Ort: Kulturkirche, Köln
Vorband: Black Box Revelation
‚Sag, das es ein gutes Konzert war‘. Ist hiermit geschehen, denn es war wirklich ein guter, gelungener Abend gestern in der Kulturkirche in Nippes.
Mitten in einem Wohngebiet gelegen bietet die Kulturkirche gehobenes Musikambiente. Leider mit dem kleinen Nachteil, dass man als Auswärtiger mit dem Fahrzeug ewig lange nach einem Parkplatz suchen darf. Aber so lernt man die Einbahnstrassensysteme der Nachbarschaft kennen. Kann auch unterhaltsam sein, ist aber eher vertrakt; ein Parkplatz fand sich trotzdem.
dEUS, der Inbegriff von Indierock, gastieren in der Stadt. Da will, nein muss man dabei sein. Das denken auch andere, und so wundert es nicht, dass die Kulturkirche ausverkauft ist.
Um kurz vor acht ist das Kirchenschiff noch relativ leer. Wir positionieren uns im vordersten Bereich und warten. Der dritte Konzertbesuch vor Ort lässt Normalität aufkommen. Wir kennen die Kuppel, den Altarraum und die Liedertafeln an der Wand. Darüber müssen wir uns nicht mehr staunend unterhalten. Das machen die anderen. Wir warten einfach. Warten auf die Vorband. Die entert um kurz nach 20 Uhr die Bühne. Black Box Revelation ist eine 2-Mann Combo, ausgestattet mit Schlagzeug und Gitarre, und macht das, was man erwartet. Viel Gitarrenlärm mit scheppernd klingenden Drums. Mal mehr bluesig, mal nur rockig, mal Gitarrensoli. „Noch eine dieser vielen neuen 2er Kominationen“ , denke ich. Nett, aber nicht spannend. Unterhaltend, aber nicht interessant. Der Unterschied zu den White Stripes und den Blood Red Shoes ist die Besetzung. Hier sind zwei Jungs am Werk, der weibliche Part fehlt. Die beiden kommen aus Belgien.
„Live the duo is a runaway train that combines the best ingredients of idols like Led Zeppelin, The Datsuns, The Rolling Stones, Black Rebel Motorcycle Club and The Stooges.“
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Es ist laut. Die Kulturkirche scheint für diese Art von Musik nicht geeignet zu sein. Da es gerade mal halb voll ist, stimmt die Akkustik noch nicht. Es scheppert ordentlich. Später am Abend ist ist das anders. Dann ist es voll, der Sound zwar immer noch laut, aber allerbest.
Doch bis dahin wird noch eine gute Stunde vergehen.Warum Umbaupausen mitunter so lange dauern müssen wie sie dauern, bleibt für immer ein Geheimnis, als um nach neun Uhr endlich vier Taschenlampenlichter dem Mischpultmann mitteilen, dass das Licht auszugehen hat und die 5 dEI die Bühne betreten. Die Band startet mit einem neuen Stück in den Abend. Von der neuen CD kenne ich nur die neue Single „The architect“, sonst nichts. Im Raum steht aber die eine, leicht negative Meinung, die ich zur neuen Platte gelesen habe. Ich nahm mir daher vor, heute Abend die neuen Stücke genauer zu behören. Die nächsten Minuten verliefen so, dass einem neuen Stück ein altes Stück folgte. „Sun Ra“ war der zweite Track und erste bekannte des Abends. Es ist eines dieser typischen dEUS Stücke. Langsam und unschuldig schleicht es sich, um durch die immer stärker gesteigerte Unruhe und Zappeligkeit weiter und weiter nach vorne gepeitscht zu werden. Ein wundervolles Build-up Stück, das gestern leider nicht so recht in Fahrt kommen wollte, weil Tom Barman zwischendurch zweimal seine Gitarre wechseln musste und so ein entscheidendes Element im Song zeitweise fehlte.
Es sollte der einzige technische Defekt bleiben und den Abend nicht negativ beeinflussen. dEUS celebrierten eine gute Show, die Kulturkirche war ausser sich und liess sich nur zu gerne begeistern. „Instant street“, „Bad times“, „For the roses“ (traditionell das letzte Stück des regulären Sets) liessen das Gotteshaus in seinen Grundmauern erschüttern. Dabei überrascht und fasziniert die Eigendynamik dieser build-up Stücke jedesmal aufs neue. Es ist schwer in Worte fassen, diese Stücke besitzen die Nervosität, Zittrigkeit und Hektik eines Junkies, die von Anfang an spürbar da ist, die man merkt, aber erst nach ein paar Minuten realisiert. Die sich immer stärker zeigt und vordergründiger wird, bis sie nicht mehr zu halten ist und vollständig ausbricht. Bis dahin vergehen Minuten unendlicher Spannung. Man wartet und wartet, denkt ’nun mach schon, hau’s raus‘, wird immer wieder zurückgespuhlt und auf Pause gesetzt, bis der play Knopf entgültig gedrückt wird und es kein Halten gibt. Diametral dazu die Bühnenshow. Ist Tom Barman sonst eher der exaltierte Hampelmann, so verfällt er wie die gesamte Band in Bewegungsminimalismus, untermalt das Klangbild nicht mit Gesten. Die vier stehen nebeneinander. Von hinten mit hellem Scheinwerferlicht angeleuchtet erscheinen sie im Bühnennebel wie die apokalyptischen Reiter. Ein grandioses Bild.
Es wurden eine Vielzahl neuer Stücke gespielt. Und tatsächlich, man hörte live einen Unterschied, einen Stilbruch zum alten. Die neuen Sachen kommen eher poppiger und luftiger daher. Nicht so vertrakt und nervös. Nicht so energetisch und ruhelos. Mal schauen, ob sich dieser Eindruck beim hören der CD bestätigt, oder ob es ein, nur gelesene Kritik suggerierter, Eintagsfliegeneindruck ist. In einigen Tagen weiss ich mehr.
Als letztes Lied der Zugabe das unvermeidliche „Suds & Soda“. Immer noch hörbar, immer noch gut, immer noch frisch. Der Hit, der dEUS damals im Rest Europas bekannt machte und es auf MTV in die heavy rotation schaffte. Diese Geige! Einmalig! Jedemal, wenn ich dieses Stück höre, muss ich an ein Interview von Ray Cooks mit dEUS denken. Es war ihr erstes Live-englisch-Fernsehinterview, dEUS verstanden alles, konnten sich nur noch nicht so doll in englisch ausdrücken. Verstehen ja, sprechen na ja, das kennt wohl jeder. Es wurde ein sehr einfaches Frage-Antwort-Spiel. „MTV’s most wanted“ hiess die Sendung damals.
Nach guten 90 Minuten war das Konzert vorbei. Glücklich und leicht erschöpft strömten wir aus der Kulturkirche. Es war warm und voll geworden im Laufe des Abends. Die frische Luft tut gut. Nicht wenige fahren jetzt noch Richtung Belgien nach Hause.
Hey, es hat sich gelohnt, den Weg auf sich zu nehmen!
Wir sehen uns auf dem Melt!
das konzert war früh ausverkauft, wie man lesen konnte. schön, wenn sich gebannte erwartung auf ein neues album auch so kanalisiert.
das neue werk ist leider nicht mein fall, da half selbst die fanbrille nichts.
hast du mittlerweile gegenhören können?
nein, leider bis jetzt noch nicht. werde das diese woche noch erledigen…(puhh, klingt wie arbeit: ich erledige das noch)
Pingback: pretty-paracetamol in concert: dEUS - Maastricht, 13.04.2023