The National habe ich erst im Frühjahr mit ihrem dritten Album „Boxer“ kennengelernt. Etwas verspätet also, denn vor „Boxer“ haben sie schon drei Alben veröffentlicht. Einige Zeit dauerte es auch, bis sich mir das Album in voller Schönheit erschlossen hat. Nun ist es eines der Alben des Jahres.
Auf den Weg in den Prime Club zuckeln die Weakerthans leise in mein Ohr. Eine Band, die im weitesten Sinne gut zu The National passt. Die guten alten Swell wäre eine andere Band. Die fiel mir spontan während des Konzertes ein. Und ich glaube, der Vergleich passt ganz gut. Denn Swell sind trotz der musikalischen Andersartigkeit The National sehr ähnlich. Der Zug ist fast leer und ich schwanke noch wegen der Rückfahrt. 23.17 Uhr oder 0.17 Uhr ist die Frage. Aber morgen ist ja nur arbeiten.
Um viertel nach zehn betraten The National angenehm unaufgeregt die Bühne. Von Beginn an wirkte alles und alle ruhig und ausgeglichen. Auffallend waren die langen Ruhepausen zwischen den einzelnen Stücken. So als ob die volle Konzentration dem nächsten Song galt. Sowohl bei der Band als auch beim Pubilikum. Von Anfang an war klar, das es ein guter Konzertabend wird. Der Prime Club, angenehm gefüllt aber wohl nicht ausverkauft, war von Anfang von der Musik gefangen. Die, die es nicht waren, wurden spätestens mit „Mistaken for strangers“, das als 2. oder 3. Stück gespielt wurde, ein The National Opfer. Das Set war klug angelegt und je später der Abend wurde desto „rockiger“ wurden The National und mutierten vollends zur Indie-Rock Band. Die Bühnenpräsenz der New Yorker Band ist enorm. Ohne viel zu tun entwickelten sie eine Atmosphäre, der man nicht entkommen möchte, und die nicht viele Musiker oder Bands hinbekommen. Die staubtrockenen und mit speziellem Humor gespickten Ansagen des Sängers passten da voll ins Bild. („Ich rechne es dir hoch an, dass du dir dieses Lied wünscht. Unter den Publikumswünschen ist es mein Favorit. Aber wir spielen ihn nicht. Warum, weiss ich eigentlich nicht so genau, denn es ist ein gutes Lied. Und das du dir dieses wünschst, spricht für dich.“ So der Kommentar des Sängers Matt Berninger auf einen Zuruf aus dem Publikum.) Hier präsentierte sich ein Band, die den Eindruck hinterliess, dass sie nichts beeindrucken kann und die einfach die Ruhe weg hat. Die einzelnen Songs entwickeln live gespielt ihre eigene Dramatik und Dynamik. Anders als auf Platte, wo sich die ganze Klasse erst nach mehrmaligem Hören erschliesst und vier bis fünf Durchläufe nötig sind, bis es Klick macht und die Sperrigkeit und Dichtheit versanftet und verläuft. Da wurde ich angenehm überrascht. Denn ich war mir nicht sicher, ob es nicht ein anstrengendes Konzert werden würde. So eins mit zuviel Kopflastigkeit. Wurde es dann aber nicht. Stattdessen wurde es eine kurzweilige Veranstaltung, die richtig Spass machte. Jetzt kann ich auch verstehen, warum immer nur gutes über die Livequalitäten von The National berichtet wird.
Das Konzert dauerte gute anderthalb Stunden, in denen The National einen schönen Querschnitt aus all ihren Alben präsentierte. Höhepunkte waren das schon erwähnte „Mistaken for strangers“, „Fake empire“ , „Abel“ und der gesamte Zugabenblock. Das Bühnenbild bestand aus einem Lamettavorhang. Naja, ist ja bald Weihnachten.
Ich habe den Zug um 0.17 Uhr genommen. Heute ist ja nur arbeiten.
Uneingeschränkte Live-Empfehlung!!

Zusatz: Pausengespräche um mich herum. Thema: Die Schlechtheit der Vorbands. Haydn, die hier und heute eröffneten wurden relativ schnell abgekanzelt als belanglos, langweilig und eindimensional. Einziger Pluspunkt die recht ordentliche Stimme des Sängers, aus der er aber zu wenig mache. Unerreicht aber wohl die Vorband von LCD Soundsystem. Die waren so unerträglich, dass man sogar das Gebäude 9 verlassen musste, um es zu überstehen (oder zu berleben?). Weitere Sequenzen handelten über Interpol im Palladium, wie die Breeders klingende Blonde Redhead oder ehemalige Konzertbesuche im Underground, wo man schon schon Bands sah, die heute Millionen kennen.
Es war nicht langweilig gestern Abend.
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Multimedia:
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es läuft: Swell – What I Always Wanted
via FoxyTunes

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Sterereo

    Schönes Review! Habe die Jungs auch erst per Boxer entdeckt und musste direkt die anderen beiden Alben nachlegen. Live sind sie wirklich überraschend rockig, erwartet der gemeine Hörer nach der schwerverdaulichen Melanchoniekost garnicht so sehr. Immerhin haben sie meinen Ohrwurm herausexorziert…

    Abel come on/give me the keys back

    PS: Ganz vergessen! Vielen lieben Dank fürs verlinken! Schau doch mal genauer auf unserer Seite vorbei, vielleicht hast du mal Lust was beizutragen?

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