Ort: YUCA, Köln
Vorband:

Isaac GracieIsaac Gracie lernte ich letzten Sommer beim Reeperbahnfestival in Hamburg kennen. Dort war er musikalischer Gast bei Ray Cokes Nachmittagsmusiktalk, was bedeutete, dass er zwei oder drei Lieder spielte. Also Isaac Gracie, nicht Ray Cokes. Letzterer scherzte nur umher. Eines davon war ein wunderbares Nirvana Cover, ein anderes „Terrified“. An das dritte erinnere ich mich nicht mehr.
Sowohl Cover als auch die eigenen Songs blieben mir so stark im Gedächtnis (ein Wunder bei der Vielzahl neuer Eindrücke, die ich auf dem Reeperbahnfestival sammeln durfte), dass ich den jungen Mann aus London in den nächsten Monaten im Auge behielt. Weitere Konzerte (nicht in meiner Nähe), eine Albumveröffentlichung und wieder Konzertankündigungen, so sein Programm. Dieses Mal waren die Konzerte erreichbar: erst Maastricht, dann Köln. Ich entschied mich für Köln.

Freitags nach Köln ist nervig, da gefühlt jeder Vorstädter den Abend in der großen Stadt verbringen möchte. Der Zug ist voll, die Menschen in zu enthusiastischer Wochenendstimmung. Mir gefällt das nicht so, da bin ich ehrlich. Angenehmer finde ich da diese Art von Müdigkeit, die sich wochentags an Abenden in den Zügen breitmacht, wenn die Pendler nach getaner Arbeit nach Hause fahren. Jeder ist für sich, liest ruhig im Smartphone und gut ist. Hibbeligkeit und zugfüllende Gespräche gibt es dann nicht.
Also zum zweiten Mal in dieser Woche Ehrenfeld. Dieses Mal ist mein Ziel die andere Straßenseite. Das Konzert findet im Yuca, einem kleinen gemütlichen Club unterhalb der Eisenbahnlinien, statt. Das Yuca ist ein bisschen größer als das Bumann & Sohn auf der anderen Seite, allerdings kleiner als der Club Bahnhof Ehrenfeld, der direkt nebenan im nächsten Eisenbahntorbogen liegt. ‘This is the nine fifteen‘ wird Isaac Gracie später sagen. Unten im Gewölbe hört und spürt man die abfahrenden Züge. So wie früher im alten Wartesaal unterhalb des Hauptbahnhofs.

Das Yuca ist knapp zur Hälfte gefüllt, junges Publikum im Alter des Musikers bevölkert die ersten Reihen. Hinten oder an der Bar stehen die Älteren. Isaac Gracie kommt in knallroten Hochwasserhosen, Obelixhosen sagt man wohl dazu. Auf der Bühne stehen eine akustische und eine elektrische Gitarre. Dies sei nach längerer Zeit seine erste Tour, er sei also etwas außerhalb der Routine. Außerdem hätte er die letzten Liveauftritte mit Band absolviert, noch ein Umstand, den er anfangs ins Rennen wirft. Man solle also nicht verwundert sein, wenn etwas nicht klappt und die Griffe nicht so flutschen. Eine Setlist hätte er sich geschenkt, er würde einfach die Ongs spielen, die ihm so in den Sinn kommen. Oder eben Wünsche, man möge sie doch ruhig hineinrufen.

Neben den beiden Songs „Terrified“ (was ihm relativ früh in den Sinn kam) und „Silhouettes of you“, den kleinen Hits des Briten, spielte er auch ältere Sachen aus der Zeit vor seinem Debütalbum. Isaac Gracie (das Album) erschien vor einigen Tagen. Ich finde, es klingt sehr unterschiedlich. „The death of you and i“ oder „Last words“ mal so als Beispiel. Ich finde man merkt, dass die Songs den Output von Isaac Gracie über die letzten Jahre darstellen. Live ist es dann so: Mal schwingt ein bisschen Dean Martin in seiner  Stimme, mal bemühte er ein paar Chris Isaak Referenzen. Wenn er die E-Gitarre zur Hand nahm, wurde es naturgemäß rockiger, lauter. Vielleicht auch grungeiger („All in my mind“), mit der Akustikgitarre dagegen – auch logisch – ruhiger und romantischer und es gingen mehr Mobiltelefone in die Höhe. Isaac Gracie macht in diesen Augenblicken einiges ganz schön richtig.

So klampfte er sich durch die gute Stunde Konzert, erzählte ein paar Geschichtchen und wirkte bei allem Tun recht bühnenerfahren. Natürlich hat das Konzert ein paar längen, nicht alle Songs gefallen mir gut. Aber aus irgendeinem Grund driftet es nie so richtig in die Langeweile ab.

Nach zwei Zugaben ist das Konzert vorbei. Isaac Gracie schreitet schnurstracks durch den Saal nach draußen, begleitet von zwei Kumpels. Zwei Minuten später sind sie einige von vielen Ehrenfeldpartypeople, die die Straße entlang flanieren. Auf der Suche nach was zum Essen, auf der Suche nach dem nächsten place-to-be. Der Konzertauftritt schien da schon ganz weit weg.

Kontextkonzerte:
Isaac Gracie – Reeperbahnfestival Hamburg, 22.09.2017

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