Ort: Live Music Hall, Köln
Vorband: The twilight sad

Mogwai - Köln, 29.10.2008

Der gestrige Tag bot zwei Optionen: Entweder ins Stadion, einen Dortmunder Sieg gegen den FC bejubeln, oder in der Live Music Hall Fans von Celtic Glasgow bei der Arbeit zuzuschauen. Letzteres erscheint mir bei kaltherbstlichem Wetter die angenehmere Wahl. Nach 90 Minuten Sport und Konzert im Rheinenergiestadion und Live Music Hall stand das Endergebnis: 2:1 für Glasgow, Gegentor durch Dortmund.
Wer die Musik von Mogwai verstehen möchte, dem möchte ich den Biopic Zidane – a 21st century portrait empfehlen. Zu der 90 Minuten Bewegungsstudie des besten Fußballers des Jahrzehnts während eines Ligaspiels von Real Madrid schrieb die schottische Band einen wunderbaren Soundtrack. Ruhig, sich zurücknehmend, im Hintergrund bleibend, Bilderwelten aufbauend. Mogwai machen perfekte Gedankensoundtracks. Nachts im Zug oder als musikalischer Begleiter im Auto funktionieren sie am besten. Wenn man denn instrumentalen Post-Rock der Mogwais, Tortoise, Trans Ams, 65daysofstatic oder Godsped you black Emporer wirklich mag und sich bereitwillig darauf einlässt. Andernfalls kann es ziemlich schnell ziemlich langweilig werden.

Zeitweise sitzen John Cummings und Stuart Braithwaite auf einem Hocker. Drummer Martin Bulloch bevorzugt als Sitzgelegenheit eine Art Chefsessel mit Rückenlehne, in den er sich während der ruhigen Gitarrenpassagen, die kein Schlagzeug brauchen, genüsslich hineinfläzt und die Szenerie von hinten beobachtet. Wie Fernsehgucken im heimischen Wohnzimmer sieht das aus.
Gitarrist John Cummings, Keyboarder/ Gitarrist Barry Burns und Drummer Martin Bulloch haben ihre IBooks mitgebracht. John Cummings hat als Bildschirmschoner Familienbilder und sonstige Heimataufnahmen eingerichtet. Der Screensaver (aus technischer Sicht unnötig bei TFT Schirmen) startet jeweils gegen Mitte / Ende der Songs. Er scheint auf fünf Minuten eingestellt zu sein.
Am äußersten linken Bühnenrand steht ein Mikrofonständer. Will Stuart Braithwaite heute wirklich singen? Ja, er möchte. Zu „Secret Pint“ nähert er sich zärtlich dem Mikro und haucht förmlich die Silben. Es soll sein einziger Gesangsauftritt bleiben. Beim zweiten nicht reinem Instrumentalstück „Hunted by a freak“ ergänzt Barrys Stimme als zusätzliches Instrument den Track. Der Sound ist gut. Nicht zu laut, nicht zu stark ausgesteuert. Das Zuhören macht Spaß. Auch die leisen Sequenzen kommen gut rüber.
Überraschenderweise ist die Live Music Hall spärlich besucht. Vor der Bühne bietet sich noch eine Menge Platz. Man hat also alle Stehfreiheiten die man braucht, und kann so die Laut-Leise Kompositionen ohne nervigen Körperkontakt genießen.
Die fünf Glasgower nehmen sich zurück. Die Songs sind ruhig, elegisch, weniger rockig. Mogwai bauen sie bedächtig auf, ihre Gitarren schippern präzise auf den Höhepunkt zu. Hier geschieht alles wohl dosiert, ohne Hektik. Wir schwimmen mit, lassen uns treiben und werden doch sicher zum Ufer geleitet. Wellenbrecher oder Stromschnellen kommen bei Mogwai nicht vor. Ihre Gitarren sind nicht hibbelig fordernd wie z. B. bei dEUS, sie wirken beruhigend, geben Sicherheit und den Songs die nötige Stabilität.
Die Zeit vergeht rasend schnell. Eine Stunde braucht keine 60 Minuten. Doch die sind schon lange um.

‚Thank you. Danke. We’ll play a couple of songs. Good night‘.

Die Band setzt zum Abschied an. „Space Expert“, „Like Herod“ und „Batcat“. Bei letzterem sind wieder vier Gitarren im Einsatz. So beenden Mogwai den Abend wie sie ihn begonnen haben: Barry Burns bedient nicht die Tasten sondern die Saiten.

Das Warm-Up übernahm eine andere Glasgower Band. The twilight sad nennt sie sich und sie passen mit ihrem schottischen Shoegaze perfekt ins Beuteschema der Mogwai-Sympathisanten. Die Band spielt einen ähnlichen Sound, stark gitarrenlastig. Ihre Stücke klingen rockiger als vorgestern Abend bei Myspace. Dachte ich beim ersten Hören noch an ein Mogwai Plagiat, das nur durch eine Gesangsstimme ergänzt wird, so muß ich mein Urteil jetzt revidieren. The twilight sad klingen live erfrischend besser. Ihr Set ist durch und durch rockig. Im Digitalen kam das gar nicht so rüber. Schlagzeuger Mark Devine, der mich an den Hauptdarsteller aus dem Commitments Film erinnert, ist schon nach 15 Minuten kurzatmig. Das Colatrinken (die Getränkefarbe im Pappbecher deutet darauf hin) in den Songpausen fällt sichtlich schwer. Drei bis vier tiefe Atemzüge sind vorher schon notwendig, um das Gesöff herunterzuspülen. Seine Mitstreiter sehen dagegen ziemlich entspannt aus. Sogar so entspannt, dass sich Bassist Craig Orzel nach dem gut halbstündigen Set wieder seine Schuhe anzieht.

Setlist:
01. The precipice
02. Friend of the night
03. I love you i’m going to blow
04. Secret Pint
05. I know you are but what am I?
06. I’m Jim Morrison I’m dead
07. Hunted by a freak
08. Scotland’s shame
09. Thank you Space Expert
10. Like Herod
11. Batcat
Zugabe:
12. ITHICA
13. Xmas Steps

Kontextkonzerte:
Mogwai – Essen, 11.09.2006 / Weststadthalle

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. -Christoph-

    Dann hast Du die bessere Wahl getroffen. Not gegen Elend im Stadion war kaum zu ertragen.

  2. Honk

    Daheißt es sehr richtig, dass, wer die Musik von Mogwai wirklich verstehen wolle, den Douglas-Gordon-Film „Zidane – A 21st Century Portrait“ sehen solle.
    Es gibt jetzt eine großartige Gelegenheit, beides zusammen zu sehen. Am 30.6. wird es in Bochum erst den Film und danach ein volles Livekonzert von Mogwai geben. Ort: Schauspielhaus Bochum, 19.30 Uhr, 23/18 Euro.

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