Ort: Het Depot, Leuven
Vorband:

Josh Rouse & Grant-Lee PhillipsDie Margaritha Geschichte verfolgt uns für ein, zwei Songansagen. ‘Margaritha Machine‘, Grant-Lee Phillips zieht die Silben und mit seiner tiefen Stimme klingen die Wörter bedrohlich und amüsant zugleich. ‘This is the Margaritha machine‘, er erzählt davon, weil es im Het Depot so angenehm ruhig ist und keine Hintergrundgeräusche das Konzert stören. Scheinbar ist das bei seinen Konzerten nicht immer so.

Das Het Depot liegt enorm verkehrsgünstig direkt am Hauptbahnhof in Leuven. Ich komme zwar nicht mit dem Zug an, bemerke das aber, als ich zu Fuß vom Tiefgaragenparkplatz am ehemaligen Stella Artois Brauereigelände, auf dem jetzt neue Wohn- und Appartementblocks entstehen, zu meinem Hotel laufe. Ich war noch nie im Het Depot, ich war gar noch nie in Leuven. Und um es kurz zu machen, beides ist wunderschön. Hier kann man leben.
Das Het Depot ist einer dieser Konzertsäle, die es in Benelux zu Hauf gibt: ordentlich, aufgeräumt, wohl organisiert, gut ausgestattet. Diese Adjektive sind oder werden immer mehr mein Grund, lieber Konzerte in den Nachbarländern zu besuchen als bei uns. Die Konzertkultur ist dort einfach eine andere, ja vielleicht sogar eine Bessere, weil kundenorientierter, freundlicher, komfortabler. Dies zumindest mein Eindruck.
Der als Theatersaal geplante Raum ist an diesem Abend durch einen Vorhang zweigeteilt. Die Sitzreihen sind abgehangen, so dass vor der Bühne nur der Stehplatzbereich als Konzertfläche übrig bleibt. Die ist aber so enorm groß, dass ich mich frage, wie in diesem Saal ein Theaterstück wirkt, wenn die erste Zuschauerreihe 10 Meter von der Bühne entfernt ist. 300 Karten wurden für diesen Abend verkauft. Das erfahre ich, als ich mich anfangs erkundige, ob das Konzert im Saal oder in der Bar stattfindet, die am Kopfende auch eine kleine Bühne hat, und auf der – Zufall oder nicht – eine Monitorbox steht.

Nein, nein, das Konzert sei im Saal. Hinter dem Vorhang. Ich werde nicht nur darüber informiert, sondern die Het Depot Mitarbeiterin führt mich auch gleich dahin. Im Gespräch kommen wir überein, dass wir beide nicht mit 300 Gästen für dieses Konzert gerechnet hätten. Josh Rouse, den kennt doch kaum jemand und Grant-Lee Phillips, nun ja, da ist „Fuzzy“. Und was noch? Für Kenner noch eine Menge. Beide Künstler machen hervorragende Alben mit bemerkenswerten Hits. Ich empfehle jedem, sich das ein oder andere von Josh Rouse und Grant-Lee Phillips anzuhören. Es lohnt definitiv.

Ich habe beide unabhängig voneinander in den letzten beiden Jahren kennen- und schätzen gelernt. Josh Rouse war eine der besten Musikempfehlungen, die ich in den letzten Jahren bekommen habe und Grant-Lee Phillips, nun, den kenne ich natürlich von seiner Band Grant Lee Buffalo, die ich – wenn ich es richtig im Kopf habe – in den 1990er Jahren schon einmal mit live gesehen habe. Solo begeisterte er mich vor Jahren bei einem Stadtgartenkonzert und schlich sich so wieder auf meine Musiklandkarte.
Josh Rouse, sah ich letztes Jahr im AB Salon. Damals wie an diesem Abend erzählte er, dass er sehr regelmäßig einmal im Jahr irgendwo in Belgien Konzerte spielt. Das gibt Hoffnung, ihn auch 2020 live sehen zu können. Nach dem AB Konzert, das ich sehr bemerkenswert fand, kaufte ich nach und nach seinen kompletten Backkatalog. „It’s the nighttime“, „Sad eyes“, „Winter in the Hamptons“, für mich gibt es kaum schönere Songs, die in den letzten 15 Jahren geschrieben wurden.

