Ort: FZW, Dortmund
Vorband: Friska Viljor, Videoclub
‚Happy songs for happy people‘ hätte das Motto für das kleine Konzertfestival im FZW sein können. Denn sowohl die sechs Schweden als auch die fünf Pariser waren guter Dinge und haben uns ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Aber der Reihe nach.
Das Campus Radio Eldoradio in Dortmund feiert sein 10-jähriges Bestehen. Was liegt da näher, als sich zur Geburtstagsfeier Bands einzuladen, die für einen spielen. Und da so eine Radioredaktion aus einer überschaubaren Menge Menschen besteht, war noch genug Platz, um weitere nette Menschen zur Feierlichkeit hinzu zu bitten. Zusammen fanden sich dann 1300 Leute im ausverkauften Freizeitzentrum West nahe der alten Unionbrauerei ein, um sich von Friska Viljor, Phoenix und dem Videoclub unterhalten zu lassen.
Ein Drei-Bands Set unter der Woche ist nicht täglich machbar, wenn man am nächsten Morgen um sechs Uhr raus darf, um das Geld mit ehrlicher Arbeit wieder reinzuholen, was man für Konzerttickets und Musikdatenträger ausgegeben hat. Nein, nein, ich beschwere mich nicht. Das mache ja alles freiwillig und voller Überzeugung. Ab und an muss man Dinge halt in Kauf nehmen. Phoenix ist eine Band, die ich gerne live sehen wollte, und vier Stunden Schlaf sind da ein kleineres Übel.
Weil nach dem Konzert ja noch Geld mit der hauseigenen Disko verdient werden muss, müssen die Shows pünktlich und unter starken Zeitregelungen über die Bühne gebracht werden, was zu so skurrilen Anfangszeiten wie 19.30 Uhr führt. Zum anderen, und das ist der bedeutendere, wenn auch sehr egoistische, Einwand: Samstags bin ich sporttechnisch gebunden und finde keine Zeit, meinem Musikhobby zu frönen. Diesen Herbst habe ich so tolle Bands wie Portugal.the man, Big Pink oder Tegan & Sara verpasst oder werde sie verpassen. Das The xx Konzert Anfang nächsten Jahres ist ebenso an einem Samstag. Na toll!
Dortmund ist nicht allzu weit entfernt, und das neue FZW überdies eine tolle Konzertlocation, so dass ich diesen Ausweichtermin schnell auf der Agenda hatte.
Um kurz nach acht eröffnete der Münsteraner Videoclub den Abend. Ihr Musik lässt sich mit einem Wort umschreiben: Foals. Wer die britische Band kennt und mag, der wird sich auch mit dem Videoclub anfreunden.
Friska Viljor waren für mich die großen Unbekannten. Ich neige dazu, skandinavischen Bands skeptisch gegenüber zu stehen. Den Grund dafür kenne ich nicht, wahrscheinlich gibt es auch keinen rationalen; es wäre aber möglich, dass mein Unterbewusstsein – geleitet oder beeinflusst von welcher Quelle auch immer – mit dieser Erdregion nur schrulligen Folk-Pop oder dummen Rock-Pop verbindet. (Abba und Roxette halte ich mal außen vor.) Beides nicht unbedingt meine Lieblingssachen. Ich war sehr gespannt, ob Friska Viljor in dieses Schema passen und mich langweilen oder nicht. Sie taten es nicht, weder das eine noch das andere.
Klar ist aber, dass Friska Viljor zu dieser Kategorie Band gehören, die man entweder sofort mag oder für immer hasst. Ich mochte sie und ihren seichten Hang zum Verrückten sofort.
Daniel Johansson, Joakim Sveningsson, Mattias Areskog, Markus Bergqvist, Ludvig Rylander und Maria Lindèn schaffen es, das FZW nach drei Songs fest in der Hand zur halten. Ab da wird nach Aufforderung mitgeklatscht, gehüpft und gesungen. Dass sich die Schweden dabei selbst nicht allzu ernst nehmen, viele Lieder in einer lalala- Endlosschleife enden und der Schlagzeuger dem Security Mann Bier über den Kopf prustet, verstärkt die Sympathien um einiges. Nach sehr kurzweiligen 50 Minuten ist ein Großteil des FZW in der Glückseligkeit angekommen.
Der übrige Rest ist ab halb elf dran. Dann betreten die französischen Indiepopper Phoenix die Bühne und verzaubern alle mit ihrer catchy-fluffigen Tanzmusik. Von Beginn an zeigt Thomas Mars, dass er der Dirigent der Massen ist. Wie man das es hinbekommt, dass einem das Publikum ausnahmslos untergeben ist, in diesem Metier kennt sich der Sänger aus. Die Musik ausleben, ständig in Bewegung sein, anfeuern, weite Wege gehen, Bühnengitter hochklettern. All das hilft, und all das macht Thomas Mars.
Der Phoenix Sänger gehört zum Typ Rampensau. Direkt nach „Lisztomania“, dem Startsong, steht er am Bühnengitter und singt mit den ersten Reihen. Das Tanzfieber breitet sich aus. Bald sind nicht nur die Mädchen umnebelt vom Charme und Nonchalance der fünf jungen Männer auf der Bühne. Letztere, so scheint es, haben Phoenix infusioniert bekommen. Kann man dieser Band eigentlich böse sein? Ihre Gitarren sind so liebenswert, ihr Auftreten so harmonisch, dass man ihnen die etwas sperrigeren Stücke so gar nicht abnehmen möchte. „Love like a sunset“ zum Beispiel, das in einem Wechselspiel zwischen Deck D’Arcy und Christian Mazzalai sekundenlang verharrt, während es sich Sänger Thomas Mars, die Monitorboxen als Kopfkissen nutzend, auf der Bühne liegend bequem macht. Oder das abschließende „Rome“, eines meiner Lieblingslieder der neuen CD, ist auch so ein eher untypischer Phoenix Song. In Dortmund wird er seziert dargeboten. Im Mittelteil schlichen sich Sequenzen von „Funky squaredance“ ein, die der Frontmann zu einem weiteren Ausflug in die ersten Reihen nutzt.
Zur ersten Zugabe erscheinen nur Sänger Thomas Mars und Christian Mazzalai. Sehr reduziert wird „Everything is everything“ gespielt, auch das anschließende „Love for granted“ bestreitet das Duo ohne die Kollegen. Die kommen aber zum großen Finale zurück. Und natürlich nutzt Thomas Mars die ausgedehnte „1901“ Version dazu, einmal quer durch das FZW zu laufen, um die Thekenmannschaft im hinteren Bereich persönlich zu begrüßen.
Setlist:
01: Lisztomania
02: Long distance call
03: Lasso
04: Consolation prizes
05: Fences
06: Girlfriend
07: Armistice
08: Love like a sunset
09: Napoleon says
10: Too young
11: Rally
12: Rome (plus Funky squaredance)
Zugabe:
13: Everything is everything
14: Love for granted
15: If i ever feel better
16: 1901
Kontextkonzerte:
Phoenix – Köln, 14.11.2009
Phoenix – Bochum, 04.11.2006
Pingback: pretty-paracetamol in concert: Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05.2024