Ort: Gloria, Köln
Vorband:

Band of Horses

Mein letztes Band of Horses Konzert fand vor einigen Jahren in der Kölner Kulturkirche satt und es war nicht mehr und nicht weniger als das Konzert meines Lebens. Der Abend war ein ganz großer Glücksmoment, ein Augenblick, in dem alles passte. So schön wie damals, so anrührend und emotional kann kein anderes Konzert jemals werden. Band of Horses haben  an diesem Abend die Messlatte so hoch gelegt, dass es sie nie mehr übersprungen werden kann. Nicht bei einem weiteren Band of Horses Konzert, nicht bei einem anderen Konzert.
Nach diesem Abend hatte ich eigentlich mit den Liveauftritten der Amis abgeschlossen. Aber wieso nur mit Band of Horses Konzerten? Das ergibt doch keinen schlüssigen Sinn? Richtig, aber die konsequente Umsetzung, nie mehr überhaupt nur ein Konzert zu besuchen, erschien mir zu übertrieben. Aber sich diesen schönen Eindruck durch weitere Band of Horses Konzerte zu versauen, das war eine Option, die ich annahm. Auf gar keinen Fall wollte ich von einem  weiteren Konzert der Band enttäuscht werden, um hinterher neunmalklug sagen zu können, oder gar sagen zu müssen: weißt du noch, damals? Das brauchte ich doch eigentlich nicht. Eigentlich…

Aber der Teufel ist ein Eichhörnchen und über die Zeit relativiert sich so manche Ansicht. Nicht, dass ich jetzt nicht mehr der Meinung wäre, das Konzert meines Lebens sei ein ganz anderes. Ohh nein, aber die Sache mit dem ‘Eindruck versauen‘, nun ja, das ist doch Unsinn. Also kaufte ich ein Ticket, also fuhr ich ins Gloria. Denn Band of Horses sind eine tolle Band!

Seit 2010 hat sich vieles bei den Horses getan. Ein Livealbum erschien, auch ein Coveralbum. Beides schreit nicht unbedingt nach neuen Songideen und Songschreiberreichtum. Normalerweise machen Bands solche Veröffentlichungen, wenn sie keine Ideen für neues Material haben oder sich mit der Plattenfirma verkracht haben. Bei der Band of Horses schien ersteres der Fall zu sein, sagt das Internet. Aber das ist Vergangenheit, mittlerweile liegt ein aktuelles Album (Why are you OK?) vor. Nach vier Jahren war es auch irgendwie an der Zeit.
In der Zwischenzeit, also in der Zeit nach der der Infinite Arms Tour, sah ich die Band genau einmal. Und das da, wo ich es überhaupt nicht erwartet hatte: Im Fernsehen. Im Episodenfinale der vierten Staffel der weltbesten amerikanischen Comedyserie Veep.
Auf der Wahlkampfveranstaltung Selina Meyers um die US-Präsidentschaft treten The Band of the Horse, wie sie von Jonah Ryan (Mitarbeiter im Wahlkampfteam von Selina Meyer) trotz mehrmaligem Verbessern des Bandnamens durch ihren Sänger Ben Bridwell genannt wird, mit einem Song auf. Eine kleine Randnotiz, die ich amüsiert zur Kenntnis nahm.

Das Konzert im ausverkauften Gloria lag zwischen Festivalauftritten und einem Beck Support in Berlin zwei Tage später. Es war die einzige Clubshow, die die Band of Horses in diesem Sommer in Deutschland spielt. Entsprechend war das Gloria ausverkauft und die Stimmung vorfreudig.  Auch bei mir, denn ich hatte erst vor einigen Wochen Band of Horses wiederentdeckt und war neugierig darauf, was sich seit meinem letzten Konzertbesuch bei der Band getan hat und gespannt darauf, wie die neuen Stücke klingen. Das Feuilleton schreibt über das neue Album:

Es gibt fast keine Widerhaken in dieser Musik, die sanften Harmonien, die Gitarrenzupfer, die hohen Männerstimmen, all das ist angerichtet für eine Reise aus dem Alltag hinaus, in die Vergangenheit, die Natur, in einen verborgenen Winkel der eigenen Seele. Das hat etwas Eskapistisches und Versöhnliches, zweifellos, und könnte unerträglich seicht wirken, wenn nicht überall die Spuren vergangener Kämpfe zu erahnen wären. Ruhe und Frieden sind auch eine Folge von Erschöpfung: Wir sind OK, das Schlimmste ist überstanden. Dabei sah es nicht immer danach aus, und wie wir es geschafft haben, wissen wir heute auch nicht mehr. Vielleicht haben die Lieder ein bisschen geholfen.

