Ort: E-Werk, Köln
Vorband: Portmanteau

20 Uhr. In der Ecke, ganz hinten am Bühnenrand steht einsam eine Gitarre. ‚Ich fühl mich so allein, nein ich möchte nicht angeelektrikt werden‘, scheint sie zu sagen, ich hör es ganz deutlich.
Wir sind im E-Werk. Es ist Notwist Zeit. Endlich, nach der Konzertabsage im Dezember wird die Neuansetzung Gott sei Dank nicht gekippt.
E-Werk bedeutet Elektrizitätswerk. Zufall. Nein. An diesem Abend nicht. Die Bühne steht voll mit Keyboards, Computern, Effektgeräten und anderem Zeugs. Gefühlte 30 Kilometer Kabel verteilen sich auf dem Boden. Eine Szenerie wie in einem 80er Jahre Zukunftsfilm.
Am Ende des Sets des Warmachers Portmanteau steht die Gitarre immer noch unberührt in der Ecke. Diesen Elektrikstreich hat sie überstanden. Was die Gitarre (und wir) noch nicht wissen: die Acher Brüder und Max Punktezahl von Notwist werden gleich gut in die Saiten hauen.
Portemanteau. Der Bandname passt perfekt.

Portmanteau = „eine Kombination von oder ein Gemisch aus mehreren Dingen.“

Das Gemisch besteht in diesem Fall aus einem Schlagzeug und einem Computerpult. Christian Heiß und Gerald Schrank, zwei Münchener aus dem Notwist Umfeld. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Portmanteau mit ihrem Gefrickel und digitalem Indiepop gut in den Notwist Kontext passt. Die beiden kreieren sanfte Chill-Klänge mit dem gewissen catchy Faktor, der einem die Entscheidung zwischen Kopf-zur-Seite-legen-und-schlummern oder leichtem-Tanzen-und-Mitwippen nicht einfach macht. Eine gute, schöne halbe Stunde lang hören wir Schlagzeug, Airdrums und elektrische Töne. Mal sanft klickernd, mal treibend rockend. Klar, es ist nicht die Neuerfindung der Musik, aber das muss es auch nicht immer sein. Eingängig, abwechslungsreich und toll ist es gleichwohl. Ich hätte das Album kaufen sollen. Ich hol’ das nach!

21 Uhr. Unsere Bassgitarre hat es sich mittlerweile am Körper vom Bassmann/ Keyboarder Micha Acher bequem gemacht. The Notwist, Deutschlands meist unterschätzte Band hat die Bühne betreten. ‚Wir fangen dann mal an.‘ sagt Markus Acher. Der Sänger, Gitarrist und Keyboarder erinnert mich an den ex-ZDF und jetzt DSF Moderator Thomas Hermann. Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen. Sobald er die Gitarre bearbeitet, könnte man sich auch an Lou Barlow erinnert fühlen, was nicht die schlechteste Assoziation ist.

The Notwist sind der Indieprototyp schlechthin, die perfekte Blaupause. Allürenfrei, unprätentiös und aussehend wie ein Physikstudent im 20. Semester (sage nicht ich, sonder der KStA) steht die Band auf der Bühne. Markus Acher, immer ein wenig gebückt die Gitarre spielend, singt die ersten Worte von „Boneless“ und schon jetzt ist klar, es wird ein großartiges Konzert. Die Stimme hängt noch leicht daneben, später am Abend wird sich dies ändern. Man muss sich erst einfinden, warmlaufen. Irgendwo hab ich gelesen, The Notwist würden live wie ein Partygast wirken, der anfangs etwas schüchtern in der Ecke steht und erst im Laufe des Abends aufdreht. Stimmt irgendwie.
Mit „Where in this world“, dem zweiten Song des Abends, ist dieser Zeitpunkt schnell erreicht. Die Notwister sind drin. Martin Gretschmann, aka Console, hat mittlerweile seine Bluetooth-Wii-Controller rausgeholt und dirigiert damit seine Computersounds. Das sieht lustig aus, wie er da so zwei Meter vom Pult entfernt steht, schlaksig die Arme hoch und runter oder schleifenförmig hin und her bewegend. Die Sache mit den wii-motes soll er sich bei niederländischen DJ’s abgeguckt haben. Sei es drum, innovativ ist die Idee allemal.
„Puzzle“, das in der Mitte des regulären Sets gespielt wird, ist dann Console– freie Zone. Martin Gretschmann schlurft Richtung hinteres Keyboard, insgesamt stehen drei Stück auf der Bühne, und überlässt Markus Acher und Max Punktezahl das Geschehen.
Es ist der einzige Song aus der älteren Vergangenheit von The Notwist. Damals dominierten noch die Gitarren und The Notwist waren mehr Noise als Indiefrickler. Aus dem Jahr 1995 ist das Stück Musik. 2 Jahre später wurde Martin Gretschmann fester Bestandteil von The Notwist und es entstand der neue Sound. Von da an flirrte, klackerte und kratzte es mehr im Notwist Gefüge, die Gitarren wurden leiser, aber nicht ganz in die Ecke gestellt.

„Gloomy Planets“ ist ein hervorragend Beispiel für das, was ich meine. Der achte Song der Setlist war mit Abstand das Beste, was ich seit langem live gehört habe. Einfach nur traumhaft. Die sanfte Stimme Markus Achers, das leichte Keyboardspiel Martin Gretschmanns und die zum Ende des Songs hin geradezu explodierenden Gitarren. Mensch, so was lieb‘ ich besonders! Wunder, wunder, wunderbarst!

The Notwist gehören zu den Guten, soviel ist klar. Wir sollten alle mehr Notwist Platten hören!!! Dringend und immer wieder!

„I don’t blame it on the front row
don’t blame it on them ruin glass
don’t blame it on the signal
don’t blame it on the steering wheel
don’t blame it on the logbooks“

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