Ort: Essigfabrik, Köln
Vorband: Villagers
Ich hatte diesen Abend falsch eingeschätzt. In allen Belangen. Als kurz vor der Essigfabrik „Two weeks“ aus den Lautsprechern erklang, erinnerte ich mich plötzlich wieder: Ach ja, Grizzly Bear sind die mit diesem Fernsehwerbungslied. Das hatte ich völlig vergessen, genauso, wie ich das Album „Veckatimest“ völlig verdrängt hatte. Es war mein Grizzly Bear Erstkontakt, und zugegeben ein recht kurzer. Direkt nach der Veröffentlichung kaufte ich es mir, hörte es gefühlt ein halbes mal und legte es dann in den CD Schrank. Als zu einschläfernd und folkig klassifizierte ich es damals. Es geriet in Vergessenheit. Als nun vor einigen Wochen das Nachfolgealbum Shields erschien, erinnerte ich mich gar im ersten Augenblick nicht mehr an Veckatimest. Stattdessen mochte ich ihr neues Album von einem auf den andern Augenblick sehr. Ich glaube, ausschlaggebend war ein dreimaliges nacheinander hören an einem Sonntagnachmittag bei Kaffee und Kuchen. Tafelmusik und Grizzly Bear, das passte, und besonders stark im Gedächtnis blieb mir immer wieder (also drei Mal) „Yet again“, ein Riesenhit.
Das war Anlass genug, für ihr Kölner Konzert ein Ticket zu kaufen. Die Essigfabrik auf der anderen Rheinseite kannte ich noch nicht, Grizzly Bear hatte ich noch nicht gesehen (obwohl ich mir da seit gestern Abend nicht mehr so sicher bin); also noch anderthalb Gründe, den Freitagabend für ein Konzert zu nutzen.
Als wir an der Essigfabrik ankamen, war es bereits voll. Draußen als auch drinnen. Dies war direkt meine erste Fehleinschätzung: Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass die New Yorker so viele Menschen ziehen. Die Essigfabrik, die ich auch nicht in dieser Größe erwartete hatte, war proppenvoll. Hätte ich es gewusst, ich wäre nicht erst um kurz nach 20 Uhr an Ort und Stelle gewesen.
So schien der Abend ein sehr unentspannter zu werden, für einen guten Platz war es nun leider zu spät. Und es gibt nichts fürchterlicheres, als in anderer Menschen Laufwege zu stehen. Die Vorband Villagers ging so völlig an mir vorbei. Zu beschäftigt waren wir damit, Leuten auszuweichen und uns einigermassen gut zu positionieren. Was von den Villagers hängenblieb, war die Stimme des Sängers, sie erinnerte mich phasenweise sehr an Conor Oberst.
Während der Umbaupause wurde es komfortzonentechnisch nicht besser. Immer mehr Leute kamen und niemand ging. Nun denn, ich hatte mich schon mit dem Gedanken angefreundet, spätestens nach ein, zwei Liedern weiter nach hinten zu gehen. So wie hier und jetzt ging das gar nicht.
Grizzly Bear eröffneten mit „Speak in rounds“, „Adelma“ und „Sleeping Ute“ (toll die Übergange zur akustischen Gitarre), ihrer Standarderöffnung der letzten Konzerte und drei Songs des aktuellen Albums Shields. Ein guter und stimmungsvoller Beginn, der mich zögern ließ, meinen Platz zu verlassen. Stimmungsvoll war die Bühnenbeleuchtung. Viele quallenähnlich aussehende Lichtständer umsäumten den Hintergrund, dazu kam wohldosiert einsetzendes Scheinwerferlicht. Das passte. Da mich auch das Ambiente überraschenderweise weniger nervte als in der Umbaupause befürchtet, blieb ich jetzt erst recht. Ich sollte im Laufe des Abends mit mehr Platz (= Komfortzone) und guter Sichte entschädigt werden. Sicherlich der Fülle und der daraus resultierenden schlechten Luft geschuldet, gingen immer mehr Leute zurück nach hinten. So wurde es erträglich und nach einer guten Stunde wäre das Argument „viel zu voll und eng und blöd“ als Grund für ein schlechtes Konzert nicht mehr haltbar gewesen. Aber es musste nichts gehalten werden, das Konzert entwickelte sich zu einem sehr hörensertem hörenswerten Erlebnis.
Und meine Bedenken, dass es musikalisch eher langweilig und langatmig werden würde, waren großer Unsinn. „Yet again“ spielten sie früh im ersten Drittel und hätte man mich vorher gefragt, ich hätte sicherlich eingestanden, dass ich nach diesem Song gehen werde. Aber da mich die älteren Sachen bis hierin ebenso beeindruckten, wollte ich mehr. Der Vekatimest Vierer „Ready able“, „I live with you“, „ Foreground“ und “ While you wait fort he others“ schreckte mich live viel weniger ab als auf CD. „Cheerleader“ – das kam später irgendwann – entpuppte sich gar als Hit. Gegen Ende des Konzerts spielten sie „Two weeks“, der Song, der am freudigsten erwartet wurde. Wenig überraschend. Mir ist „Two weeks“ inzwischen egal geworden, ich habe ihn zu oft im Fernsehen gehört. Und so dolle finde ich ihn auch nicht. Ein akustisch gespieltes „All we ask“ bildete dann nach knappen 2 Stunden einen guten Abschluss.
Konzertort und Ambiente der Essigfabrik sind sehr gewöhnungsbedürftig und nur bedingt konzerttauglich. Es war mein erster Besuch in Köln-Poll, ich hoffe, dass ich nicht so schnell wieder her muss. Die Essigfabrik verbreitet mit ihrem gefliesten Boden und der Tarnnetzbeschmückung diese Art von Bauerndorfscheunenfeste, die ich früher schon nur bedingt mochte und eigentlich jetzt nicht mehr sehen will. Der Sound war jedoch okay. Also er war laut, die Gespräche der anderen um einen herum hörte ich so wenigstens kaum.
Und wenn man denkt, was soll noch passieren, jetzt fahr ich nach Hause, da ist es schön, dann das: ich habe jetzt vier Radkappen weniger. Bei ebay gibt’s seit heute welche für 15 Euro zu ersteigern. Ein lohnenswertes Angebot aus Köln, heißt es im Angebot.
Verdammt, ich habe Grizzly Bear unterschätzt!!!
„Villagers und Grizzly Bear auf einem Ticket – diese Kombination zweier zu Recht gehypter, hochtalentierter Bands ließ erahnen, wie sich die Zukunft des Folkrock anhört.“ (via: Augsburger Allgemeine)
Das ist nun aber Quatsch.
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