Ort: Reflektor, Lüttich
Vorband: Lol Tolhurst

Miki Berenyi Trio - Lüttich, 03.05.2025

These songs are my songs, too. The next one is about my mother and his grandmother.

So kündigt Lol Tolhurst seinen vorletzten Song „All cats are grey“ an. Lol Tolhurst ist Gründungsmitglied von The Cure und spielte dort Schlagzeug und Keyboard bis 1989. Nach den Aufnahmen zu Desintegration wurde Lol Tolhurst aufgrund anhaltender Alkoholprobleme von Robert Smith aus der Band geworfen. 2023 veröffentlichte er das Album Los Angeles, eine Zusammenarbeit mit Peter Edward Clarke und Garett Lee und allerlei Gastmusikern.
An diesem Abend bestreitet die Lol Tolhurst Band, zu der auch sein Sohn Gray am Gesang und der Miki Berenyi Trio Bassist Oliver Cherer gehören, das Vorprogramm beim Miki Berenyi Trio Konzert. Der Slot kommt sicher nicht von ungefähr, denn zusammen mit Miki Berenyi veröffentlichte Lol Tolhurst vor einigen Wochen den Song „Stranger“. So ergibt es sich dann auch, dass während des Vorprogramms auf einmal alle Musiker des Abends auf der Bühne stehen. Neben diesem Song spielt Lol Tolhurst nur The Cure Sachen. Wow, ist man geneigt zu sagen, das klingt ja mal interessant. Ja, das klingt interessant, aber leider geht für mich nach wenigen Songs der Wow-Effekt verloren.
Warum das so ist, kann ich erklären: Das Lol Tolhurst Trio klingt für mich wie eine mittelmäßige The Cure Coverband. Alle drei sind mit Sicherheit erstklassige Musiker, aber wenn man Songs sehr nah am Original spielt – und das machen Lol Tolhurst, Sohn Gray und Oliver Cherer – doch der Gesang nicht nach Original klingt, dann bin ich irritiert und kann nicht anders als denken, dass das einfach nicht richtig passt und nicht gut ist. Und genau diesen Eindruck habe ich nach zwei, drei Songs. Schlagzeug und Bass sind Original The Cure, die Stimme von Gray Tolhurst ist es allerdings nicht. Schon habe ich mein Dilemma, das mich für den Rest des Sets begleitet. Davon komm ich nicht mehr weg. Schade, vom Vorprogramm habe ich mir ehrlich gesagt mehr erhofft. Die ausgesuchten The Cure Stücke sind allesamt gute The Cure Songs, doch an diesem Abend bleibt der einzige nicht The Cure Song der einzige gute Song.

Setlist:
01: The holy hour
02: A forest
03: Siamese twins
04: A strange day
05: Stranger
06: The hanging garden
07: All cats are grey
08: 10:15 Saturday night

Ist es etwas leerer in den ersten Reihen geworden? Einen Augenblick macht es den Anschein, zumindest ist der ein oder andere The Cure T-Shirt Träger nicht mehr zu erblicken.
Nach einer kurzen Umbaupause – abgebaut wird eigentlich nur das Schlagzeug – ist das Miki Berenyi Trio an der Reihe. Nach Hause gegangen ist sicherlich niemand, höchstens etwas weiter nach hinten. Das Miki Berenyi Trio, oder kurz MB3, sind – logisch – Miki Berenyi (Lush, Piroshka) am Gesang und Gitarre, der Gitarrist Kevin McKillop (Partner von Miki Berenyi bei Piroshka und im übrigen Leben) sowie der Bassist Oliver Cherer (keine Brit-Shoegaze Bandmitgliedschaftsvergangenheit). Ein Schlagzeug braucht das Trio nicht, die Keyboards werden eingespielt. Vor einigen Wochen erschien ihr Debütalbum Tripla. Natürlich wird es in Rezensionen mit Alben der großen Band Lush verglichen, und ja, Referenzen im Sound sind erkennbar.

Mit “Tripla” erscheint nun das Debütalbum des Trios, dem die Verwandtschaft zu Lush durchaus anzuhören ist. Die Musik kreist um ein Epizentrum, das von Shoegaze, Dreampop und Neo-Psychedelia markiert wird. Dabei erzeugen die drei Gitarren mit einem dichten Klangteppich eine ätherische Atmosphäre. Über allem steht Berenyis charakteristische Stimme, die in all den Jahren nichts von ihrer Kraft eingebüßt hat. Auch wenn die Verbindungslinien zu Lush offensichtlich sind, geht es auf dem Album nicht nur darum, einen Sound originalgetreu wiederherzustellen, der die Nostalgiker befriedigt.

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Auch ich nehme das während des Konzerts so wahr. Allerdings kann es auch durchaus sein, dass ich den ein oder anderen Lush Song mit einem Song vom aktuellen Album verwechselt habe. Denn weder den Lush Backkatalog noch das neue Album kenne ich bis ins letzte Detail.

Ehrlich gesagt kenne ich von Lush nur die Lovelife LP und bewusst die Singles „Ladykillers“, „Single Girl“, „500 (Shake Baby Shake)“ sowie „Ciao!“. Das ist nicht viel, aber es ist mehr als nichts. Das ist nämlich mein Wissensstand über das Tripla Album. Ich kann also dem Konzert sehr unvoreingenommen entgegentreten. Im Vorfeld hatte ich gesehen, dass die Setlisten der vorherigen Konzerte eh eine Mischung aus Lush, Miki Berenyi Trio und Piroshka Songs sind. Die Band mischt kräftig durch. Bevor sie eigene Songs hatten, haben sie gar nur Lush Sachen gespielt, lese ich. Mir geht es an diesem Abend aber auch nicht darum, die einen oder anderen Songs zu hören oder die neuen Sachen genau kennenzulernen, mir geht es mehr darum, eine der wichtigsten Musikerinnen der 1990er Jahre live zu sehen. Unabhängig davon, was sie im Reflektor anbietet.
In Summe sind das dann fünf Lush Songs, ein Piroshka Song und nahezu alle Songs vom Tripla Album. Musikalisch höre ich zwischen den Songs wenig Unterschiede. Ich kann an diesem Abend nicht sagen, welcher Song  aus welcher Schaffensperiode von Miki Berenyi stammt. Bei dieser Blindverkostung habe ich versagt. Aber interessant ist das Konzert trotz meiner Unwissenheiten allemal. Auch wenn der Sound vielleicht nicht ganz optimal ist. Zumindest aus meiner Position geht der Gesang von Miki Berenyi ein bisschen verloren und die Gitarren sind zeitweise zu schwach ausgesteuert. Nach überschaubaren 75 Minuten ist das Konzert vorbei. Es war eine gute und richtige Entscheidung, auf dem Weg von Paris kommend in Lüttich aus dem Zug auszusteigen und einen Zwischenstopp einzulegen. Das Miki Berenyi Trio wird nicht meine neue Lieblingsband, aber einen Abend lang in alten oder alt klingenden Songs zu baden, ist eine feine Sache.

Setlist:
01: Hurricane
02: For love
03: Vertigo
04: A different girl
05: Undertow
06: Gango
07: Kinch
08: Manu
09: 8th deadly sin
10: Ubique
11: Leaves me cold
12: Scratching at the lid
13: Big I am
14: Ladykillers

Kontextkonzerte:
Piroshka – Primavera Sound Festival Barcelona, 31.05.2019

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