Also Oberhausen. Der Konzertbeginn wird um eine Stunde vorverlegt. Den Grund werden wir wohl nie erfahren. Vielleicht haben die Veranstalter Angst, dass das Konzert nicht vor Mitternacht zu Ende geht, wenn Robert Smith und Co erst um 21 Uhr plus x starten.
In Paris spielten sie sagenhafte 220 Minuten und in Berlin auch immerhin 170 Minuten. Da diesmal für uns nur noch Sitzplätze übrig waren, war es uns aber egal. Wir haben Zeit, können eher und auch länger. Mal sehen was herausspringt.
Herausgesprungen sind 190 Minuten The Cure Retrospektive. Um 20.15 Uhr betraten sie die Bühne, gegen 23.20 Uhr verliessen The Cure sie zum letzten Mal.
Es regnet den ganzen Tag. Passt ja, könnte man sagen. Sind The Cure nicht diese Gothic-, Wave-, Düster-Band mit den traurigen und melancholischen Melodien? Nun ja, bedingt, möchte man antworten. Früher, als es in den tiefen 80ern noch die alten Klasseneinteilungen gab, traf dies mehr zu als heute. Also, das Wetter spiegelte damit nicht die konzertiale Grundstimmung der ausverkauften Arena wider. (halt, ausverkauft bis auf den einen Platz rechts neben uns). Im Gegenteil. Die Stimmung war von Beginn an ausgesprochen gut.The Cure in Oberhausen 16032008
Die Vorband startet pünktlich um 19 Uhr. 65daysofstatic spielen instrumentalen Gitarrenprogpostrock im Stile von Godspeed!You Black Emporer oder Mogwai. Die Arena ist gerademal zu einem Viertel (schön geschätzt) gefüllt, der Sound selbst auf dem Oberrang ungewöhnlich laut und dicht für eine so grosse Konzerthalle. Natürlich verpufft die Wirkung der Lärmwände und Gitarrenfeedbacks in der Arena vollkommen., daher hält sich die Begeisterung der Anwesenden auch stark in Grenzen. Freundlichkeitsapplaus spenden sie. Mehr nicht. Wer aber mit den oben erwähnten Bands etwas anfangen kann, sollte sich 65daysofstatic (selten komischer Bandname) mal näher anschauen. Es könnte sich lohnen. Nach kurzen 30 Minuten ist ihr Auftritt vorbei.
Was anschliessend ab 20.15 Uhr folgte, lässt sich kaum in die richtigen Worte fassen. In der FAZ und in der ZEIT waren bereits Berichte über die Deutschlandkonzerte der Tour zu lesen, und auch der Paris-Gig einige Tage zuvor liess erahnen, was uns erwarten könnte. Doch eine derartig spielfreudige Band hatte ich nicht in der Planung. The Cure machten einen frischen und guten Eindruck. (Soweit man das vom Oberrang der gegenüberliegenden Seite aus beurteilen kann.).
Obwohl sie schon einige Mammutauftritte hinter sich hatten, war von Ermüdung keine Spur. Bassist Simon Gallup hüpfte wie eh und je im Basstakt über die Bühne, die Gitarre immer schön rückenunfreundlich in der Kniekehle hängend, und auch Herr Smith deutete hin und wieder den Hauch einer Tanzeinlage an. Musikalisch war es sowieso eins a.The Cure in Oberhausen 16032008
Es ist schwer zu sagen, ob die Sitzplatzkarten jetzt gut waren oder ob ein Stehplatz im Innenraum besser gewesen wäre. Klar, das Konzertgefühl geht einem ein bischen ab hier oben, und von der Bühne ist man auch weit entfernt. Andererseits, über dreieinhalb Stunden stehen, Vorband inklusive, geht ziemlich in die Knochen und wird zum Ende hin eher unentspannt. Und bei aller Liebe, durchtanzbar sind The Cure nun wirklich nicht. Da ist schonmal schweres Stehen angesagt. Zumindest für mich, der ich nicht der ganz grosse Cure Fan bin. Meine Mitbewohnerin mag das anders sehen. Von daher waren die Sitzplätze vielleicht gar nicht mal so schlecht.
Ein knapp 2,5 stündiges reguläres Set, plus 3 grosse Zugabenblöcke, wer macht das heutzutage eigentlich noch? Da gibt es nicht viele. Inhaltlich war das Set gut durchstrukturiert. Jede Cure Phase wurde bespielt und in den richtigen Kontext gesetzt. Der 17 seconds Block in der ersten Zugabe, mit dem Höhepunkt „A Forest“ und den schönen „M“ und „At night“, der Disintegration Block, der beswingte Block mit „Why can’t i be you“, „Close to me“ und „Friday I’m in love“ in der zweiten Zugabe. The Cure in Oberhausen 16032008Und noch einige Blöcke mehr. Nebenbei wurden auch neue Stücke gespielt. Inhaltlich war es stimmig und schlüssig. Lichtchoreographie selbstredend. Zusammen ergab das Ganze eine gute Mischung aus Robert Smiths 30 jährigem Musikkosmos.
Was ich allerdings nicht so ganz nachvollziehen kann ist das Verhalten des Publikums. Schon vor der ersten Zugabe verliessen einige aus unserem Block die Halle. Gut, so hatten wir links und rechts mehr Platz. Nach der zweiten Zugabe war es dann schon fast leer um uns herum. Lesen die Leute denn vorher keine I-Netberichte. Wussten sie, was sie verpassen? Oder hatten sie schon genug? Naja, sind ja lle alt genug. Und gestern lag das Durchschnittsalter im erwarteten Mittdreissigerbereich. Sowas garantiert immer einen stressfreien Konzertabend. Die Hektik ist raus, keiner hat es so richtig eilig, man ist gelassen und zeigt das auch.
Knapp an der Reizüberflutung vorbei noch dies:
– „Jumpin‘ someone else’s train“ ist weiterhin mein Cure Lieblingslied.
– das „Just like heaven“ Cover von Dinosaur Jr. gefällt mir einfach besser

