Ich sag es, wie es ist. Meine von mir gehypte Entdeckung der letzten drei Wochen, Tegan and Sara, ist der ganz grosse Geheimtipp nicht mehr. „Platte der 14 Tage“ oder so ähnlich heisst die Rubrik der TV Today, die das neue Album der Zwillinge „The Con“ in den Kalenderwochen 10 und 11 anführt. Von seichtem Indiepop bis elektrogeschwängertem Folkpop ist die Rede, von Zwillingsschwestern, die 8 Minuten Lebenszeit trennen, und von denen die eine durch Europa reist um Eindrücke zu gewinnen, während die andere in der Heimat den Haushaltsjahresabschluss der Band klarmacht.
In Kanada sind sie bereits kleine Helden, in Europa soll ihnen „The Con“ zum Durchbruch verhelfen.
Das Tegan and Sara zumindest in Köln und Umgebung über eine grössere Fanschaft verfügen zeigen die über 120 „ich-geh-hin“ Meldungen bei lastfm. Zum sonntäglichen Cure Konzert in Oberhausen sind es nur unwesentlich mehr Meldungen. Ob lastfm das richtige Barometer ist, darüber lässt sich diskutieren. (Wer nicht so denkt möge hier bitte das Beispiel Amy MacDonald Konzert anfügen, sechs „ich-geh-hin-Meldungen“ bei lastfm, das Gebäude 9 war allerdings ausverkauft.) Gestern enttäuschte das lastfm Barometer nicht. Das Gloria war ausverkauft. Als Trost für die, die keine Karten hatten, am 24.06. gibt es ein Tegan and Sara Zusatzkonzert in der Bochumer Zeche. Die DIN A4 Hinweiszettel, die überall klebten, waren unübersehbar.
Gott sei Dank ist es so, dass ein ausverkauftes Gloria bei weitem angenehmer ist als ein ausverkauftes Gebäude 9. Das Raumklima ist hier erheblich frischer, die Warterei wird nicht unnötig zur Qual und wem das nicht genug ist, ausverkauft bedeutet hier nicht engsten Körperkontakt mit dem Nachbarn, sondern immer noch luftiges nebeneinanderstehen. Von dieser Seite her damit allerbesste Voraussetzungen.
Als um kurz nach 20 Uhr Northern State den Abend eröffnen, war das Gloria bereits voll. Und auf den ersten Blick wurde klar, wer hier heute Zielgruppe ist. Unzählige Mädchen um die 20 füllten den ehemaligen Kinosaal. Einige hatten ihren Freund mitgebracht, einige nicht. Es scheint, dass Tegan und Sara mit ihrer ‚Jetzt erst Recht‘ Attitüde ein weibliches Indie-Sprachrohr für alle die sind, die zwischen Jugend- und Erwachsensein stehen.
Northern State erinnerten sofort an die Beastie Boys (weil auch aus New York). Und an Lucious Jackson (weil auch drei vier Mädels). Leider ist damit alles gesagt und wenn man weiss, dass die Beastie Boys Northern State produziert haben (übrigens seinerzeit auch Luscious Jackson) dann gibt es überdies keine weiteren Fragen mehr. Keine Frage, sie machen ihre Sache gut, passen prima ins Gesamtbild des heutigen Abends, doch wirklich neu und merkenswert sind Northern State nur bedingt. Dafür klingen sie zu sehr nach ihren Vorbildern.
Da die Quin-Twins rechtzeitig den 1live Absprung geschafft haben, dort waren sie noch um kurz nach acht beim Radiointerview, ging die Umbaupause im normalen Zeitrahmen über die Bühne.
Licht aus, Spot an. Beziehungsweise, 2 Spots an. Die Begleitmusiker bleiben dezent im Hintergrund. Vor dem dunklen Hintergrund sieht man sie kaum. Aber sie müssen da sein. Die Bühne gehört Sara und Tegan. Die eine links, die andere rechts am Bühnenrand. Näher kommen sie sich, wenn eine von beiden die Gitarre aus dem Arm legt und die Keyboards aufsucht. Das geschieht des öfteren und erweist sich vorteilhaft für all die Handy und Digitalkamera- Photographen. Von denen gibt es heute viele. Es blinkt und blitzt in allen Ecken. Generation Fotohandy. So ist es möglich, die Zwillinge gemeinsam grossformatig auf ein Bild zu bekommen. Und wenn alle fair sind, stehen die Bilder bald in Flickr.
Es entwickelt sich ein interessanter und kurzweiliger Abend. Die beiden sind gute Entertainer und ergänzen sich nicht nur beim gedoppelten Gesang, sondern auch in den Zwischenansagen. Diese führen über Sympathiebekündigungen an das Publikum zum Zwischenansagen-Thema des Abends, den Kölner Dom. Besichtigten ihn die drei Mädels von Northern State und erzählten ausgiebig über die Turmbegehung (ich war bis ganz oben!), so legten Tegan und Sara nach und zollten der „scary cathedral“ gehörigen Respekt. Die Eindrücke teilt wohl jeder von uns, der den Dom zum ersten mal sieht.
Äusserten die Stars letztens an gleicher Stelle nicht ähnliches über dieses Bauwerk? Da kann man nur hoffen, dass das Kulturamt der Stadt um den prägenden Eindruck des Doms auf kulturhistorisch unbedarfte und unvoreingenommene Nordamerikaner weiss.
„I was nineteen“ singen Tegan und Sara im Laufe des Abends. Zugegeben, das ist bei mir schon länger her. Gestern abend dachte ich irgendwann: „An manchen Tagen fühlt man sich älter als an anderen.“
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Multimedia:
Fotos: p-p@ipernity | cold_chardonnay
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