Ort: Kulturzentrum Opderschmelz, Dudelange
Vorband: Nyokabi Kariũk
‘Musik wie ein Film von David Lynch’ schreibt die Saarbrücker Zeitung über das Julia Holter Konzert am Freitag in Dudelange. Nun bin ich kein großer Cineast, ich weiß also nicht, wie ich diese Aussage verstehen soll. Was ist genau ein David Lynch Film? Was macht ihn besonders? Und welche Filme hat David Lynch überhaupt gedreht? Spontan habe ich darauf keine Antworten….
Entscheidender ist dann auch die Frage, wo genau liegt eigentlich Dudelange? Luxemburg war mir klar, die genaue Lage jedoch nicht. Dudelange, Düdelingen oder Diddeleng (mein persönlicher Favorit) liegt im Süden von Luxemburg unweit der französischen Grenze. Man könnte den knapp 25000 Einwohner fassenden Ort aus der Fußball UEFA Saison 2018/2019 kennen, als der FC Düdelingen unter Trainer Dino Toppmöller für etwas Furore sorgte und erstmals und als bisher einziger luxemburgischer Fußballklub die Gruppenphase der Europa League erreichte. Im Jahr darauf gelang dies ein zweites und bisher letztes Mal. Es sind die bisher größten sportlichen Erfolge des Vereins.
Ich sah Julia Holter zuletzt nicht, wie ich immer dachte, beim Little Waves Festival in Genk, – da verwechselte ich sie mit Marissa Nadler – , sondern in Bochum. 2018, und ich kann mich kaum erinnern. Erschreckend. Das Konzert damals war auch im November, genauso wie meine Julia Holter Konzerte davor in Utrecht und davor in Köln. Der November scheint ihr bevorzugter Reisemonat zu sein. Zumindest für Europaausflüge.
Die Fahrt nach Dudelange ist meine erste Auslandsfahrt mit Navigationsunterstützung. Das Navi führt mich über verschiedene Bundesstraßen; ich persönlich wäre ja einen anderen Weg gefahren, aber dein Weg war auch okay, Navi. Das Opderschmelz liegt am südlichen Ortsrand im Gebäudekomplex des Centre National de l’Audiovisuel, direkt neben dem Jos-Nosbaum-Stadium, der Heimat des FC Dudelange. Es ist sehr dunkel und sehr nasskalt, eine Kurzbesichtigung des Stadions fiel damit aus. Beim nächsten Mal vielleicht.
Musikalisch ist in Dudelange das feine und architektonisch sehr schöne Kulturzentrum Opderschmelz beheimatet, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden. Da es eher ein Theatersaal als ein Konzertsaal ist, ist die Konzertauswahl auf Singersongwriter und ähnliche Sachen beschränkt. James Walsh (von Starsailor) oder Philipp Poisel spielen hier unter anderem in den nächsten Wochen. Der Saal des Opderschmelz ist ein mittelgroßer Saal. An diesem Abend bleibt die Galerie geschlossen (laut Internetseite sind hier 180 Plätze installiert), im Parterre sind 200 Sitze aufgebaut. Zehn Reihen mit je 20 Sitzen.
Als gegen 21 Uhr Julia Holter und Band die Bühne betreten, ist das Parterre gut zur Hälfte gefüllt. Eine Stunde zuvor war es leider etwas leerer. Nyokabi Kariũki stammt aus Nairobi und eröffnet gegen 20 Uhr den Abend. Flirrgeräusche, Surren, Naturklänge, Straßenlärm, Wort- und Gesangsfetzen werden von der Kenianerin sehr schön in einem sphärischen Ambientsound zusammengeführt. Auf ihrer Website lese ich dazu:
Nyokabi Kariũki (she/her) is a Kenyan composer, sound artist and artistic researcher. Her sonic imagination is ever-evolving, spanning from classical contemporary to experimental electronic music, explorations in sound art, pop, film, (East) African musical traditions and more. She performs with the piano, voice, electronics, and on several instruments from the African continent — particularly on kalimbas and the mbira. Nyokabi’s work has been described as “deft” (The Quietus) and “transcendent” (The Guardian), with Bandcamp highlighting seeing her as “becoming a crucial voice in contemporary composition and experimental music.”
