Bands: Wildes, J. Bernardt, Owen Pallett & stargaze, Junius Meyvant
Der Elbphilharmonietag.
Als ich vor Wochen das Festivalticket kaufte war auch ein Grund für den Kauf des Vier-Tages-Tickets der, dass im Preis ein Konzert in der Elbphilharmonie enthalten ist. Zur Auswahl standen Dillon, Owen Pallett & stargaze oder Daniel Brandt & Eternal something. Da gab es kein langes Zögern: Owen Pallett, den ich bisher eher als Langweiler einstufte, könnte in der Philharmonie gut funktionieren. Vielleicht zu gut, um das zu verpassen. Also: Owen Pallett & stargaze waren für den Samstag gesetzt. Ohne Wenn und Aber. Komme dazwischen, was da wolle.

Nachdem der Zeitplan veröffentlicht wurde war klar, es kommt eine Menge dazwischen. Die Elbphilharmonie war mir wichtig, auch wenn sie mir die An- und Abfahrt viele andere Konzerte raubte. Da ich gerne ohne Stress und mit genügend Zeit vor Ort sein wollte, um mir die Philharmonie in Ruhe anzusehen, bedeutete dass, den Portugal.the man Auftritt auf der kleinen N-Joy Bühne sausen zu lassen und sich zeitig auf den Weg zur Elbphilharmonie zu machen. Und dieser Auftritt war nicht das einzige Konzert, das daran glauben musste. Auch sämtliche Slots um 23 Uhr konnte ich beruhigt sausen lassen. War das Festival am Freitag schon voll, so war es an diesem Samstag noch voller. Das spürte ich schon am frühen Nachmittag. Somit war rasch klar, dass, wenn es gestern schon closed doors von fast allen Klubs auf Twitter zu lesen gab, es heute Abend nicht leichter sein würde, irgendwo kurzfristig hineinzukommen. Portugal.the man im Docks, Beth Dito in der großen Freiheit, Everything everything im Übel und gefährlich, Isolation Berlin auf der MS Claudia, ich konnte das getrost knicken. Vielleicht geht noch die St. Michael Kirche, in der – allerdings auch eine halbe Stunde später – ein witziger Isländer Namens Junius Meyvant auftrat. Und ja, das ging noch und so bildete das Konzert nach der Philharmonie den Reeperbahnabschluss.

Doch vor dem Abend kommt der Nachmittag. Standesgemäß möchte ich fast sagen, ab ins Molotow. Denn irgendwie verschlägt es mich jeden Tag nachmittags  im Molotow und schlecht war es dort die letzten beiden Tage keineswegs. PIAS und FKP Scorpio veranstalteten ein Music BBQ, das klang interessant und ich probierte es aus. Ich war mir zwar nicht sicher, ob nur Delegierte oder auch das gemeine Festivalvolk daran teilnehmen durften, aber nachdem ich am Molotow mit meinem grünen Bändchen nicht abgewiesen wurde, war die Antwort: nein, bzw. ja, Eintritt für alle, BBQ nur für Delegierte. Auf meinem Zettel hatte ich mir zwei Namen notiert, die ich unbedingt sehen wollte: Wildes und J. Bernardt.
Klaus Fiehe war, wie übrigens jeden Nachmittag, auch vor Ort und übernahm an diesem Tag die Anmoderation der Künstler. Wildes hätte ihn schon auf dem Haldern-Pop und noch irgendwo beeindruckt, ihr Sound sei so ruhig und verzaubernd, dass er hoffe, dass die Londonerin auch uns im Molotow verzaubern möge. Und ja, sie tat es. Auf wunderbarste Art und Weise. Über J. Bernardt wusste Klaus Fiehe nach einem kleinen Exkurs, was man in Gent alles sehen und besuchen müsse (J. Bernardt stammt aus der belgischen Stadt Gent), folgendes zu berichten: Wie die Belgier das so machen, so würde auch J. Bernardt seine Dance Grooves mit ein bisschen Melancholie und Dunkelheit verbinden.Spätestens beim zweiten Song „Rainy days“ wurde mir klar, was Klaus Fiehe meinte, als er das sagte. Der belgische Indie hat eine gewisse Art, ein eigenes Merkmal, dass genau hierin liegt: Die Songs klingen immer nach Melancholie. Auch dEUS oder BRNS und Girls from Hawaii haben sie in ihren Songs, wenn ich ein bisschen darüber nachdenke. Man muss nur genau hinhören. Bernardt spielt in der gleichen Liga wie die genannten Bands, auch wenn er bei uns noch nicht so bekannt ist. Bekannter ist vielleicht seine Band Balthazar. Die macht gerade eine Pause und lässt so ihren Musikern Zeit für Soloprojekte.

Modeeinschub: Auf den Versenklappen seiner schwarzen Nike hat der Belgier seinen Namen in goldenen Buchstaben einsticken lassen. Links steht ‚J.Ber‘, und auf der Versenkappe des rechten Schuhs ’nardt‘. Mehr als fünf Zeichen fanden wohl pro Schuh keinen Platz. Haha, Glück gehabt! Die Stickerei käme jedoch noch besser zur Geltung, wenn die Schuhe nicht ganz so abgewetzt wären.

