Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband: Scalping
Nachmittags ereilte mich eine kleine Hiobsbotschaft. Fontaines D.C. haben ihren Auftritt auf dem diesjährigen Sonic City Festival abgesagt. Ärgerlich und schade, wirklich schade. Ihr Konzert sollte einer meiner unangefochtenen Höhepunkte des Festivals werden, für das ich ihr mittlerweile ausverkauftes Konzert in Köln ticketkauftechnisch links liegen ließ und auf das ich mir durch den Kauf des Albums Dogrel noch einen weiteren Vorfreudeschub mitgegeben habe.
Doch was hat das mit dem anstehenden Black Midi Konzert zu tun?
Nun, erstmal nichts. Andererseits verbindet Black Midi mit den Fontaines D.C. (und vielleicht noch mit The Murder Capital) der Fakt, dass sie als die höchstgehandelten Bands des Jahres 2019 gelten. Nichts Geringeres als die Rettung des Rocks (die wievielte eigentlich?) wird ihnen zugewiesen, ihre Debütalben Schlagenheim (Black Midi), Dogrel (Fontaines D.C.) und When I have fears (The Murder Capital) sind allesamt – gemäß dem Meta Plattenkritiken Crawler any decent music – hoch bepunktet.
Post-Punk oder das, was man 2019 darunter versteht ist das Genre der Stunde. Im Fall von Black Midi ist etwas mehr Math-Rock mit im Spiel, im Fall von The Murder Capital etwas mehr Wave-Rock. Zu den Fontaines D.C. kann ich nichts sagen, die Songs habe ich nicht oft und intensiv genug gehört. Aber wie dem auch sei, Gitarrenfreunde wie ich haben ihren Spaß und sollten alle drei Bands auf ihrer must-see Liste für 2019 führen. Nun, die Fontaines D.C. schaffe ich in diesem Jahr nicht mehr, The Murder Capital hatten mich im Frühjahr live noch nicht vom Hocker gerissen und Black Midi werden mir an diesem Abend zeigen, was sie live drauf haben.
‘Ist das anstrengend‘, der vielleicht 12-jährige Junge ächzt im Viererblock der Regional Bahn weiter vorn. Und er hat vollkommen Recht. Es ist anstrengend. Der Bahnverkehr in die Stadt ist mehr als gestört und so komme ich nur mit zweimaligen Zwangsumsteigen verspätet im Bumann & SOHN an. Wir haben es nicht leicht. Der Junge stöhnt unter seinem vollgepackten und scheinbar schweren Sportrucksack und ich unter den Widrigkeiten einer Erkältung in Kombination mit zugigen Bahnsteigen.
Das Konzert ist lange ausverkauft. Es ist voll. Die Vorband Scalping spielt bereits und ich stelle mich hinten im Saal an. Von der Bühne flickern mir Visuals entgegen, eine Leinwand bedeckt den gesamten Bühnenhintergrund. Davor stehen zwei oder drei junge Männer mit ihren Gitarren und machen Elektro-Dance-Noise. ‘Ganz nett‘, denke ich.
Um kurz vor neun sind sie mit ihrem Song fertig. Eine gute halbe Stunde lang habe ich mich mit allerlei Gitarrenriffs und Elektrozeugs bedröhnen lassen. Nonstop. War das nur ein Song? Es kam mir so vor, tatsächlich war es aber wohl eine geschickte, nahtlose Aneinanderreihung mehrerer Songs, ein Mix aus gefühlt unendlich vielen Einflüssen. Ich entdecke Underworld, Modest Mouse, Orbital und Strokes Anleihen. Trotz der vielen Soundwendungen und -spielereien hat der Mix immer eine Struktur, einen roten Faden und eine durchgängige Stabilität, die die halbe Stunde durchgängig tanzbar hielten. Ich erwähne das, weil das Black Midi Konzert im Anschluss diese Stabilität und Homogenität nicht hat und weil mir das im Gegensatz zur Vorband direkt auffällt. Nur einmal brechen die Londoner aus dem Chaos der abgehackten Gitarren aus. Der vorletzte Song bleibt sich seiner Melodie durchgängig treu, die Gitarren zerfetzen ihn nicht und das Schlagzeug legt keine dramatischen Ruhepausen ein. In allen anderen Songs ist das nahezu durchgängig der Fall.
Dass die Songs derart viele Brüche und Wendungen haben, ist mir bei meiner häuslichen Songrecherchen gar nicht so aufgefallen; ich habe das Album Schlangenheim homogener im Kopf. Live sind diese Wendungen und Brüche und das im wahrsten Sinn des Wortes zerstückeln der Songs anstrengend und machen das Konzert schwer hörbar. Sehe ich so, sehen aber auch andere so. In der zweiten Konzerthälfte leert sich der Saal im hinteren Bereich sichtbar. Ich bleibe, auch weil mein Zug erst viele Minuten später fährt.
Eine gute Stunde spielen Black Midi ihre Songs vom Debüt Schlangenheim. Ohne Pause, ohne Ansagen, ohne Zugabe. Und ich kann dieses Konzert nicht einordnen. Es gelingt mir nicht, ein Bild zusammenzusetzen. Es gibt einfach zu viele Mosaikstückchen, die noch verteilt vor mir liegen: Da ist der facettenreiche Gesang von Geordie Greep, der im Intervall zwischen Sprechgesang und opernhaften Tonfolgen hin und herpendelt. Da sind die Schrammelgitarren, mit denen Black Midi ihre Songs durchpflügen. Da ist das Geschrei vom Gitarristen Matt Kwasniewski-Kelvin genauso wie der ruhige Bass von Cameron Picton. Es ist alles auf einmal: Math-Rock, Prog-Rock, Post-Punk, Slint, Sonic Youth, Fugazi, Red Hot Chili Peppers, zu deren Song „Can’t stop“ Black Midi übrigens die Bühne betritt. Alles begeisterte mich, aber in der Summe ergibt es für mich noch kein homogenes Bild. Ich bin ratlos. Ich bin irritiert. Es bedarf einer weiteren Aufarbeitung.
Tolles Konzert. Irgendwie