Ort: Luxor, Köln
Vorband: Murray A. Lightburn

Stars

Als ich die Stars vor einigen Jahren sah, fällte ich nach dem Konzert ein vernichtendes Urteil: die Stars hat‘s die längste Zeit gegeben. Die Band wirkte fahrig, lustlos und untereinander nicht gut auf die jeweils anderen zu sprechen. In der Kabine herrscht Cliquenbildung, würde man in so einem Moment in der Zeitung lesen, wären die Stars, ich sag mal, der FC kurz vor dem Abstieg in Liga 2. Alle schienen irgendwie ihr Ding zu machen, die Eheleute Amy Millan und Evan Cranley hier, Torquil Campbell da.

2019.
Ich muss zugeben, dass ich meine damaligen Beobachtungen völlig falsch interpretiert habe. Die Stars gab es und gibt es immer noch. Drei Alben in den letzten 7 Jahren sprechen eine gute, produktive Sprache. Das gefällt mir, denn der kanadischen Band habe ich viele schöne Songs zu verdanken, seit ich die Stars vor über einem Jahrzehnt für mich entdeckt habe. Set yourself on fire heisst das Album, das mich 2004 nicht los lies. „Ageless beauty“, „Your ex-Lover ist dead“, „Calender girl“ undundund die dazugehörigen Songs.

Nun schließt sich der Kreis mit diesem Konzert, das eben diesem Album gewidmet ist. Stars play Set yourself on fire; ein innerlicher Jubelschrei (ich bin eher introvertiert) stieg in mir hoch, als ich die Ankündigung las. Wow! Ja! Endlich! Das vielleicht beste Album der Kanadier in voller Länge. Das klang perfekt, das schrie nach einem Konzerthöhepunkt im Herbst des Jahres. Ticket gekauft und Vorfreudeknopf gedrückt.

In den nächsten Wochen ereignete es sich dann, dass für den September immer mehr Konzerte terminiert wurden, die sehen wollte. So verwarf ich die Fahrt zum Stars Konzert nach Antwerpen, in früheren Zeiten ein alternativloses Muss, und auf dem Weg ins Luxor überkam mich eine große Müdigkeit. Ich verschob gar die zeitige Anreise, auch auf die Gefahr hin, dadurch einen Logenplatz im Luxor zu verlieren. Das ist bekannt: wer im Luxor zu spät kommt, der steht entweder an der Theke oder hinteren Teil. Zumindest steht er gefühlt immer irgendwie blöd und im Weg.
Set yourself on fire. Na, ja. ‘When there’s nothing left to burn’. Durch die vielen Konzertbesuche und Arbeitsstress bin ich platt und brenne eher wenig.Nichtsdestotrotz verspüre ich eine leichte Anspannung. Und eine Frage beschäftigt mich: Wie werden die Stars abliefern? Dienst nach Vorschrift oder voller Enthusiasmus? Ein Tweet der Band machte mir seit Tagen diesbezüglich ein paar Sorgen.

Ich kann den Unterton nicht einordnen. Ironie? Sarkasmus? Oder kurzum gefragt: haben sie nun Bock oder nicht? Ich bin unsicher. In meinen schlimmsten Vorahnungen fürchte ich, dass sie nur die Albumsongs runterreissen und dann wieder verschwinden. Aber erstmal überwiegt die Freude. Set yourself on fire ist immerhin das Album, mit dem ich die Band kennen und lieben lernte. Also wird schon gut werden.

Und es wurde gut! Sehr gut sogar! Meine Unsicherheit war komplett unbegründet. Die Stars lieferten das beste Konzert, das ich je von ihnen gesehen habe. Von Lustlosigkeit keine Spur. Auf der Bühne standen die Stars, die ich vor Jahren live erlebt hatte. Kein knurren, kein grummeln über die Location. Die Band wirkt in sich zufrieden, dass Album nach 15 Jahren in Gänze vorspielen zu dürfen, und das Publikum, und das sicher nicht nur im Luxor, dankt es ihnen mit größtmöglichen Sympathiebekundungen. Das hat verdammt großen Spaß gemacht!

Set yourself on fire steht natürlich im Mittelpunkt, die Setlist zeigt das Album in unveränderter Reihenfolge. Also „Your ex-lover is dead“ gleich zu Beginn. Warmmachen fällt damit aus. Mhh, es könnte schlimmer kommen.

