Ort: Lido, Berlin
Vorband: Oum Shatt

Ja, Panik

Heimspiel für Ja, Panik?! Das Lido war ausverkauft, aber die Zuschauer nicht ganz unkritisch. Aus zwei unterschiedlichen Ecken hörte ich das böse Wort Schlager, wenn man auf die neue Platte Libertatia zu sprechen kam. Tatsächlich gibt es einige Lieder auf Libertatia, die einen schlager-esken Anstrich haben, wie z.B. „Au revoir“ (das aber trotzdem wirklich schön ist). Ich war jedenfalls sehr gespannt auf den Auftritt von Ja, Panik in Kreuzberg.

Vorab gab es eine Band namens Oum Shatt, die eine hochinteressante und ziemlich tanzbare Mischung aus Countrygitarre und arabischen Klängen brachte, verbunden mit stampfenden Drums und aufgelockert durch Keyboard. Es ist manchmal einfacher Musik zu beschreiben, wenn man eine Referenzband zur Hand hat, aber im Fall von Oum Shatt ist das schwierig, weil ihr Sound ziemlich einzigartig ist. Mir haben sich jedoch Django Django aufgedrängt, die mit ähnlichen Gitarren arbeiten, und abgehackte und sehr rhythmische Drums verwenden. Modisch sind vor allem der Gitarrist mit in Gummistiefeln gestopften Hosenbeinen sowie der sehr coole Drummer herausgestochen. Es war also eine sehr kurzweilige Vorbereitung auf Ja, Panik.

Die Gruppe kommt nach 22 Uhr auf die Bühne. Andreas Spechtl macht einen leicht nervösen Eindruck bei der Begrüßung and he looks slightly disheveled, as always, probably (but not wasted). Das Set beginnt mit „Radio Libertatia“, worauf „Trouble“ von DMD KIU LIDT folgt. Diese Abfolge von Stücken aus Libertatia und dem Vorgänger setzt sich fort und ergiben eine schöne und sehr unterhaltsame Mischung. Im weiteren Verlauf wird die Europäische Zentralbank zum Tanzen gezwungen, darf Andreas Spechtl im Auto schlafen und bekennt sich zu seiner Welt. ‚Wo wir nicht sind, wollen wir nicht hin‘, fängt „Libertatia“ an und das Publikum singt mit. Das Stück „Run from The one who says he loves you“ beinhaltet, abweichend von der Platte, eine Referenz an das Kottbusser Tor (Kotti) in Kreuzberg und bringt ein bisschen Lokalkolorit ins Set.
Andreas Spechtl spielt Gitarre mit Körpereinsatz, manchmal mit dem Rücken zum Publikum, meist über sein Instrument gekrümmt. Der ganze Auftritt wirkt sehr konzentriert und emotional. Die neue Keyboarderin Laura passt gut in die Band und ergänzt die seltenen, weiblichen Parts auch gesangstechnisch. Nach dem wunderbar traurigen „Eigentlich wissen es alle“ kündigt Spechtl an, dass die Party nun beginne, und zu „Alles hin, hin, hin“ fliegen Seifenblasen ins Publikum, was vom Publikum tanzend begrüßt wird.
Nach ca. einer Stunde geht die Band von der Bühne, und als sie wieder zurückkehrt, erklärt Spechtl, dass es an dieser Stelle immer nach teen spirit smelled. Es folgt „Thomas sagt“ und weitere Kracher wie „Nevermore“, aber auch das düstere „Alles leer“ vom neuen Album.

Am Ende singt die Band mit Unterstützung des Sängers von Oum Shatt „The Evening Song“ und das Publikum wiederholt den Refrain noch lange, nachdem die Band von der Bühne gegangen ist bzw. bis Andreas Spechtl noch einmal zurückkehrt und, wie anscheinend auch bei früheren Auftritten, allein mit der Gitarre „Nevermind“ singt.

Die Quintessenz des Abends: Ja, Panik sind und bleiben eine Ausnahmeband, und das Konzert war eindrucksvoll und sehr unterhaltsam. Es war ganz interessant, die Band in Berlin zu sehen, wo sie nun schon länger wohnt, und ich bin ziemlich sicher, dass Berlin Ja, Panik auch weiterhin in ihr großes, aber ziemlich verwöhntes Herz geschlossen hat. Der absolute Höhepunkt wäre natürlich „DMD KIU LIDT“ gewesen, aber das spielt Ja, Panik auch in der Hauptstadt leider nicht.
Vielleicht müssen wir darauf bis 2021 warten, wenn Ja, Panik zum 10-Jährigen mit der Platte tourt.

Kontextkonzerte:
Lüften! Festival – Frankfurt, 22.06.2012 / Jahrhunderthalle
Ja, Panik – Köln, 05.02.2014 / Gebäude 9

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