The Cure in Oberhausen 16032008Und was sonst noch aufgefallen ist an diesem Abend: „Never enough“, das seinerzeit auf dem recht merkwürdigen aber schönen Mixed up Album erschien, wurde in einer interessanten Version gespielt. Wichtiger aber, „A forest“ ist immer noch hörbar und ruft bei den ersten Bassklängen sofort Gänsehaut hervor.
Auf der Rückfahrt unterhielten uns über unsere Musiksozialsierung. Wir redeten von Killing Joke und den Cocteau Twins. Unsere jüngste Mitfahrerin konnte hiermit nichts anfangen. Aber sie mochte das, was im CD-Spieler lief: die wunderbaren Young Galaxy. Die Welt ist noch nicht verloren.

The Cure haben uns müde gespielt. Müde aber glücklich! Ein grandioser Abend.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Katja

    Hallo p-p,
    vielen Dank für den schönen Konzertbericht.

    Ich habe in der Halle nachgerechnet und bin auf mein 6. Mal gekommen, was Cure-Konzerte angeht. Jedes Mal war auf seine Art etwas Besonderes und vielleicht denkt man jedes Mal, das war jetzt definitiv das beste Cure-Konzert ever (und das vermutlich letzte). Aber wahrcheinlich war es diesmal wirklich das ultimative Cure-Konzert (und vielleicht wirklich das letzte?). Auch wenn das Interesse an Cure in der letzten Zeit weniger stark ausgeprägt war, sind sie immer präsent gewesen und diese Präsenz war gestern so deutlich wie nie. Die Vergangenheit schien ganz nah herangerückt, und gleichzeitig in die Gegenwart integriert, die ganzen Bilder waren wieder da, die man im Kopf hatte, wenn man früher The Cure gehört hat, alles war wieder aktuell – ganz ohne Nostalgie. Es ist, als wenn man Cure immer wieder neu entdecken kann. Sie sind die Klassiker schlechthin, zeitlos und nie langweilig. Ich habe die ganze Zeit über in meinem Kopf wiederholt: was für eine unglaublich gute band das doch ist.

    Tut mir leid, wenn ich schwafele, aber ich bin total müde, genau wie nach meinem allerersten Cure-Konzert auf der Loreley, wo wir (Alex, Volker A. und ich) die Nacht nach dem Konzert im Auto verbracht haben, und der folgende Sonntag trotz der totalen Trance, in der ich herumgewabert bin, so weh getan hat, weil alles vorbei war.

Schreibe einen Kommentar zu Katja Antworten abbrechen