Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Creature with the atom brain

Immer wenn ich Mark Lanegans Stimme höre, muss ich an die Screaming Trees denken. Die Erfinder des Grunge waren seine erste Band. Von Anfang der 80er bis zur Screaming Trees Auflösung 2000 war er ihr Sänger. Nebenbei hatte Mark Lanegan immer schon sein Soloding, und als das immer besser lief, war die Screaming Trees Auflösung nur eine Frage der Zeit. Vier Alben veröffentlichte er in diesen Jahren und arbeitete überdies bei dem ein oder anderen Projekt mit. Ein sehr umtriebiger Mensch, dieser Mark Lanegan. Im aktuellen Jahrtausend war bzw. ist er Gastsänger bei den Queens of the Stoneage und bildet mit Greg Dulli die Gutter Twins.
Die Screaming Trees habe ich live leider nie gesehen, Mark Lanegan kam mir jedoch sowohl mit QOTSA als auch den Gutter Twins unter die Augen. Und ich glaube, er war auch bei Melissa auf der Maur’s Debütalbum-Tour mit dabei. Da bin ich mir aber nicht mehr sicher. Sein in das Stollwerck geupgradetes Luxor Konzert sollte meine erste Lanegan Soloerfahrung sein. Vorneweg gesagt, es war eine gute, und nach längere Zeit eine mit schönen altbackenen Gitarren.
Als ich im Bürgerhaus Stollwerck ankam, war die Vorgruppe schon bei der Arbeit. Ich vermutete keinen ausverkauften Konzertsaal, im Gegenteil. Dadurch dass das Konzert vom halb so großen Luxor hierhin verlegt worden war, erwartete ich zwar ein gut besuchtes Haus, aber kein unentspanntes volles Haus. Nach den letzten beiden Konzerterfahrungen in den vergangenen Tagen war mir dies ganz recht. So langsam zehrte das Konzerttriple, eine Grundmüdigkeit war unverkennbar. Daher konnte ich mich auch erst knapp vor Konzertbeginn aufraffen, loszufahren. Mein Glück, das alles so kam, wie ich es erhofft hatte.
Die Band Creature with the atom brain spielte bereits. Ich freute mich tatsächlich, als ich durch die Saaltüren ihren angestaubten Rock vernahm. Ungewohnte, weil lange nicht mehr live gehörte Klänge. Das doch schon sehr zahlreich anwesende Publikum war sichtlich angetan. Verwunderlich ist das nicht, denn als Ergänzung zur Mark Lanegan Band waren die Belgier musikalisch wie optisch die Faust auf’s Auge. Ihr träger 90er Alternative Rock ist genauso zeitlos modern wie die dazu passende Bühnenperformance. Drei Gitarren, Schlagzeug, rotes Dauerlicht. Beim Fußball wären Creature with the atom brain ein Spielsystem mit Libero. Es würde funktionieren, nur macht es keiner mehr. Es waren aber genug der Generation 40+ vor Ort, um es gebührend wertschätzen zu können.
Minuten später hatte sich kaum was geändert. Die 12 roten Scheinwerfer leuchteten immer noch mehr schlecht als recht die Bühne aus, wieder standen hemdsärmelige Männer auf der Bühne, wieder hatte (gefühlt) jeder im Publikum eine volle Bierflasche in der Hand. Nur der Sound war entschleunigt. Gediegener als die Vorband ging die Mark Lanegan Band zu Werke. „Gravediggers’s song” der Opener ließ schlimmes fürchten. Der Sound war dumpf-dröhnig. Sollte das jetzt so bleiben? Nein, mit „Sleep with me“ war das Thema schlechter Sound durch. Ab da war es okay und ich konnte ohne störende Soundspitzen der Lanegan’s tolle Stimme genießen. Es wundert nicht, dass er 67 Gastauftritte bei anderen Bands oder Projekten hatte. Mit dieser Stimme wird alles gut. Was bei den Queens of the stoneage noch eher im Hintergrund funktionierte, kommt in den Duetten mit Isobell Campbell voll zum Tragen. Dieser düster-dramatisch melancholische Einschlag stand den Songs herausragend gut, dass Campbell und Lanegan bereits als die Nancy Sinatra und Lee Hazelwood des neuen Millenniums gehandelt wurden. Auch die UNKLE Zusammenarbeiten sind überschwänglich schön.

Als eigenverantwortliche Musiker machen er und sein Band das, was sie am besten können und was am besten zu ihnen passt: düster-schleppenden Bluesrock. In der Grundart ähnlich den Screming Trees, aber viel, viel getragener. Auf der Bühne passiert nicht viel. Muss es aber auch nicht. Mark Lanegan steht das Konzert über nahezu bewegungslos an seinem Platz. Die linke Hand umschließt das Mikrofon, seine Finger der rechten Hand tippen im Takt auf den Mikrofonständer. Zwischen den Stücken wischt er sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht. Erzählt wird auch nicht viel (eine Wohltat gegenüber dem Feist Konzert tags zuvor). Zu Beginn ein „Hello“, zum Ende des regulären Sets ein „Au revoir“ und zwischendurch wird knapp die Band vorgestellt. Weniger ist manchmal mehr.
Den tosenden Applaus nach jedem ihrer 19 Stücke beantwortet Mark Lanegan jedes Mal mit einem kurzen, wissenden Kopfnicken. Er ist ein Minimalperformer. Und was macht das Publikum? Es steht genauso da, nickt genauso wissend mit dem Kopf und bewegt sich nur, wenn es um Getränkenachschub geht. Hier passt wirklich alles zusammen. Alt-Grunge-Musiker trifft Alt-Rock-Fan. Ein dazwischen ist im Stollwerck kaum auszumachen.
Die Setlist ist auch Vergangenheitsaufbearbeitung. Neben fünf „Bubblegum“ Stücken und den acht Songs vom aktuellen Album „Blues funeral“ gab es mit „Creeping coastline of lights“ und dem schönen „Resurrection Song“ vom 2001 Album „Field songs“ auch Material aus der Jahrtausendwende. Und was war das! Mit „Crawlspace“ spielten sie gar einen Screaming trees Hit. Gute Wahl, Herr Lanegan! Schönes Konzert.

Setlist:
01: Gravediggers’s song
02: Sleep with me
03: Hit the city
04: Wedding dress
05: One way street
06: Resurrection song
07: Wish you well
08: Gray goes black
09: Crawlspace
10: Quiver syndrome
11: One hundred dys
12: Crelping coastline of light
13: Riot in my house
14: Ode to sad disco
15: St. Louis elegy
16: Tiny grain of truth
Zugabe:
17: When your number isn’t up
18: Harbotview Hospital
19: Methamphetamine Blues

Kontextkonzert:
Greg Dulli and Mark Lanegan – Düsseldorf, 15.07.2009

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