Ort: Alter Schlachthof, Eupen
Vorband: Shitney Beers
Ein paar Tage vor dem Konzert wurde ich auf die Musikerin Shitney Beers aufmerksam. Es war das Video zu dem Song „Pop Queen”, der mich direkt packte und mich zu der Entscheidung zwang, pünktlich in Eupen zu sein. Shitney Beers, das ist mir seit dem Video klar, sollte ich auf dem Zettel haben. In Eupen spielen an diesem Abend Die Nerven im wunderschönen alten Schlachthof. Ich war bereits ein paarmal hier, durch die Eifel sind es nur knapp 60 km bis in die ostbelgische Kleinstadt. Allerdings bevorzuge ich zur Anfahrt die Strecke über die Autobahn via Aachen; eine Nachtfahrt ohne 100%ige Ortskenntnis durch die Täler und Höhenzüge der Eifel kann verwirrend sein. Und alle paar Meter auf die Karte gucken macht ja auch irgendwie keinen Spaß. da ist es mit der Autobahn einfacher, und der räumliche Umweg ist zeitlich gesehen nur mit einem kleinen Aufschlag verbunden.
Also Eupen. In diesem Herbst spielen Die Nerven den zweiten Teil ihrer 100 Milliarden Dezibel-Tour. Nach einigen Stopps in den Niederlanden ist der Alte Schlachthof in Eupen der einzige belgische Konzerttermin, bevor dann mit Essen, Berlin und drei, vier weitere Städte auf dem Programm stehen.
Seit 2010 gibt es Die Nerven, vor einem Jahr veröffentlichten sie ihr fünftes Album, schlicht Die Nerven betitelt. Die letzten drei Alben habe ich wohl verpasst. Mir liegen nur die ersten Platten vor. Die Nerven sind seit eh und je Julian Knoth, Kevin Kuhn und Max Rieger und seit eh und je werden ihre Platten hochgelobt. Der Spiegel tituliert Fun ‘als eine der wichtigsten und besten deutschsprachigen Platten dieses Jahrzehnts’, die Visions bezeichnet Fake als ‘das beste deutsche Album des Jahres 2018’.
Nachdem ich die Band auf ersten Teil ihrer Tour und auf diversen Festivals im Sommer leider verpasst hatte, kam mir der Eupener Termin sehr gelegen. Zum einen, weil es in machbarer Nähe liegt und zum anderen, weil der alte Schlachthof ein sehr schöner Konzertort ist. Ich fahre gerne hierhin, die relativ kurze Fahrt stört nicht. Konzerte im alten Schlachthof, egal ob im kleinen Saal oder in der größeren Halle, sind hier immer eine gute Sache. Zum einen ist der Ort einfach toll, zum anderen sind Konzerte hier, anders als in Köln, irgendwie entspannter und angenehmer. Gemein könnte ich sagen: provinzieller. Ich kann aber nicht gemein sein. Das würde der Sache nicht gerecht werden und es wäre auch absoluter Quatsch. Lieber freue ich mich, dass es so ist, wie es ist. Eine gute, ruhige Atmosphäre und ein aufmerksames und konzentriertes Publikum. Das wird später auch Shitney Beers anmerken, der das aufmerksame Publikum durchaus einen Satz wert ist.
‘Ihr seid so ruhig und aufmerksam. Das bin ich gar nicht gewöhnt, das macht mich ganz nervös.‘
Shitney Beers bestreitet das Vorprogramm für Die Nerven. Ich hatte eine Band erwartet. Na ja, wie immer schlecht vorbereitet eben. Maxi Haug aka Shitney Beers steht alleine auf der Bühne und spielt wunderbare Popsongs. Der Name ihres aktuellen Albums, This is Pop, macht also großen Sinn. Auf der van Cleef Seite finde ich einen etwas kruden Text zum Album:
Was ist Pop? This.
Am Palast der Popgeschichte kann man mitschreiben oder sich kurz an ihn anlehnen.
Shitney Beers nimmt eine Leiter und klettert. Über die Statuen der Popheiligen Britney, Cher und Peaches, über die leeren Bierflaschen aus ganz Hamburg. Ganz oben wird sorgsam das Album abgelegt.
Schwach sein, Stark sein, Scheitern und Progression. Achtung Leute, this is Pop.I hit the road and the road hit back
_Cast
Ich fühle mich nach wenigen Minuten an die junge Chan Marshall erinnert. Nur mit akustischer Gitarre und in Lidl Socken spielt Maxi Haug ihre Songs. Und kommentiert vorlaut in den Ansagen. Die Stimmung ist ein wenig lagerfeuer-esk. Maxi Haug hat uns im Griff, wir fressen ihr aus der Hand. Auch, weil sie immer einen kleinen Spruch parat hat. Ich habe den Eindruck, dass nicht nur ich wegen der Vorband hier bin. Die Stimmung ist schon jetzt gut und aufmerksam. Shitney Beers ist nicht irgendein Support. Das Interessante dabei ist, dass ihre ruhigen Songs vordergründig so gar nicht zum wilden Post-Punk der Band Die Nerven passen.
Im Anschluss liefern Die Nerven. Das Tier aus der Muppet-Show am Schlagzeug, Max Rieger an der Gitarre, Julian Knoth am Bass gelten als eine verdammt gute Liveband. das zeigen sie auch im gut gefüllten, aber lange nicht ausverkauften großen Saal des alten Schlachthofs. Vor der Bühne bleibt dummerweise so viel Platz, dass zwei Fotografen gefühlt permanent auf den Monitorboxen liegen, um die Band in jeder erdenklichen Situation zu fotografieren. Ich mutmaße, dass zwei Speicherkarten voll sein werden, pro Fotograf. Es ist ja gut und okay, wenn man seinem Hobby etwas extremer nachgeht, aber man muss es doch nicht 90 Minuten durchziehen. Nonstop. Das nervt etwas, ehrlich gesagt. Ach was, es nervte stark!
Das Konzert ist gut, auch wenn ich viele der Songs nicht wirklich kenne. Allerdings finde ich ihre früheren Konzerte besser, bemerke ich irgendwann zwischendurch. Diese vielen stop-and-go Songs, diese kurzen Momente totaler Stille, dieses insgesamt auf mich etwas – ich nenn es mal – arty-haft wirkende, empfinde ich auf Dauer etwas anstrengend. Besonders fällt mir das auf, als sie gegen Ende des Konzertes einfach mal drei, vier Songs gnadenlos runterdreschen, ohne Breaks und/oder zu viele abgehackte Passagen und nicht enden wollende und leider für mich ermüdende Schlagzeugperformances. Klingen die Songs auf Platte auf so oder ist das nur die Liveumsetzung? Ich muss mir die letzten beiden Alben mal in Ruhe anhören.
Vor acht Jahren sah ich Die Nerven das erste Mal, sagt mir heute meine Facebook Erinnerung. Damals fühlte sich ein Die Nerven Konzert anders an. Auf der Rückfahrt zeigt das Außenthermometer 2,5 Grad.
Kontextkonzerte:
Die Nerven – Köln, 23.04.2018 / Gebäude 9
Die Nerven – Bonn, 22.10.2015 / Harmonie