Ort: Rotondes, Luxemburg
Vorband: Lina Tullgren
Luxemburg. Mal wieder. Bin ich eigentlich in diesem Jahr zu oft nach Luxemburg gefahren, um Konzerte zu sehen? Meinem gefühlten Empfinden nach muss die Antwort ‘ja‘ lauten. Gerade in den letzten Wochen war ich doch sehr oft in der mir am nächsten gelegenen Hauptstadt. Und das hatte Gründe, sowohl musikalische als auch örtliche. Denn seitdem ich die Rotonde, oder genauer gesagt die Rotondes im letzten Jahr erstmals besucht habe, habe ich mich in diesen Konzertsaal verliebt. Es ist der schönste, perfekteste (geht eigentlich nicht) und beste, den ich kenne. Ausstattung top, nicht zu groß, gemütlich klimatisiert, ideal und einfach zu erreichen. Die Rotondes steht zweifelsfrei auf dem zweiten Platz meiner liebsten Konzertsäle. Schöner ist nur die Brüsseler Botanique.
Mhh, ich sollte mal ein Konzertsaalranking erstellen, oder noch besser, ein Konzertsaalquartett.
Zurück zur Rotondes und Luxemburg.
Luxemburg ist wie gesagt die nächstgelegene Hauptstadt, 178 km liegen zwischen meiner Haustür und der Tür der Rotondes. Eigentlich eine Distanz, die locker und stressfrei in 90 Minuten mit dem Auto zurückzulegen ist. Wenn es denn eine durchgängige Autobahn gäbe. Gibt es aber nicht. Es gibt die Eifel. Und den Eifel-Frosch und andere seltene Tiere. Daher befindet sich der Lückenschluss der A1 seit vielen Jahren im Verhandlungsstatus, kommen wird er wohl eher nie. Stattdessen, und das kann ich durch meine Fahrten über die B51 durchaus feststellen, geht der kontinuierliche Ausbau der Bundesstraße weiter. Die Fahrt nach Luxemburg ist so nicht in 90 Minuten zurücklegbar, was ich aber nicht allzu lästig finde. Ich fahre ja nicht täglich und so nervt mich die Bundesstrassengurkerei nicht. Es kommt eher dazu, dass ich die Überlandfahrt manchmal ein wenig genieße. Die Eifel ist schön, in der nachmittäglichen Herbstsonne und sogar nachts, wenn die roten Warnleuchten der vielen Windräder wie ein Ufo am Horizont flimmern. Mit der richtigen musikalischen Untermalung macht es Spaß, durch diese einsame Gegend zu fahren. Zumindest im Frühjahr, Sommer und Herbst. An Wochenenden ist eine solche Ausflugsfahrt ganz und gar unkritisch.
Daher war es irgendwie klar, dass ich Frankie Cosmos lieber in der Rotondes als im Kölner MTC sehen möchte. Auch, weil ich am Kölner Termin ein anderes Konzert eingeplant hatte. Zu dem kam es dann aber nicht, die Bahn machte einen Strich durch meine Rechnung, rechtzeitig im Schauspiel bei John McEntire und Sam Prekop zu sein.
M&M’s und Erdnüsse. Den Bassisten im Schlepptau, betritt ein noch kauender Schlagzeuger wieder die Bühne, nachdem die beiden Mädels in der Mitte des Konzertes ihre 2 Solosongs beendet hatten und sich die gesamte Band Frankie Cosmos wieder auf der Bühne einfindet. Seine Begeisterung über den Backstagebereich der Rotondes kann Luke Pyenson nur schwer verbergen. Wie großartig es hinten sei, so gemütlich und schön und es gäbe zwei Behälter mit Nüssen, in einem M&M‘s und in dem anderen Peanuts. Ich vermute, mit Peanuts meint er auch diese Schokodinge und nicht ordinäre Erdnüsse. M&M’s sind so super, egal ob mit ganzen Nüssen oder nur die flachen Dinger. Eigentlich müsse man sie sich alle direkt aus der Tüte in den Rachen schütten. Die Band ist sich in diesem Punkt einig. Die Band, das sind die beiden Mädels Greta Kline (im Übrigen die Tochter des Oscar-Preisträgers Kevin Kline) und Lauren Martin sowie Schlagzeuger Luke Pyenson und Bassist Alex Bailey. Alle sind noch blutjung. Zusammen sind sie Frankie Cosmos und sie machen Lo-Fi Indiepop. Und das in sehr schön. Oder wie es der Musikexpress in der Kritik zur aktuellen Platte Close it quietly umschreibt:
Greta Klines Songs klingen, als seien sie mit baumelnden Beinen gesungen, als sitze die New Yorkerin füßeschlenkernd auf einer Parkbank, drüben im Halbschatten, wo sich die Underdogs vor zu viel Sonne fürchten.
Das passt sehr gut, finde ich. Das Album ist ihr viertes. Erst im letzten Jahr veröffentlichten sie Vessels und eine EP; das Frankie Cosmos Debüt Zentropy ist gerade mal fünf Jahre alt. Daneben gibt es unzählige Bandcamp Veröffentlichungen. Das Verlangen, Songs zu schreiben, scheint bei Greta Kline wahnsinniges groß zu sein. Und sie outputet nicht nur als Frankie Cosmos. Andere Projekte heißen Ingrid Superstar, Greta, Little bear und Frankie Cosmos and the Emptiness, um einfach mal die lustigsten Namen zu nennen. Die Liste ist noch ein bisschen länger. Wer es recherchieren möchte, Bandcamp ist eine gute Anlaufstelle.
Zuckerwattemelodien, leiser Gesang, die Becken des Schlagzeugs zur Dämmung mit T-Shirts abgedeckt, so entzücken unendliche viele 2,5 Minüter meinen Samstagabend. Auf der Leinwand flimmern dazu selfmade Videos, in denen Rauhaardackel, Murmeln, Alufolie und Bastelkram wie Filz, Knete, undsoweiter die Hauptrolle spielen. Das ist alles stimmig und wirkt im Gesamtbild sehr niedlich. Manchmal schaffen sie es aber, etwas rockiger zu klingen; meist dann, wenn sich die Keyboarderin Lauren Martin eine Gitarre umschnallt und die Tasten ruhen lässt. Frankie Cosmos haben keine langen Songs, um die fünfundzwanzig Lieder spielen sie in den knappen 60 Minuten Konzert. Ihre Songs sind dabei so unaufgeregt wie Rauhaardackel und bunte Murmeln, und gleichzeitig so süchtig machend wie M&Ms.
Lina Tullgren im Vorprogramm ist spannender, weil unberechenbarer. E-Gitarre und Keyboards. Das klingt mal nach Songwriterinnen wie Julien Baker oder Torres, mal ganz anders. Ihre Songs sind leise, ruhig und haben einen traurig klingenden, manchmal wehklagenden Unterton. Mir gefällt das. In der Rotonde interessieren sich vielleicht zwei Hände voll Leute für den halbstündigen Auftritt. Das sind definitiv zu wenige!