„Rainy days“ ist ein großartiger Song. Und alles andere von J. Bernardt verdammt gut. Ich brauche die Platte, und auch die von Wildes. Die junge Engländerin hätte ich insgesamt viermal auf dem Reeperbahnfestival sehen können, ich schaffte er aber erst am letzten Tag im Hinterhof des Molotows. Doch besser einmal als keinmal, und bei Wildes bin ich sehr froh darüber, dass es zumindest einmal geklappt hat. Ihre Songs hängen irgendwo zwischen der jungen Cat Power, Mazzy Star und Daughter. Erst alleine nur mit E-Gitarre, später mit Keyboardunterstützung betsritt sie ihr gut halbstündiges Konzert. Der Hinterhof füllte sich nach den ersten Klängen rasch, Wildes schienen an diesem Nachmittag nicht nur mich direkt anzusprechen und zu vereinnahmen. Ich weiß gar nicht, ob es schon ein Album von ihr gibt, falls ja, her damit!

Und dann auf zur Elphi.
Die Elbphilharmonie in Ruhe auf sich wirken zu lassen, war eine gute Idee. Wir besuchten die Außenterassen, die rund um das Gebäude verlaufen und einen tollen Blick bieten  und ich schaute mich im Inneren in Ruhe um. Das Gebäude ist imposant und schön, keine Frage. Und für Hamburg als Konzertort eine enorme Bereicherung, wenn ich daran denke, wer – seitdem die Elbphilharmonie da ist – nun alles Konzerte in Hamburg gibt.

Owen Pallett kommt mit Streichern und ohne Schlagzeuger. Mal mit Geige, mal mit Gitarre spielt er seine Songs, von denen ich keinen einzigen kenne. Owen Pallett war mal Teil von Arcade Fire, mehr weiß ich effektiv nicht über den Kanadier zu erzählen. Jetzt kann ich immerhin berichten, dass sein Konzert in der Elbphilharmonie grandios war und seine sanften Songs wunderschön sind. Sein Geigenspiel, die Streicher im Hintergrund, die ruhige Indiegitarre, die Aufgeräumtheit der mitunter langen Songs, all das wirkte sehr faszinierend auf mich. Wie Pallett mit seiner Loopstation und seinen Instrumenten Sounds kreiert ist schon sehr beeindruckend. Auch wenn er sich im Laufe des Abends zweimal vertippte und die jeweiligen Songs neu ansetzen musste. Ach, Perfektion ist auf Konzerten nicht wichtig.Sein stargaze Ensemble dirigierte er akkurat durch das Set, in dem er keine Pausen zwischen den Songs zuließ. Song an Song reiht er aneinander, Applaus gibt es nur am Ende. Dafür aber umso mehr und umso länger, so dass er noch für drei Zugaben alleine auf die Bühne der Elbphilharmonie zurückkehrt.

Es war ein lohnenswerter Besuch, vielleicht das beste und schönste Konzert des gesamten Festivals. Also für mich. Für den Typen eine Reihe vor mir schien es eher ein langweiliges Konzert zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, wie man während des gesamten Owen Pallett Konzertes auf seinem Handy Quizduell spielen kann, ohne auch nur einmal in Richtung Bühne zu blicken. Warum macht man sich auf den Weg von St. Pauli, wenn man das Konzert gar nicht sehen will? Überdies regnete es draußen nicht und die Notwendigkeit, sich im trockenen Saal der Philharmonie aufzuhalten, um den Regenguss abzuwarten, bestand nicht.

Was bleibt von meinem ersten Reeperbahnfestival?
Nun, erst einmal der Eindruck, dass das Reeperbahnfestival ein sehr zeitraubendes Festival ist. Wenn man möchte, kann man von 13 Uhr bis tief in die Nacht nonstop Konzerte sehen. Man würde dann aber Essen, das interessante Kinoprogramm und den ein oder anderen Nebenschauplatz wie z. B. Ray’s Reeperbahn Revue verpassen.
Die Vielfalt des Festivals ist also erdrückend, Entscheidungen müssen getroffen werden und man darf sich nicht ärgern, etwas zu verpassen. Den Überblick zu behalten ist bei dem Angebot an Veranstaltungen schlicht unmöglich. Und man verpasst definitiv etwas. Eine gute Vorbereitung schadet auch nicht. Das Reeperbahnfestival ist ein Newcomer Festival, viele Bands kannte ich nicht und von anderen hatte ich noch nie etwas gehört. Da war also vor Festivalbeginn viel durchhören und informieren angesagt. Eine Sache, die mir eigentlich nicht so viel Spaß macht. Aber ich hatte das, was man bei einem Reeperbahnfestivalbesuch unbedingt mitbringen sollte: Neugierde. Neugierde auf neue Bands und Lust auf viele Musikrichtungen. Und ich war neugierig und hatte wohl auch zufällig bei dem einen oder anderen Konzert den richtigen Riecher, so dass ich ausnahmslos spannende Künstler sah. So wurde das Reeperbahnfestival eine für mich eine gelungene Veranstaltung, auch wenn ich viele Bands nicht sah (wegen Überschneidungen) oder nicht sehen konnte (wegen voller Klubs). Am Ende des Tages war mir das jedoch wurscht, denn es gibt so viel zu sehen, dass mir nicht langweilig wurde. In diesem Sinn, nächstes Jahr gerne wieder, Hamburg!

Kontextkonzerte:

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