Vom ersten Ton an habe ich ein gutes Gefühl, was das Konzert angeht. Die Band scheint gute Laune gegessen zu haben. Torquil Campbell und Amy Millan brillieren im Duettgesang, Evan Cranley, Chris Seligman, Patrick McGee und Chris McCarron spielen bestmöglich. Amy Millan lässt sich das ansingen gefallen und beide wirken wieder wie Al Bano und Romina Power. Dieser Vergleich kam mir bei meinem erst Stars Konzert, verlor sich etwas zwischendurch und ist an diesem Abend wieder sehr präsent. Es passt alles. Vielleicht sollte die Band öfter das Oktoberfest besuchen. Tags zuvor spielten sie in München und waren ganz angetan vom Oktoberfest. Mehrmals kam die Rede darauf zu sprechen. Nach einer knappen Stunde war das Album durch. „Calender girl“ mit sing-a-long Mittelteil, in dem nicht jeder beweist, dass er die Monatsnamen richtig aufzählen kann, setzt den Schlusspunkt. Beendet ist das Konzert aber noch nicht. Die Stars kommen nach kurzer Erfrischungspause zurück.
Den zweiten Konzertteil, sie spielen acht weitere Songs, eröffnen sie mit „Take me to the riot“, dem alten Smash-Hit von In our bedroom after the war, gefolgt von vornehmlich neuem Zeug von The north, No one is lost und There is no love in Fluorescent Light, den letzten drei Alben der Band. Das ist dann mehr Electro-Pop Sound als unter Set yourself on fire und quasi eine kleinen Rückkehr zu den Anfängen. „Elevator love letter“ vom frühen Album Hearts passt da gut hinein und schmeichelt angenehm im Ohr.
Danach ist der Drops noch nicht ganz gelutscht. Amy Millan kommt nochmals auf die Bühne und verzaubert mich mit einer wunderbaren Version von „My favorite book“. Wow, „My favorite book“, den Song hatte ich fast vergessen. Ein großes Finale eines tollen Konzerts!Ich hätte mich an „my favourite book“ erinnert, wenn ich mir das Album in den Tagen zuvor nochmals angehört hätte. Doch ich entschied mich dagegen. Ich wollte mich überraschen lassen und sehen, wie viel hängengeblieben ist. Natürlich habe ich einige Songs nicht mehr auf der Pfanne: „The first five times“ zum Beispiel, oder „The big fight“. Da schneide ich definitiv schlechter ab als meine Konzertnachbarn. Die sind in jeder Sekunde enorm textsicher. Und das nicht nur im Refrain.

Im Vorprogramm Murray A. Lightburn. Der Sänger der durchaus bekannten Indieband The Dears (Nachbarn der Stars in Montreal) hat es mit seinem auf der Gitarre vorgetragenen Soul/Motown/Pop schwer, die Menschen hinter den ersten drei Zuschauerreihen zu erreichen. Der Geräuschpegel, der von der Theke schallt, ist hoch und schafft es mehr als einmal, die Akustikgitarre zu übertönen. Schade, denn der ein oder andere Song gefällt mir gut und ich empfinde die halbe Stunde als angenehm unterhaltsam. Indiepublikum, das merke ich immer wieder, ist leider wenig tolerant anderen Genres gegenüber.

Setlist:
01: Your Ex-Lover is dead
02: Set yourself on fire
03: Ageless beauty
04: Reunion
05: The big fight
06: What I’m trying to say
07: One more night
08: Sleep tonight
09: The first five times
10: He lied about death
11: Celebration guns
12: Soft Revolution
13: Calendar Girl
Zugabe 1:
14: Take me to the Riot
15: Real thing
16: Fluorescent Light
17: Wanderers
18. Trap door
19: Hold on when you get love and let go when you give it
20: Elevator love letter
21: No one is lost
Zugabe 2:
22: My favourite book

Kontextkonzerte:
Stars – Köln, 20.01.2015 / Luxor
Stars – Brüssel, 16.12.2012 / Botanique
Stars – New York, 24.09.2010 / Terminal 5
Stars – Köln, 09.09.2010 / Luxor
Stars – Köln, 11.02.2008 / Gloria
Stars – Köln, 27.09.2007 / Gebäude 9

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