Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband:

The Good the Bad & the Queen,Konzertbericht,Review,Setlist

Die Sommerpause ist vorbei. Erschreckende acht, neun Wochen sind seit meinem letzten Konzertbesuch vergangen. Mit leichten Entzugserscheinungen beschloss ich Anfang der Woche, erneut nach Luxemburg zu fahren, um mir The Good, the Bad & the Queen anzusehen. Eine Band, von der ich nicht allzu viel kenne und weiß, die mich aber irgendwie reizt. Hinzu kam, dass ich die Musiker in dieser Konstellation noch nicht live gesehen habe und ich ein Ticket ergattern konnte, das weit unter dem regulären Preis angeboten wurde. Die Ausrede, dass die versteckten Kosten (Tanken), die dieser Ausflug mit sich bringen würde, alles nicht lohnen, wurde dadurch amortisiert.
Jetzt hab ich sie also alle durch. Blur, Gorillaz und eben The Good, the Bad & the Queen. Im nächsten Jahr folgt Damon Albarn solo. Was nach einem riesengroßen Fan klingt, bin ich in Wirklichkeit nicht. Klar, ich mochte Blur, aber in den 1990er Jahren war ich eher ein Oasis-Ultra und im Team Gallagher unterwegs. Blur waren okay, mehr aber nicht. Allerdings, und da gibt es keine zwei Meinungen, hatte (und hat) Damon Albarn die bessere Frisur.

Das Atelier in Luxemburg ist nicht ausverkauft. Meine Spontanüberlegung, das Konzert zu besuchen, ließ sich unproblematisch verwirklichen. Neben der Frage ‘wann war ich eigentlich das letzte Mal auf einem Konzert‘ war die Entdeckung des zweiten The Good, the Bad & the Queen Albums Merrie Land mein Antrieb für diesen Konzertbesuch. Was für ein schönes Stück Musik die Band hier produziert hat, ich empfehle jedem, sich die Ruhe zu nehmen und es für sich zu entdecken. Es ist toll!

Da keine Vorband angesetzt ist, bleibt die Wartezeit auf die Band überschaubar. Damon Albarn, Paul Simonon, Tony Allen und Simon Tong. Begleitet durch einen Percussionisten und einen Keyboarder. Mit sechs Musikern ist die Eckbühne des Ateliers voll.
Nach meinen aktuellen Beobachtungen geht der Trend, diese zu überbrücken, hin zum Nachrichten oder Filme streamen. Nahm der Konzertnerd, der lange vor allen anderen an der Tür wartet und als erster (oder zumindest unter den Top 10) den Saal betritt, früher ein Buch mit, um sich die Zeit zu vertreiben, lehnt er heute locker mit dem Handy in der Hand am Absperrgitter und schaut Nachrichten. Bei uns aufgrund mangelndem G Wertes ein Ding nahe an der Unmöglichkeit, in Luxemburg (oder Albanien) locker machbar.

Zwei Alben haben The Good, the Bad & the Queen veröffentlicht. Das erste 2007, das zweite vor ein paar Monaten. Mit Merrie Land hatte ich persönlich nicht mehr gerechnet, aber dann war es da. Schön, melancholisch. Musik, die die Ursprünge der Musiker (The Verve, The Clash, Afrobeat, Blur) nicht erkennen lassen. Es klingt ruhig, allwissend, im Grunde unaufgeregt erwachsen. Die Vergangenheit kommt nur einmal kurz durch. Der Titeltrack klingt verdächtig nach einem ollen Blur Schinken. Ansonsten gilt: Merrie Land und das erste Album The Good, the Bad & the Queen sind viel zu gut, als dass sie Anspielungen oder Hinweise an Afrobeat, The Verve, Blur oder The Clash nötig hätten.

So, noch schnell den Wetterbericht schauen, und dann volle Konzentration auf die Band. Man könnte Supergroup sagen, muss man aber nicht.
Damon Albarn trägt Zylinder. Paul Simonon Schiebermütze. Peaky blinders – eine britische Dramaserie, die im Birmingham der 1920er Jahre kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges spielt – Erinnerungen kommen in mir hoch. Die im Goldrahmen eingefasste Sonnenbrille von Tony Allen passt da nicht ganz ins Bild; sie blitzt jedoch unter seinem weißen Sommerhut markant hervor. Jeder ist auf seine Art und Weise cool. Aber Tony Allen ist der allercoolste. Leider kann ich sein Schlagzeugspiel, das mit zu dem besten des Planeten gehört, von meinem Standpunkt aus nicht wirklich gut sehen. Das einzige Manko an diesem Abend.