Drei neue Songs bildeten die Eröffnung, da war die Sache mit dem ‚sich einen Eindruck von den neuen Songs machen‘, schnell Programmpunkt. insgesamt spielten Band of Horses 8 oder 9 Stücke von Why are you ok?. Mir gefallen die Sachen, der mehrstimmige Gesang, die musikalische Breite von Indierock bis Americana. Band of Horses erfinden sich auf Why are you ok? sicher nicht neu, dies mein Eindruck. Dass ich auf Anhieb kein neues „Detlef Schrempf“ hörte, ist nicht überraschend, wenn ich bedenke, dass „Detlef Schrempf“ ein Welthit ist und Welthits nicht von Bäumen fallen.
„Detlef Schrempf“ ist der weltbeste Basketball Song ohne Basketballbezug. Oder vielleicht doch mit Basketballbezug? Das Internet munkelt, dass der Song im Zusammenhang mit dem Vereinswechsel von Detlef Schrempf nach Portland zu sehen ist. Der Basketballer spielte damals bei den Seattle SuperSonics, und da die Rivalität zwischen Seattle und Portland groß ist, war die Band, die aus Seattle stammt, entsprechend enttäuscht über diesen Wechsel eines der größten Basketballspieler aller Zeiten. „Detlef Schrempf“ ist einer meiner Allzeitfavoriten.

„Detlef Schrempf“ kommt zur Zugabe, oder besser gesagt, nach einer kleinen Zigarrettenpause, die die Band nach gut 80 Minuten Spielzeit für 5-6 Minuten einlegt. Alle Musiker haben die Bühne verlassen, um etwas zu trinken und ein bisschen zu rauchen, wie Ben Bridwell ankündigte. Das Saallicht bleibt unterdessen aus, Musik vom Band gibt es keine. Nach der Pause kehren sie mit „Detlef Schrempf“ zurück, einem ‘song about someone who lives down the street‘, und läuten den überragenden Schlussteil des Konzertes ein. Neben dem Basketballsong spielen sie noch „Cigarettes, Wedding Bands“, „Ode to LRC und abschließend „Funeral“. Toll! Ein mehr als würdiges Finale für dieses famose Konzert und ein verdammt gutes Gespür dafür, dass die alten Sachen herbeigesehnt werden. Cease to Begin und Everything all time erfuhren während des Konzertes ihre berechtigte Würdigung, denn schon zuvor wurden „The great salt lake“, „Is there a ghost”, „No one’s gonna love you” ordentlich laut vorgetragen.

Ordentlich laut, weil ich etwas erstaunt war über die rockige Ausrichtung der Band. Damals in der Kulturkirche klangen die Songs getragener, ruhiger, mit mehr Orgel und Pedal-Steel-Gitarre. Dem Ort angemessen sakral und demütig. An diesem Abend dominieren die Gitarren, die Pedal-Steel-Gitarre tauchte nur im ersten Song „Dull times“ auf. Die Orgel, gespielt von Ryan Monroe, nur dann, wenn es notwendig wird. Die ruhigeren Stücke wie “No one’s gonna love you” hatten sie, aber sie bremste die Geschwindigkeit nicht, sie beschleunigte die Stücke. Das war anders als damals in der Kulturkirche. Dort hatte ich den eher umgekehrten Eindruck. Auch kam der ruhigere Grundton der hohen Stimme Ben Bridwell mehr entgegen. Ich mag den Gesang von Ben Bridwell. Seine Stimme klingt zerbrechlich, desaströs und passt wunderbar zu den eher melancholisch-traurigen Texten. Im Gloria allerdings versickert sie manchmal zwischen den lauten Gitarren und auch die schnellere Interpretation einiger älterer Songs ließ den Gesang nicht so klar zum Vorschein kommen. Dies jedoch nur eine Beobachtung, nicht mehr. Schlechter wurden dadurch die Songs natürlich nicht. Nur eben anders.
„Is there a ghost“ mutierte förmlich zu einem riesigen Kracher. Erst kürzlich hatte ich den Song auf einer Autofahrt wiederentdeckt, ihn laut mitgesungen. Dabei bemerkte ich, wie wenig Textwissen man dafür haben muss,  besteht „Is there a ghost“ doch nur aus drei Textzeilen. Live hat sich eine kleiner Dinosaur Jr. Part in die Gitarren des Songs geschlichen. Ich höre Sequenzen von „Feel the pain“. Für Bruchteile von Sekunden. Ich habe nichts dagegen. Ein Riesenhit!
Ein Riesenkonzert!

I could sleep
When I lived alone
Is there a ghost in my house?

Kontextkonzert:
Band of Horses – Köln, 14.04.2010 / Kulturkirche

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