Ort: De Singer, Rijkevorsel
Vorband: Georgio Valentino

Blaine L. Reininger - Rijkevorsel, 25.04.2025

De Singer is a club in Rijkevorsel with an exciting offer of rock, jazz, classical, stand-up comedy, …

steht auf der Homepage. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches, ungewöhnlich wird es jedoch, wenn man den Konzertsaal in Rijkevorsel besucht. Das de Singer liegt mitten in einem Wohngebiet, in zweiter Reihe an einer Verkehrsstraße. Von der Straße aus weist nur ein kleines, rundes Schild auf das de Singer hin. Wir haben es beim Vorbeifahren mehr als einmal übersehen. Dann geht man einen Weg zwischen zwei Grundstücken entlang und steht unvermittelt vor einer grauen Tür. Links und rechts von dem Gebäude – das aussieht wie eine ehemalige Hinterhofscheune oder eine größere Gartenlaube oder eine langgezogene Garage – sind Blumenbeete und Rasen. Man steht in einem Garten.

An der grauen Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift ‘de Singer’ und ein zweites mit dem Hinweis ‘Einlass ab 19.30 Uhr’. Beim Anblick kommen erste Fragen hoch: Ist das Konzert ein privates ‘Wohnzimmerkonzert’ oder besser Gartenlaubenkonzert? Spielen sie in einer Gartenlaube vor lauter Freunden und Bekannten und wir sind die einzigen Fremden? Sind wir hier überhaupt richtig? Weit und breit ist niemand zu sehen.

Das de Singer in Rijkevorsel irgendwo in der belgischen Provinz nahe der niederländischen Grenze ist sicherlich einer der skurrilsten Konzertorte, die ich bisher besuchen durfte. Er liegt mitten im Wohngebiet der kleinen Stadt, in sogenannter zweiter Straßenreihe.

Frank (@spiralstairs.bsky.social) 2025-04-30T17:52:04.674Z

Natürlich sind wir viel zu früh. Also machen wir noch einen Abstecher in den Ort. Rijkevorsel liegt im Norden Belgiens, direkt an der niederländischen Grenze und im Dunstkreis der Stadt Antwerpen. Im Vergleich zu seinen niederländischen Nachbarorten hat der Ort auf den ersten Blick wenig zu bieten. In Zundert steht das Geburtshaus Vincent van Goghs, in Hoogstraten ist die Brauerei Sterkens ansässig (Hoogstraten Poorter). Wir fuhren auf unserem Weg von der niederländischen Küste durch diese Ortschaften, stoppten kurz bei van Gogh und aßen landestypisch einen Abendsnack. Gut, dass wir das nicht für Rijkevorsel eingeplant hatten, die Frituren der Stadt waren allesamt geschlossen.
Nach unserer Rückkehr stehen zwei Autos mehr auf dem Parkstreifen gegenüber und drei schwarz gekleidete ältere Männer laufen uns über den Weg. Okay, wir sind nicht die einzigen Gäste im de Singer.
Groß ist die Überraschung, als wir gegen viertel vor acht die graue Tür öffnen. Ein längerer Gang führt in einen Konzertsaal mit Bühne, Bar und Stehtischen. Wow, das hätte ich nach dem äußeren Schein nicht erwartet. Licht- und Soundanlagen sind professionell, die Getränkepreise eher im non-profit Bereich angesiedelt. Haben sich hier eine Handvoll Leute ihren Kindheitstraum von einem eigenen Konzertsaal erfüllt? Es fühlt sich ganz so an. 200 Leute passen in den Saal, lese ich. An diesem Abend sind es etwa 50, die Blaine L. Reininger und sein Partner Georgio Valentino erleben wollen. Das Konzert ist eine willkommene Ergänzung des Antwerpener Kurztrips, der am gestrigen Abend das Sun Kil Moon Konzert und im Laufe des Tages einen Ausflug an die Nordseeküste und zum Vincent van Gogh Geburtshaus brachte. Noch weiter zurück betrachtend ist es auch ein guter und schlüssiger Abschluss der Konzertwoche, die uns drei herausragende Songwriter und Sänger bescherte (Blaine L. Reininger, Mark Kozelek und am Montag auch Michael Gira). Und überdies: Warum für sein Oberhausener Konzert Tage zuvor 40 Euro für ein Ticket zahlen, wenn man in Rijkevorsel regulär eines für 20 Euro bekommt.

