Ort: Zeche, Bocum
Vorband: Corn Mo

Ben Folds - Bochum, 02.07.2008

Ben Folds gehört zu meinen Lieblingskünstlern. Entdeckt habe ich ihn – wie das sooft bei zukünftigen Lieblingskünstlern ist – durch Zufall. „Rockin’ the suburbs“ war der Aufhänger, der mich aufhorchen ließ.
Da auch das gleichnamige Album ein Knaller ist, tauchte ich tiefer in Ben Folds Musikwelten ein, entdeckte die frühen Sachen der Ben Folds Five und das Projekt The Bens (zusammen mit Ben Kweller und Ben Lee). Zwei Konzerte habe ich seitdem von ihm besucht. Beide waren speziell. Das erste war spannend, weil ich mir ein Rockkonzert mit dem Schwerpunktinstrument Klavier nur schwer vollstellen konnte. Das zweite, weil es eine der grandiosesten Shows war, die ich je gesehen habe. Auch wegen Clem Snide im Vorprogramm. Sein Cover von Christina Aguileras „Beautiful“ war überragend toll.
Bei beiden Konzerten war die Kölner Live Music Hall Austragungsort, gestern fand Ben Folds Auswärtsspiel in der Bochumer Zeche statt. Die Zeche ist ein alteingesessener Club- und Konzertort im Ruhrgebiet mit langer Tradition. Eine gemütliche Einrichtung in überschaubarer Größe in einer der gemütlicheren Städte des Ruhrgebiets. Schön, mal wieder hier zu sein.
Die 122 km nach Bochum dagegen waren eine einzige Tortur. Der Hitzemantel des Tages wollte kein Ende nehmen, das kühlende Gewitter war noch lange nicht in Sicht. Gegen 21 Uhr war es immer noch schweißwarm, und die Zeche gut gefüllt. Aber bei weitem nicht ausverkauft. Sagenhafte 3 Stunden war ich unterwegs, ein, nein zwei Staus auf dem Kölner Ring hatten mich zeitlich zurückgeworfen. Zwischendurch zweifelte ich schon, pünktlich anzukommen. Aber dann lief es im zweiten Streckenabschnitt doch ganz gut.
So verpasste ich nur den Auftakt von Corn Mo. Verschmerzbar, denke ich.
Vor einigen Jahren gab es eine Phase, da wurden von eifrigen Ben Folds Fans Petitionsschriften verfasst, um den guten Ben für ein paar Auftritte in Deutschland zu gewinnen. So rar machten er und sein Klavier sich auf unseren Bühnen. Derzeit tourt er sogar, ohne ein neues Album im Gepäck zu haben. (Am Samstag spielt er auch in den Bonner Rheinauen.) Das nächste Album erscheint erst im September, wie wir im Laufe des Abends erfahren sollten. Zwei, drei neue Songs hatte er mit dabei. So bekamen wir einen ersten Vorgeschmack auf die neuen Werke. Meine Konzertnachbarin zur rechten hat sie eifrig mit ihrer Digicam getapet. Vielleicht stehen sie bald in YouTube. Für uns zum nachgucken, für alle anderen zum vorgucken.
Die Songauswahl fiel diesmal rockiger aus als beim letzten Konzert. Weniger Songs for Silverman, mehr vom 2001 Album Rockin’ the suburbs. „Fred Jones Part 2“, „Annie waits“, „Still fighting it“ und „Gone“ gehören ebenso zum Set wie das wunderbare „Rockin the suburbs“, das ich zum ersten Mal live höre. Zum Ausgleich verzichten sie – bis auf eine Ausnahme – leider auf die eine oder andere Coverversion. Kein „In between days“, kein „Tiny Dancer“, kein „Video killed the Radio Star“, kein „She don’t use jelly“. Einzige Ausnahme blieb Dr Dre’s „Bitches ain’t shit“, welches mittlerweile zum Standard bei Ben Folds Konzerten gehört. Bereits nach dem dritten Song wurden aus dem Saal erste Bitches Rufe laut. Dieser Song muss einfach gespielt werden. Dieses Lied muss man einfach gehört haben! Im Neuinterpretieren und Zitieren ist Ben Folds ein wahres Genie. Entweder haucht er den Stücken eine besondere Einzigartigkeit ein, die mitunter mit dem Original nichts gemein hat („She don’t use jelly“) oder er spielt sie simpelst eins zu eins auf dem Klavier nach, dass es gar nicht peinlich klingen kann („In between days“).

Nach einer Stunde verschwinden Schlagzeuger und Gittarist für einige Minuten von der Bühne, und Ben Folds läutet eine 15-minütige Klaviersequenz ein. Dabei geht die volle Konzentration auf den Song und auf die Texte. Die berichten aus der Wirklichkeit und entstehen meist nach skurrilen Alltagserlebnissen. Von einem Vater-Sohn Verhältnis oder von einem Bühnenunfall in Tokio. Mitunter können längere ruhige Abschnitte in einem Konzert anstrengend sein und sich in Müdigkeit ausdrücken, erst recht, wenn es kuschelig mollig klebrig warm ist. Doch davon keine Spur. Unruhe machte sich nicht breit. In der Zeche ist es Mucksmäuschen still. Man hätte einen Kamerazoom hören können. Das Publikum saugt alles auf, was von der Bühne kam. Und da kam eine ganze Menge. Ben Folds ist, neben seinen unbestrittenen musikalischen Fähigkeiten, ein Entertainer vor dem Herrn. Er versteht es, die Leute zu unterhalten. Hier eine Geste, dort eine nette Geschichte oder eine ironische Bemerkung zwischen den Stücken eingestreut, ließen unser Grinsen breiter und breiter werden. Auch im Standardrepertoire ist die Zuschauermitmacheinlage bei „Not the same“. Ich mag diese Spielchen nicht so und schaue lieber, was seine Mitmusiker in der Zeit so machen, in der Ben mal die eine Zuschauerhälfte singen lässt, mal die andere, dann umgekehrt, mal beide zusammen, dann im Kanon, dann im leise-laut Rhythmus und so weiter und so weiter.
Nun, dass war ganz amüsant. Der Schlagzeuger hockt apathisch auf seinem Schemel, schaut an den rechten Bühnenrand, wo zwischenzeitlich irgendjemand irgendwas einpackt. Sein Gesichtsausdruck sagt irgendwas wie: ‚Nun gut, jetzt das‘. Der Gitarrist kaut noch intensiver auf seinem Kaugummi als den übrigen Abend und blickt genauso apathisch auf den Boden. Sie wirken gelangweilt. Same precedure as last evening. Doch, obwohl alles schon hundertmal gemacht, hat Ben Folds am Bühnenrand sichtlich Spaß. Er dirigiert lustig umher. Kennt man diverse YouTube- Schnipsel oder die CD Ben Folds live weiß man, was passieren wird. Eine sehr verhersehbare Konzertsequenz, die aber irgendwie dazugehört.

Als draußen das Gewitter aufzieht und es zu regnen beginnt, ist der Abend vorbei. Das erste gesetzlich erzwungene rauchfrei Konzert war ein gutes Konzert. Das Publikum war glücklich und ging mit einem lächeln. Auch der kleine Bochumer Komiker* in Reihe drei wirkte zufrieden.

Kontextkonzerte:
Ben Folds – Köln, 06.02.2007 / Live Music Hall

*Hennes Bender

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