Josh RouseJosh Rouse eröffnet den Abend. Sein Album Love in the modern age erschien im letzten Jahr und Songs daraus bilden das Grundgerüst des Konzertes. „Love in the modern age“, „Businessman“, „Salton sea“ sind Popsongs mit Synthesizer und viel Tam-tam. Aber wie schon vor einem Jahr im AB Salon kommen sie auch ohne Bandbegleitung gut und schwungvoll rüber.

Josh Rouse gehört das rechte Mikrofon. Das linke wird später Grant-Lee Phillips benutzen. Mehr als die beiden Mikrofone steht nicht auf der Bühne. Mehr braucht es auch nicht.
Es macht Spaß, und der Spaß wird noch größer, als Josh Rouse meine Lieblingslieder anstimmt: „It’s the nighttime“ und „Winter in the Hamptons“. Wow! Es sind nicht die einzigen Ausrutscher in den Backkatalog. „Valencia“, in schönstem spanisch vorgetragen, „Quiet town“ und „Suburban Sweetheart“ sind weitere Blicke in die musikalische Vergangenheit.
Nach guten 45 Minuten verlässt der in Valencia lebende Josh Rouse die Bühne, liefert uns aber das Versprechen, an diesem Abend nochmals auf selbige wiederzukehren.

Grant-Lee Phillips

Margaritha machine.

Grant-Lee Phillips ist der bessere Entertainer. Mit seiner tiefen, sonoren Stimme erzählt er wie ein Märchenonkel klingend seine kleinen Geschichten. Ich höre ihm dabei gerne zu, seine Stimme klingt so enorm unaufgeregt und ruhig monoton. Ob ihm je ein Job als Hörbuchsprecher angeboten wurde? Das wäre nur zu logisch.
Gefühlt ist das Set von Grant-Lee Phillips kürzer als das von Josh Rouse. Aber ohne „Fuzzy“ geht es natürlich nicht. „Fuzzy“ Ist der Konsenssong, den wahrscheinlich jeder kennt, selbst wenn er nur als großer Josh Rouse Fan zu diesem Konzert angereist ist. „Fuzzy“ war der Hit von Grant-Lee Phillips 1990er Jahre Band Grant Lee Buffalo. Da erzähl‘ ich nix Neues, denke ich. Nachdem die Band nach dem Debütalbum Fuzzy nur mäßig Erfolg hatte, löste sie sich 1999 auf. Seit 2001 macht Grant-Lee Phillips Soloalben, und besticht darauf mit schönen Americana Folksongs.
Spielte Josh Rouse E-Gitarre, ist das Werkzeug nun die Akustikgitarre. Neben „Fuzzy“ gibt es einen weiteren umjubelten Song, „Mona Lisa“, vom 2004er Album Virginia Creeper. Auch das alte „Mockingbird“ und „Honey don’t think“ kommen gut. Leider spielt Grant-Lee Phillips darüber hinaus nur noch eine Handvoll Songs, so dass sein Auftritt viel zu schnell vorbei ist.

Dass sich die beiden Musiker, die altersmäßig nur wenige Jahre auseinanderliegen, sehr gut verstehen, merke ich im dritten Teil des Konzertes. Vor Jahren haben sie gemeinsam Songs geschrieben, doch bevor sie einen davon spielen, erzählen sie ein wenig über ihre gemeinsamen Lieblingssongs. Einer davon ist „Under the Milky way“ von The Church, das auch gleich danach angestimmt wird. Ich kenne es bereits von Internetvideos und hatte insgeheim gehofft, es an diesem Abend live zu hören. Es ist eine der besten Coverversionen, die ich kenne und es ist um Längen besser und passender als ihr zweiter gemeinsamer Song. „Boys don’t cry“ wirkt einfach nicht und erscheint mir in diesem Rahmen (Theaterbühne, zwei graumelierte Männer mit Gitarren) sehr skurril und bizarr.
„Boys don’t cry“ setzt den Schlusspunkt hinter einen verdammt guten Abend. Josh Rouse & Grant-Lee Phillips

Das Konzert war großartig und übertraf all meine Erwartungen. Dieser Ausflug hat sich mehr als gelohnt! Himmel was für ein tolles Gesamtpaket.
Eine kleine Enttäuschung erlebe ich am Merchstand. Leider verkauft nur Josh Rouse ein paar Platten (die ich aber schon alle habe). Schade, ich hätte sehr gerne die ein oder andere Grant-Lee Phillips Platte erworben. Nun denn, the internet still exists.

Kontextkonzerte:
Grant-Lee Phillips – Köln, 10.10.2015 / Stadtgarten
Josh Rouse – Brüssel, 19.04.2018 / AB Salon

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