Im Saal selbst warten bereits acht Leute. Es ist eine familiäre, gemütliche Atmosphäre. Von Band läuft Konsensmusik, die in meinen Ohren heutzutage altbacken klingt: Bauhaus, The Mission, Siouxsie and the Banshees. So wirklich kann ich die damaligen Independenthits wie „Love like blood“ oder „She’s in parties“ heute nicht mehr uneingeschränkt gut finden.
An den Seitenwänden des Saals ist ein kleiner Vorsprung eingebaut, auf dem man sitzen kann. Die Bühne ist ungefähr 50 cm hoch, der Saal in zwei Ebenen unterteilt. Im hinteren, leicht erhöhten Bereich sind eine Theke und Bar eingebaut.

Blaine L. Reininger ist bekanntermaßen der Sänger und Mitbegründer der amerikanischen New Wave Band Tuxedomoon. Ich sah ihn zuletzt beim Film Festival Cologne, als er als Ehrengast bei der Filmpräsentation der Dokumentation Freispiel zusammen mit Rainer Dahmen im Nachgang ein paar Songs spielte. Auch Tuxedomoon sah ich schon. … spielten sie in Heerlen ein Albumkonzert ihrer 1979 erschienenen Debütplatte Half Mute. Damals war auch schon Georgio Valentino als Vorband dabei. Genau wie an diesem Abend. Sechs oder sieben Songs spielt er solo an der Gitarre, bevor er ein paar Minuten später zusammen mit Blaine L. Reininger die Bühne erneut betritt.

Blaine L. Reininger spielt 14 Songs. Anfangs mit Gitarre, dann mit Violine und abschließend wieder mit Gitarre. Begleitet wird er an der Gitarre von Georgio Valentino, die dieser nur einmal, für den letzten Song, beiseitelegt. Obwohl er in den 2020er Jahren mit Wounds and Blessings und Ocean Planet zwei Platten veröffentlicht hat, steht kein Song aus diesen Alben auf der Setlist. Stattdessen spielt er erst Songs aus seiner Brüsseler Phase und später Tuxedomoon Material. Ich glaube, kein Song ist neuer als 1989. Die Songs sind also allesamt Klassiker und das Publikum ist im Klassiker Alter. Klar, denn welcher Twen hört heutzutage Tuxedomoon? Eben.
Ich kenne anfangs nichts. Aber eine Melodie kommt mir bekannt vor. Spielte er „Broken fingers“ nicht auch im Kinosaal in Köln? Ich erinnere mich richtig, wie eine Nachrecherche ergibt. Nach dem Brüssel-Block spielt Blaine L. Reininger noch ein paar Solosachen, bevor er zu Tuxedomoon Songs wechselt. Natürlich dürfen die großen Hits der Band nicht fehlen. „Volvo Vivace“, „What use?“ und „No tears“ kommen dann auch in der Reihenfolge ihres Hitgrades. Der Spannungsbogen steht also, auch wenn ihn im Saal niemand benötigt. Es ist auch so unterhaltsam und kurzweilig genug und sicherlich kennen die meisten sowieso alle alten Songs. 

Es ist ein schönes, aber auch ein relativ kurzes Konzert. Um kurz nach 22 Uhr und einer guten Stunde Spielzeit verabschieden sich Blaine L. Reininger und Georgio Valentino zum letzten Mal. Ich fühlte mich gut unterhalten und hatte eine schöne Zeit. Aber ehrlich: 40 Euro wären ein zu happiger Preis gewesen. In diesem Rahmen und zu diesen Bedingungen dagegen war es eine gelungene und preislich akzeptable Sache. Und ich habe mit dem de Singer meine bisher skurrilste Konzertlocation kennengelernt.

Setlist:
01: Night Air
02: Mystery and confusion
03: Un café au lait for Mr. Mxyzptlk
04: Broken fingers
05: Birthday song
06: I am an old poem
07: Japanese dream
08: I inhabit the dunes
09: Incubus (Blue Suit)
10: Volo Vivace
11: Jinx
12: What use?
13: No tears
Zugabe:
14: Litebulb overkill

Kontextkonzerte:
Blaine L. Reininger & Jürgen Dahmen – Köln, 23.10.2021 / Filmpalast
Tuxedomoon – Heerlen, 23.05.2016 / Nieuwe Nor

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