Ort: Rotondes, Luxemburg
Vorband: No Metal in this battle

O. - Luxemburg, 07.08.2024

O.. Oh, dachte ich im Dezember 2022, als ich das britische Duo erstmals im Rahmen des Zeitgeist Festivals in Nijmegen sah. Oh, was ist das denn? Baritonsaxophon und Schlagzeug, Post Punk trifft Noise trifft Jazz trifft Hip-Hop. Sowas hatte ich bis dahin noch nicht gehört. Damals hatten sie gerade ihre erste Single „OGO“ veröffentlicht und spielten in der halben Stunde alles, was sie hatten. Ähnlich war es vier Monate später beim Out of the crowd Festival. Es war das zweite Mal, dass ich O. sah. Und es war zum zweiten Ma das gleiches Gefühl, der gleiche Eindruck. Ich war erneut stark begeistert.

Nun haben sie endlich ihr Debüt WeirdOs veröffentlicht, einhergehend mit der Hoffnung, so Joe Henwood flapsig, dass die Band O. nun auch besser im Internet gefunden werden kann. Denn ja, es ist schwierig, Informationen über O. im Internet zu bekommen. Oder es war schwierig. Ich habe es länger nicht probiert. Vor zwei Jahren hatte ich arge Mühen, an Informationen über O. zu gelangen.

Als O. für die kleine Festivalreihe Congés Annulés in der Rotondes in Luxemburg angekündigt wurde, war klar, dass ich hinfahre. Näher kommen sie nicht, und so weit weg ist es nicht. Das Congés Annulés ist ein kleines Sommerfestival, das jedes Jahr im August für zwei bis drei Wochen verschiedenste Bands auf die Indoor- oder Outdoorbühne zwischen den beiden Rotonden am Luxemburger Hauptbahnhof führt. Congés Annulés, Urlaub storniert, nennen die Rotondes Veranstalter ihr Festival sehr passend. Das Ferienprogramm für Konzertgänger, an dem ich in diesem Jahr durchaus zwei Wochen teilnehmen könnte. Das Programm liest sich verdammt gut, aber ich werde mich wohl auf O. und John Maus beschränken; eventuell noch Konzerte von Hotline TNT und Protomartyr in Betracht ziehen. Ich habe ja keine Ferien. Ursprünglich sollte das O. Konzert mein zweiter Besuch beim diesjährigen Congés Annulés sein. Doch leider musste Billy Nomates aus Krankheitsgründen für den Eröffnungsabend vor einer Woche absagen, so dass ich meine Fahrt nach Luxemburg daraufhin gecancelt habe.

Draußen klingelt die Glocke und bittet alle in den kleinen Rotondes Club. Schade, dass das Konzert nicht draußen stattfindet, denke ich, als ich die Rotonde betrete. Drinnen ist es angenehm klimatisiert und überschaubar voll. Vor der Bühne ist ein Schlagzeug aufgebaut und die vier jungen Männer von No Metal in this battle richten sich auf den Start ihres Konzerts ein. ‘Noch zwei Minuten’, sagt der Mann hinter dem Schlagzeug auf Luxemburgisch, oder – wie man hier sagt –  Lëtzebuergesch. Manchmal verstehe ich ein paar Worte. No Metal in this battle sind vier Luxemburger, die ihre Band vor über 12 Jahren gegründet haben. Sie wollten seinerzeit irgendwas zwischen Math-Rock und Post-Rock, so lese ich im Luxemburger Wort, und ich sag mal, das ist ihnen gelungen. No Metal in this battle spielen instrumental. Ein Schlagzeug, drei Gitarren. Treibende Beats. Das klingt toll. Petit concert ‚alternative‘ schreibt eine junge Frau vor mir unter ihren Instapost. Alternative in Hochkommata. Wie Kraut und Rüben heißt ihre aktuelle EP. Ich empfehle, dort mal reinzuhören.

Dann O..
O. sind Saxophonist Joe Henwood und Schlagzeugerin Tash Keary. Zwei grundsympathische Musiker, die vor einigen Wochen ihr Debütalbum WeirdOs veröffentlicht haben. Sie machten das auf dem derzeit vielleicht bemerkenswertesten und wichtigsten englischen Label, dem Speedy Wunderground Label. Über Speedy Wunderground wird gerade nahezu jede wichtige und veröffentlicht gerade nahezu jede wichtige und aufstrebende junge britische Band, sei es Black Midi, Black Country, New Road, Heartworms, English Teacher, The Lounge Society oder Honeyglaze.
Die Musik von O. ist nicht leicht zu kategorisieren. Schon allein die Instrumentenkombination aus Schlagzeug und Baritonsaxophon sorgt für ein erstes Erstaunen. Ah ha, funktioniert das? Oh ja, das funktioniert sehr gut. Und es funktioniert auch ohne Gesang. O. sind ein rein instrumentales Unternehmen. Das Mikrofon auf der Bühne ist nur für die Ansagen da. Kommt man mit dieser Konstellation klar, ist es die Musik, die einen als nächstes etwas ratlos zurücklassen könnte. Ist es Jazz? Ist es Noise? Ist es Postrock? Ist es all das oder ist es was komplett Neues? Nun, es sind zumindest viele verschiedene Einflüsse, die O. in ihre Soundcollagen einpflegen. Aber oben genannte Stile plus Hip-Hop Sounds, Saxophon Loops und Indierock sind definitiv darunter.

O. spielen gut, O. spielen intensiv. Manchmal hat es den Anschein, dass sie improvisieren. Dann lächelt Tash Keary nach einem interessanten Schlagzeugmove Joe Henwood an, ganz als ob sie sagen wollte: ‘haste das gehört’, oder Joe Henwood dreht an seinen Effektknöpfchen und gibt irgendwann ein Zeichen zu seiner Schlagzeugerin, die dann anfängt, zu trommeln. Ein ganzes Brett voll mit Kippschaltern steht vor Joe Henwood Füssen. Immer wieder gelingt es ihm damit, so irre Effekte aus seinem Saxophonspiels herauszuzaubern, dass ich es irgendwann nicht mehr verstehe. Wie viele Verzerrungen und Loops gehen denn noch, wie viele Soundcollagen sind möglich? Mal klingt das Saxophon wie ein Keyboard („Cosmo“), mal nach Doom Metal oder nach einem Blade Runner Soundtrack („Wheezy“). Wie das geht, keine Ahnung! Aber es klingt toll und Tash Keary am Schlagzeug schafft es immer wieder, dem ganzen Struktur zu verleihen und mit mal bedächtigem, mal scheppernden Schlagzeugspiel zusammenzuhalten. Sie spielen viele neue Sachen, aber dass ein oder andere Stück kenne ich aus den vorherigen Livesessions. Das Konzert ist gut und O. vermitteln mir jederzeit den Eindruck, dass sie an diesem Abend großen Spaß am Musizieren haben. Der Tag schien für die beiden auch perfekt gelaufen zu sein, so deute ich ihre Zwischenansagen. Sie fühlen sich wohl.

Nach einer guten Stunde ist dann die Luft raus. Wortwörtlich. Baritonsaxophon spielen ist anstrengend. Ich möchte zu gerne wissen, welches Lungenvolumen Joe Henwood besitzen muss, um quasi nonstop sein Instrument zu spielen. Eine Zugabe spielen sie nicht.

Kontextkonzerte:
O. – Out of the crowd Festival, Esch-sur-Alzette, 29.04.2023 / Kulturfabrik
O. – Zeitgeist Festival, Nijmegen, 03.12.2022 / Doornroosje

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