Ihren halbstündigen Auftritt empfinde ich als sehr hörbar. Ihre Sounds passen gut zu den Julia Holter Songs.
Viel feuilletonistisches Lob und Kritikerlieblinge, das zeichnet die bisherigen Platten von Julia Holter aus. Loud City Song und Have you in my wilderness wurden vor 10, 12 Jahren zurecht hochgejubelt, laufen aber leider stark neben dem Mainstream. Mit dem aktuellen Album ist das nicht anders. Im März diesen Jahres veröffentlichte sie ihr 11. Album Something in the room she moves. Und die Kritiken im Internet sind durchweg gut, allerdings auch schwer verständlich und kompliziert formuliert. Es kommt mir so vor, dass Kritiker die Musik von Julia Holter nicht in Worte fassen können und sich Begriffsverwirbelungen quasi ausdenken müssen, um die Einzigartigkeit und Besonderheit ihrer Musik herauszustellen. Der Begriff Dream Pop, meist ein begriffliches Allheilmittel für diese Art von Musik, greift bei Julia Holter nämlich viel zu kurz.
Julia Holter spielt mit Band. Begleitet wird sie von ihrem Ehemann Tashi Wada, der Dudelsack und Synthesizer spielt, der Bassistin Devra Hoff sowie der Schlagzeugerin und Merchverantwortlichen Beth Goodfellow. Sie alle stehen auf der Bühne des netten und gemütlichen Konzertsaals im Kulturzentrum Opderschmelz. An vorderster Front und damit unverkennbar als Bandleader Julia Holter. Die Musik ist allerdings Teamarbeit. Eine gute Stunde spielen und vermischen sie allerlei sphärische und nicht-sphärische Klänge, verwurschteln Field Recordings und liefern einen zum Wegdämmern einladenden Soundtrack. Es ist ein klarer Vorteil, dass es ein bestuhltes Konzert ist. So kann ich die Musik viel besser wirken lassen, mich auf die Videoinstallationen konzentrieren und der Bassistin Devra Hoff bei ihrem interessant und intensiv anmutendem Bassspiel zusehen. Ich habe Julia Holter Songs länger nicht mehr gehört, demzufolge ist fast jeder Song ein neuer Song für mich. Einzig „Feel you“ kommt mir nach ein paar Minuten wieder bekannt vor. Aber klar, es ist einer ihrer Hits und einer ihrer poppigeren, sprich eingängigeren, Songs.
Zuvor hatte ich mich mehrmals gefragt, ob die Fahrt in den Süden Luxemburgs wirklich Sinn macht. Es geht mir sehr oft so, nach anfänglicher Ticketkaufeuphorie komme ich, je näher der Termin rückt, immer mehr ins Grübeln, ob sich dieser Aufwand tatsächlich lohnt oder ob diese Konzertfahrten nicht absoluter Quatsch sind und ich mal damit aufhören sollte. Nach dem Konzert kann, nein muss ich – auch wie so oft – feststellen: ja, es macht großen Sinn und es ist überhaupt kein Quatsch. Es war ein toller, entspannter, unterhaltsamer und schöner Abend.
Setlist:
01: Sun Girl
02: Silhouette
03: In the green wild
04: Something in the room she moves
05: Marienbad
06: In the same room
07: Evening mood
08: Spinning
09: Feel You
10: Talking to the whisper
11: Betsy on the roof
Zugabe:
12: The laugh is in the eyes
13: I shall love 2
Kontextkonzerte:
Julia Holter – Bochum, 27.11.2018 / Kammerspiele
Julia Holter – Le Guess Who? Festival Utrecht, 19.11.2015
Julia Holter – Primavera Sound Festival Barcelona, 30.05.2014
Julia Holter – Köln, 07.11.2013 / Gebäude 9