arithmetics“ anstimmen. Aber es ist der Startpunkt, der durch das nachgeschobene „Instant Street“ die letzte Initialzündung erhält. Im langen Instrumentalteil tanzen und schwingen alle, die Stimmung erreicht erstmals einen hohen Wert und nun sind endgültig die blöden ersten fünf Songs und Anfangsminuten vergessen. Mit „Instant Street“ – ein typischer dEUS Song: ruhiger Start, explosives Ende, und überdies mit einer tollen Melodie gesegnet – ist das Konzert da und ich jetzt mittendrin.
Nun gilt es, dieses Gefühl zu bewahren. Was sich allerdings als nicht leicht herausstellen sollte: nur wenige Meter entfernt formiert sich eine Dreierclique, die durch heftiges Geschwanke und unkoordiniertes Armgefuchtel immer eines meiner Augen benötigt. Ich bin Brillenträger und habe in solchen Momenten immer die Angst, dass meine Brille zu Schaden kommt, wenn ich unvorbereitet von einen Arm gestreift werde. Für die abendliche Autofahrt nach Hause ein suboptimales Ereignis.
Kein Alkohol ist ja auch keine Lösung, aber wenn er dazu führt, dass man zu „Hotel Lounge“ Luftgitarre spielt und fast minütlich unmotivierte „Waahhhhs“ rausbrüllt, dann stimmt da was nicht. Und bei den drei Kollegen stimmt eine Menge nicht. Es bleibt vor der Bühne also spannend nervig.
Bei den Protagonisten auf der Bühne habe ich überdies den Eindruck, dass dEUS nicht in absoluter Hochform waren. Das Fazit aus beidem war ernüchternd. Der dEUS Auftritt wird ein durchschnittlicher Konzertabend. Sehr blöd.
Ohne Frage ist es schön, „Bad timing“ nach längerer Zeit wieder zu hören, aber genauso wie in vielen anderen Songs vermisse ich auch hier die Kraft und das Druckvolle. Alles erscheint mir glatt und zu brav gespielt zu werden. Leben nicht dEUS Songs gerade von dem explodierenden Ende, dem nervösen Warten auf das große Finale? An diesem Abend will sich die Spannung zum Ende allerdings bei mir nur selten aufbauen. Zu sehr scheine ich abgelenkt vom drum herum. Dabei passt doch augenscheinlich so vieles. Die Lichtshow, wie so oft eher dunkel und von hintenheraus beleuchtet, die Songauswahl, gut durchmischt und keine Wünsche offenlassend. Oh ja, an der Setlist gibt es nichts rumzumäkeln. Die ist perfekt. Gefehlt hat meiner Meinung nach nichts essentielles. „Suds & Soda“ oder „Via“ mag ich eh nicht mehr hören, „When she comes down“, „Dark sets in“ oder „Sister Dew“ sind mir da wichtiger. Und die kommen, ebenso wie sechs Stücke vom neuen Album. Keep you close (das Album) gefällt mir richtig gut, „Keep you close“ (der Song) oder „Constant now“ sind richtig gute dEUS Songs. Aber auch bei diesen gilt: Live haben sie mich an diesem Abend nicht überzeugt.
Ich mache mir nichts vor, ich bin etwas enttäuscht. Die Livequalitäten der neuen Songs schnackten nicht und die alten Sachen erzielten bei mir nicht den erwarteten wow- Effekt.
Ich schieb’s mal auf die anfänglichen Soundprobleme, die drei Kollegen und auf mich.
I skipped the part about love music.
Setlist:
01: The final blast
02: The architect
03: Constant now
04: Second nature
05: Oh your God
06: Little arithmetics
07: Instant Street
08: If you don’t get
09: Dark sets in
10: Magdalena
11: When she comes down
12: Ghost
13: Keep you close
14: Sister Dew
15: Bad timing
Zugabe I
16: The end of romance
17: Sun Ra
18: Turnpike
Zugabe II
19: Hotel Lounge
20: Easy
Kontextkonzerte:
dEUS – Köln, 14.04.2008 / Kulturkirche
dEUS – Melt! Festival, 18.07.2008
dEUS – Köln, 11.10.2008 / Live Music Hall
Hab dEUS nach dem Worst Case Scenario Album einmal live gesehen. Mein heißestes Club-Konzert aller Zeiten, jeder Backofen hätte gegen diesen Club nordpolisch gewirkt. Nicht zuletzt deshalb hab ich dEUS live nicht in allerbester Erinnerung. Aber was ist Worst Case Scenario doch für eine ganz und gar großartige Platte. Bis heute unerreicht.
Wie toll sind doch bestuhlte Konzerte. Natürlich können da auch die Nachbarn ärgern, indem sie gefühlte dreimal pro Song für kleine Mädchen müssen, aber immerhin läuft man nicht Gefahr mit Bodychecks niedergestreckt zu werden.
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