Das Konzert ist musikalisch zweigeteilt. Im ersten Block spielen sie (fast) das komplette Merrie Land Album. Auf der Setlist fehlt nur „Drifters & Trawlers“. Im Anschluss folgen acht Songs vom ersten Album The Good, the Bad & the Queen.

Googlet man ein wenig umher, steht im Kontext der Band immer auch das Wörtchen Brexit. In einem Spiegel Online Artikel wird Damon Albarn mit den Worten

Ein künstlerischer Antrieb sei der Brexit geworden

zitiert. Und in der Summe, so interpretiere ich das Interview, ist das aktuelle Album ein Kommentar auf den Brexit. Ein nüchterner, trauriger. ’Where do we go now, where will you carry me’ (aus „Lady Boston”), ‘I leave a little bit of England in a field in France‘ (aus „Ninteen seventeen”), sind typische Textzeilen, die sich durch die neun Songs des Albums ziehen. Musikalisch ist Merrie Land melancholisch und ruhiger als das erste Album. Dub Beats, wie ich sie noch auf The Good, the Bad & the Queen höre, gibt es nicht mehr. Dafür Streicher.

Violinen sind im Atelier auch zu hören. Allerdings nicht von der Bühne. Da diese mit den sechs Musikern und Instrumenten bereits voll ist, werden die vier Violinistinnen auf die Galerie ausquartiert. So saßen sie über dem Treppenaufgang, immer im Blickkontakt mit ihrem ‘Dirigenten‘ Damon Albarn. Und es sah gut aus, wenn dieser in Richtung Publikum, aber eigentlich in Richtung der Musiker, die Arme schwang, den letzten Ton ansagte oder zu schnellerem Spiel aufforderte. Als ob er das Publikum im Saal dirigieren wolle.

Das Zugabenintro bzw. die Pausenmusik zwischen regulärem Set und Zugabe wird von den Violinistinnen auf der Galerie bestritten. Es ist ein zwei, dreiminütiges Zwischenspiel, das die Band langsam auf die Bühne zurückbringt. Damon Albarn sitzt als erster am Klavier und leitet über in das wunderbare „Kingdom of Doom“. „Kingdom of Doom“ ist, wie ich finde, der schönste Song von The Good, the Bad & the Queen. Ein Popsong, der eine besondere Sympathie ausstrahlt. In die Klavierpassage baut Damon Albarn ein paar Sekunden der Harmoniefolge von „London calling“ ein. Der Saal springt sofort darauf an. Aber mehr Reminiszenzen kommen nicht. Das ist gut, denn dann müssten gerechterweise auch noch ein paar Verve, Blur und Beatpassagen folgen. Das kann es ja nicht sein. Und das ist es auch nicht! Gut so. Ich bin schließlich wegen The Good, the Bad & the Queen hier.
Jeder merkt, der Abend neigt sich dem Ende entgegen. Das Spiel wird wilder und unberechenbarer. Jetzt hüpft sogar Damon Albarn auf der Bühne umher wie ein kleiner Troll. Zylinder und Jacket liegen schon lange in der Ecke und alle Theatralik ist dahin. Die Band spielt noch zwei weitere Songs, dann ist alles gesagt.

Am liebsten würde ich Parklife und Merrie Land bei den kommenden Konzerten direkt hintereinander spielen,

sagt Damon Albarn im erwähnten Spiegel Online Interview. Es gäbe eine starke Verbindung zwischen diesen Alben.
Bisher hat er es nicht getan. Eine kluge Entscheidung. So war es das bessere Konzert.

Setlist:
01: Merrie Land
02: Gun to the Head
03: Nineteen Seventeen
04: The Great Fire
05: Lady Boston
06: The Truce of Twilight
07: The Last Man to Leave
08: The Poison Tree
09: History Song
10: 80’s Life
11: Herculean
12: Nature Springs
13: Three Changes
Zugabe:
14: Kingdom of Doom
15: Green Fields
16: The Good, The Bad & The Queen

Multimedia:

Kontextkonzerte:

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