Ort: Kulturkirche Nippes, Köln
Vorband: Tylor Ramsey

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Dieses Konzert war ein Glücksmoment. Ein ganz großer Glücksmoment!
Selten spürte ich einen so feinfühligen Konzertbeginn, eine solche Ergriffenheit und innere Begeisterung. Die Band of Horses schaffte es, mit wenigen, unspektakulären Mitteln eine Atmosphäre zu zaubern, die das Prädikat ‚Konzerterlebnis des Lebens‘ mehr als verdient hat. Nachfolgende Konzerte werden es schwer haben, sie müssen sich Vergleiche mit diesem Abend gefallen lassen. Ach was, vielleicht sollte ich keine Konzerte mehr besuchen, was kann jetzt noch tolleres kommen? *
Nein, ich übertreibe nicht!

Band of Horses. Ich hatte sie vor zwei Jahren kennengelernt, als ich mir während einer Reise ihr Album Cease to begin ohne Not kaufte. Es war einer dieser Zielloskäufe, dieser ‚ich hab da mal was gelesen und das klang interessant‘ Kaufoptionen, die ich gerne wahrnehme, wenn es keine bestimmten Alben zu beschaffen gilt. Auf langen Autofahrten lernte ich dann, Songs wie „Detlef Schrempf“, „Is there a ghost“ oder „Cigarettes, Wedding Bands“ sehr zu lieben.
Ich freute mich wie doof, als sich mir gestern nun endlich die Gelegenheit bot, die Band live zu sehen. Sehr lange schon lag die Karte in meiner Schublade, und auch ein zeitgleich angesetztes Mumford & Sons Konzert konnte meine Vorfreude nicht trüben. Da wäre ich auch gerne dabei gewesen, aber das übernahmen alle 1live Hörer für mich; Band of Horses waren die Band, die man sehen musste. Und so tummelten sich denn auch viele bekannte Gesichter in und um der Kulturkirche. Ich habe hier schon einige Konzerte erlebt, aber das die Kirchenorgel genutzt wurde oder das von der Kanzel gesungen wurde, sah ich bei noch keiner der hier aufgetretenen Bands.
Wow, und sehr passend.
Und wären dies nicht schon Aufreger genug, nein, es war ja alles noch viel besser. Es war ein perfekter Abend, es war unglaublich schön, es war nicht zu beschreiben. Das Konzert begann spektakulär.

Habt noch ein, zwei Minuten Geduld. Die Band hat sich was Besonderes für euch ausgedacht. Sie sind dann gleich da.

Mit diesen Worten wurden wir vom Kulturkirchen-Conférencier begrüßt. Es ist hier so Usus, dass die auftretenden Künstler kurz angesagt werden (und immer mit dem Hinweis, nicht zu rauchen, aber viel zu trinken).
Ben Bridwell und Tyler Ramsey, der nebenbei noch solo das Vorprogramm bestritt, kommen als erstes auf die Bühne. Im Hintergrund summt leise die Kirchenorgel. Sanft erklingen die ersten Töne von „Detlef Schrempf“. Richtig, Keyboarder Ryan Monroe sitzt am anderen Ende des Kirchenschiffes und begleitet die beiden auf der Kirchenorgel. Fantastisch! Mit der Hand deutete Bridwell kurz in Richtung Empore, als wolle er sagen, seht, da oben sitzt der Kollege, bevor er ruhig und die Hände tief in den Sakkotaschen vergraben die ersten Zeilen singt.
„Detlef Schrempf“ ist per se schon ein Mordslied, aber in der Kirchenversion ist es unschlagbar. Die behutsam gespielte, und dadurch kaum zu hörende Orgel verleiht ihm einen würdevollen Anstrich voller Anmut. Besser kann man den Song nicht interpretieren. Besser kann man ein Konzert nicht beginnen. Der Grundstein zu einem grandiosen Abend war somit gelegt. Auf gleichbleibendem Niveau geht’s weiter: „No one’s gonna love you“. Noch so ein toller Schmachtsong, ebenso sanft und zärtlich dahingespielt.
Meine Augen glänzen, viele Augen glänzen. Hätte ich derzeit eine emotionale Hin- und Hergerissenheit in mir, ich hätte – wie das Mädchen neben mir – kleine Tränen verdrücken können. So bleibt es bei großer Gänsehaut. Es ist jetzt eine ganz besondere Atmosphäre in der Kirche. Das Konzert entwickelt bereits nach zehn Minuten eine nie gekannte Eigendynamik. Ab diesem Zeitpunkt ist alles zuckersüß. Die Songzusammenstellung, die Interpretationen, einfach alles. Selbst die nervigen Kameraleute, die ständig vor meiner Nase rumhampeln, stören nicht mehr.

