Ort: Carlswerk Victoria, Köln
Vorband:

Cigarettes after sex

‘All the songs sound the same‘ steht auf einem T-Shirt, das ich mir nach dem Konzert am Merchstand gekauft habe.
Ein ‘All songs sound the same‘ T-Shirt könnten auch Cigarettes after sex anbieten, in meinen Augen würde das einen feinen ironischen Blick auf das bisherige eigene Werk richten. Ich kaufte meins nach einem The Wedding Present Konzert. Denn was auf die Band um David Gedge zutrifft, möchte ich auch für die amerikanische Band Cigarettes after sex geltend machen. Irgendwie klingt es immer gleich: sanftes Gitarrenintro, beruhigende Keyboards, ein kaum hörbares Schlagzeug und immer eine nahezu gleiche Gesangsstimmlage und -stimmung.
Cigarettes after sex Songs haben keine Ausreisser, weder ins sehr Laute noch ins sehr Leise. Cigarettes after sex Songs klingen immer traurig und betrübt. Und weich, einfühlsam und enorm verständnisvoll. Aber es ist Gleichheit auf höchstem Niveau. Das kann wohl niemand abstreiten. Cigarettes after sex machen tolle Songs und haben auf ihren ersten beiden Alben nur Hits. Bisher fahren sie damit sehr gut. Die Band aus Texas hat, obwohl sie just erst ihr zweites Album Cry veröffentlicht haben, eine enorme Fangemeinde und im Konzertsaalindex den mittleren Größenbereich glatt übersprungen. Vom kleinen Laden direkt rein ins ausverkaufte Carlswerk, bedächtig groß werden können ja andere. Allerdings frage ich mich schon, wie lange ihre Masche noch funktioniert. Falls es ein weiteres Album geben sollte, müsste eigentlich etwas mit ihren Songs passieren. Sonst könnte ich mir vorstellen, dass das Motto ‘All songs sound the same‘ negativ ausgelegt wird.

Als ich im Carlswerk ankomme, regnet es vor der Bühne. Die Videoprojektion wirkt täuschend echt. Bindfadenmässig zieht sich der digitale Landregen über die gesamte Bühnenbreite. Dahinter flimmern grauweiße Bilder von Küsten- und Naturlandschaften von der Bühnenrückwand. Etsy-Kalendersprüche tauchen ab und an auf: ‘Everything is wrong, but it’s okay’ lese ich, oder: ‘you are the best thing in my life’. Atmosphärisch wirkt das top und es ist eine perfekte Einstimmung. Ja, kann man also so machen.
Der Sound ist gut, das Carlswerk trotz eines ausverkauft nicht zu voll. Aus der Ferne kann ich entspannt den Songs zuhören. Und im Entspannungsmodus funktionieren Cigarettes after sex am besten. Eine gute Stunde entschleunigen sie nicht nur mich. Die Halle liegt relativ ruhig und relativ unaufgeregt im dunklen Licht, applaudiert zaghaft, jubelt bei den ersten Takten einiger Songs und ist überhaupt nicht mürrisch, als die Band nach einer knappen Stunde zum ersten Mal von der Bühne verschwindet.

Ich finde es erstaunlich, welchen großen Zuspruch die Band erhält. Ich lese, dass die Songs der Texaner bis zum Abwinken gestreamt werden und ihr erster Hit „Nothing’s gonna hurt you baby“, der mich übrigens stark an Band of Horses „No one’s gonna love you“ denken lässt, millionenfache YouTube Clicks zeigt. Und ich habe bis vorgestern, als ich die Benachrichtigung über den Gewinn eines Tickets bekam, bewusst noch nie etwas von Cigarettes after sex gehört. Ein Unding, das ich direkt ausbügelte. Und auch mich haben sie sofort nach ein, zwei Videos erwischt. Ja, ihre Songs sind wunderschön und ideale Soundtracks für irgendwie alles an einem Tag: essen kochen, putzen, rumsitzen. Egal ob „Apocalype“ oder „John Wayne“, „Heavenly“ oder „Don’t let me go“. Jeder Song funktioniert in jeder Situation ausgezeichnet.

„Keep on loving you” von REO Speedwagon spielen sie auch. Ein schönes Cover, das zwischen den eigenen Songs nicht herausragt. Sie adaptieren ihn perfekt in ihre eigene Klangwelt. Und in der zieht die Stimme von Sänger Greg Gonzalez enorm. Es ist sagenhaft, wie präsent sie ist. Und wie wichtig sie ist! Ich glaube, mit einer anderen Stimme würden Cigarettes after sex Songs nicht so wirken, wie sie wirken: nämlich sehr beruhigend. Zusammen mit der nie zu aufdringlichen Gitarre bildet sie ein Duo, das ich im Zusammenspiel selten so harmonisch gehört habe.
Überhaupt, die Band wirkt eingespielt. Musikalisch gibt es nix zu mäkeln. Der Sound ist gut und die Musiker konzentriert bei der Sache. Verspieler oder Verpatzer sind Fehlanzeige. Aber weder Bassist, Schlagzeuger oder Keyboarder geben sich diese Blöße. Und ehrlich gesagt, würde hier eine Unsauberkeit das Gesamtbild zerstören, wie wohl bei keinem Konzert, das ich besucht habe. Denn es ist ein perfektes Konzert. Ich habe nie zuvor ein ästhetischeres Setup gesehen. Alles, aber wirklich alles ist aufeinander abgestimmt und passt himmelschreiend gut zusammen. Das fing vor dem Konzert mit den Videosequenzen an und hört mit dem eher unspektakulären, leicht verhuschten Abgang der Musiker nach gut 80 Minuten auf. Vielleicht ist alles schon ein bisschen zu glatt und zu perfekt.
Das Bühnenlicht in weiß und weiß ist auf die farblosen s/w Videosequenzen, die bei jedem Song im Hintergrund aufflimmern, abgestimmt. Die Band trägt schwarz und steht ruhig über die gesamte Bühnenbreite verteilt. Links sitzt der Schlagzeuger, daneben der Keyboarder, es folgen Sänger und Gitarrist Greg Gonzalez sowie der Bassist. Farbiges suche ich vergeblich. Hektik auch. Alles ruht in sich. Mollstimmung in Bild und Ton. Hätte ich an diesem Abend Herzschmerz, wahrscheinlich hätte ich das gesamte Konzert über Tränen in den Augen gehabt. Vor Rührung, vor Traurigkeit. Vor Melancholie. Soviel Sanftheit, soviel Harmonie habe ich noch nie auf einem Konzert erlebt.
Einfühlsam und verständnisvoll, so klingen bei mir Cigarettes after sex Songs: alles ist Kacke, aber alles wird gut.
Oder wie es anfangs auf der Videoleinwand stand:

Everything is wrong, but it’s okay.

Ich bin begeistert!

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