Ort: Blues Alley, Washington D. C.
Vorband:Wir betreten gegen 7.30 PM das Blues Alley. Es ist ein kleiner Laden in Georgetown. Der Jazzclub der Stadt, so heisst es. Es sitzen schon einige Leute an den kleinen, quadratischen Tischen. Auf jedem Tisch steht eine Kerze. Manche essen, andere trinken nur etwas. Ich bestelle Suppe, Classic Onion Soup, dazu Amstel light Bier. Der Mietwagen steht in Huntington an der Metrostation, und es ist nicht erstrebenswert, alkoholtechnische Schwierigkeiten zu bekommen. Um kurz nach 8.00 PM betreten Larry Coryell und seine beiden Begleiter an Bass und Schlagzeug, Mark Egan und Paul Wertico die Bühne. Vorher gibt es vom Mischpult aus die Ansage und Vorstellung der Protagonisten. Es wird gebeten, die Handys und Pager auszustellen, keine Fotos zu machen (so ganz kann der Bitte nicht Folge geleistet werden) und nicht zu laut zu reden. Oder wollte er sagen: nicht zu laut zu schmatzen. Denn einige Leute essen noch oder bestellen gerade erst den Absackerkaffee.
Jazz als Tischmusik. Na, das kann was werden. Ich bin gespannt.
Der Laden ist mit 200 Besuchern gut gefüllt, aber nicht ganz ausverkauft. Dieses ist die erste von zwei Shows an diesem Abend. Die zweite ist für 10.00 PM angesetzt. Also knappe 90 Minuten pro Show mein Tipp. Ich sollte nicht ganz recht behalten.
Ehrlich gesagt ist Jazz nicht so mein Ding. Oder ’noch‘ nicht! Ich fühle mich noch zu jung dazu. Noch nicht in dem Alter, in dem ich den Jazz und seine vielen Spielarten verstehe. Ab Mitte 40, so meine Theorie, ist es an der Zeit, sich mit diesem Genre zu befassen. (Zugegeben, ein bischen ist die These von Arne, dem Drummer von Tocotronic, abgekupfert, der mal ähnliches gesagt hat.) Aber heute bin ich hier. Es bot sich die Gelegenheit, die ich wahrnahm. Ich war noch nie in einem Jazzclub, und 25 Dollar sind heutzutage für einen Europäer nicht 25 Euro. Was also sprach dagegen, sich die Show anzusehen?
Larry Coryell ist ein grosser Gitarrenheld der Jazzszene. Er tourte schon mit den ganz grossen Musikern und war unter anderem Begleitmusiker bei einer der letzten Madonna Welttourneen. Das brachte ihm in der Szene heftige Kritik ein, hob aber die musikalische Qualität der Madonna Shows in enorme Höhen. Der im Vorfeld für heute angekündigte Bassist Victor Bailey begleitete Madonna auf einer ihrer Weltourneen, erntete dafür viel Kritik, hob aber die musikalische Qualität der Shows der Queen of Pop.
Blues AlleyIch war guter Dinge, der Tag verlief angenehm. Das Softwaretraining war nicht so anstrengend, die Unterhaltungen mit den Ausbildungskollegen waren gut, amüsant und kurzweilig.
Für diesen Abend hatten wir uns einen Ausflug ins Blues Alley vorgenommen, die Karten hierfür hatten mein Arbeitskollege und ich bereits zuhause gekauft. Immer nur in Hotelnähe in Huntington rumzuhängen oder in Malls zu fahren, ist ja auch nix. Das ein Konzert den Tag dann so gut abrunden könnte, wusste ich seinerzeit natürlich noch nicht. Georgetown ist ein guter Ort für ein Jazzkonzert. Von der Architektur her ist alles sehr überschaubar und gemütlich klein. Skyscraper gibt es hier nicht, eher zwei- und dreigeschossige Backsteinhäuser aus der vorletzten Jahrhundertwende. In einem solchen Haus ist auch das Blues Alley untergebracht. Das passt, wie ich finde.

larry_coryell_27032008Das Trio beginnt furios und energetisch. Nach zwei Stücken wird das Tempo ein wenig heruntergefahren. Nun spielen sie leichteren Jazz, den auch ich verstehe. Larry nennt es zwischendurch mal Smooth-Jazz. Kaufhausmusik würde ich es nennen. Die Band spielen akkurat. Jedes auch noch so kleine und feine Tönchen sitzt. Und von den feinen gibt es eine Menge. Ich bin gefangen und begeistert von der Atmosphäre.
Die Band spielt „Twinkle twinkle“ von Thelonious Monk, das – Achtung!- ab und an bei Monk (der TV Serie) im Hintergrund läuft, und andere Sachen, die in diese Richtung gehen. „Bumping on sunset“ von Wes Montgomery ist der zweite Titel, der mir bekannt vorkommt. Interessant, was ich so alles kenne, obwohl ich mich nicht für Jazz interessiere. Der Rest ist mir aber gänzlich unbekannt.
Gegen Mitte des Sets darf auch Larry’s Frau Tracy kurz mitmachen. Sie übernimmt den Gesangspart bei einem Stück. Ansonsten ist es ein reines Instrumentalkonzert. Mark Egan und Paul Wertico am Schlagzeug verstehen ihr Handwerk. Beide sind ausgezeichnete Musiker.
Nach einer guten Stunde ist das Konzert vorbei. Ein bischen kurz, naja. Ändern können wir das nicht.

Wenn wir nicht zur zweiten Vorstellung an diesem Abend bleiben wollen, was nochmals 25 Dollar bedeuten würde, müssen wir uns er Essen bezahlen und den Klub verlassen. Das tun wir.
Gemütlich geht es durch das nächtliche Georgetown zurück Richtung Metrostation Foggy-Bottom. Wir sehen nochmals den Watergate Gebäudekomplex. Soll das nicht abgerissen werden?
Für mich war es ein interessanter Abend und ein erstes bewusstes Kennenlernen mit dem Genre Jazz. Ich bin zwar noch nicht ganz Mitte vierzig, aber der erste Schritt scheint getan. Es war ein Einstieg, der besser nicht hätte sein können. Hier gilt es, etwas zu entdecken.
Blues AlleyAm Sonntag feierte Larry Coryell seinen 65. Geburtstag. Jazz scheint die Musik der alten Männer zu sein. Dieses Vorurteil sehe ich heute abend nicht bestätigt. Das Publikum im Blues Alley ist nicht ganz so alt, aber hauptsächlich männlich. Mitte/ Ende 40, so schätze ich das Durchschnittsalter. Und fast alle tragen schwarze Pullis oder Hemden. Ist das der Jazz- Dresscode? Aber auch die Ally McBeal Generation ist vertreten. Nicht übermässig stark, aber an einigen Tischen sah man sie sitzen. Eine interessante Publikumsmischung, aber irgendwie so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und mittendrin wir, zwei Deutsche auf Dienstreise.
Es war ein guter Tag auf dem anderen Kontinent.
Georgetown

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