Die Stücke von Cease to begin bilden meine emotionalen Höhepunkte. Die bereits erwähnten Eröffnungssongs und das grandiose „Is there a ghost“, live kein Vergleich zu den Albumversionen. Der Tempowechsel bei „Is there a ghost“ wird traumhaft umgesetzt.
Was die anderen Songs jedoch nicht abwerten mag. „Great salt lake“ und „The Funeral“ stehen eh unerreicht für sich. Vom kommenden dritten Album Infinite arms spielen sie fünf Songs. Sie gefallen mir sehr. „Factory“, ein typischer Band of Horses Song, sticht heraus.
Mehr kann ich nicht schreiben, denn an diesem Abend verwischt alles unter dem Schleier des perfekten.
Die tolle Stimmung der Kulturkirche färbt auf die Band ab. Mit sichtbarem Spaß sind sie bei der Sache. Keyboarder und Heinz Rudolf Kunze Double Ryan Monroe unterstützt Ben Bridwell, der eingangs entschuldigend anmerkte, dass seine Stimme erkältungstechnisch angeschlagen sei (was man aber kaum hört), in vielen Gesangspassagen, Bassist Bill Reynolds, mit rotem Halstuch, Jeansjacke und weißem T-Shirt in perfekter Cowboymontur, bekommt sein Grinsen nicht mehr aus den Gesichtszügen. Er genießt das Spektakel sichtlich.
Nach „The Funeral“ befürchte ich schon das Ende des Konzertes. Der Song hat etwas Finales, es wäre ein würdiger Abschluss. Eine gute Stunde ist mittlerweile auch um und Kulturkirchenkonzerte dürfen ja aufgrund Lärmbelästigung nicht unendlich dauern. So spricht nicht allzu viel für weitere Livemusik. Aber es kommen mit „Ode to LRC“ (toll!) und „Genereal specific“ noch zwei Stücke, bevor es eine weitere Überraschung gibt.
Plötzlich richten sich alle Blicke nach oben. Ryan Monroe, Ben Bridwell und Tyler Ramsey standen auf der Kanzel und spielen die erste Zugabe aus der Predigerbox. Damit haben sie das Ambiente und die Möglichkeiten, die ein Livekonzert in einer Kirche bieten, voll ausgeschöpft. Mehr geht nicht.

The world was such a wonderful place!
Vielen Dank an Ben Bridwell, Creighton Barrett, Ryan Monroe, Bill Reynolds und Tyler Ramsey für diesen wunderbaren Abend.

Der Rockpalast drehte mit. Die Aufzeichnung sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Auch wenn das Fernsehen nur die halbe Wahrheit und Schönheit des Abends vermitteln kann.

* na, das überdenke ich bestimmt noch mal!

Setlist:
01: Detlef Schrempf
02: No one’s gonna love you
03: Factory
04: Laredo
05: Great salt lake
06: Is there a ghost
07: Weed party
08: Older
09: infinite arms
10: Song for you (Gram Parsson Cover)
11: Marry song
12: The Funeral
13: Ode to LRC
14: Genereal specific
Zugabe:
15: Evening kitchen
16: Monsters

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