Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Liam Gerner

Die erste Überraschung erlebe ich zwei Tage zuvor. Auf der Homepage des Gebäudes 9 ist zu lesen, dass das Konzert ausverkauft sei. Das erstaunt mich, denn ich hätte Amys Bekanntheitsgrad außerhalb des britischen Eilandes nicht so hoch angesetzt. Das Debüt-Album ist hierzulande noch nicht lange auf dem Markt, sie hat keine „Foundation“ ähnliche Single auf Dauerrotation im Hörfunk. Gut, in England steht ihr Album auf Platz 2 der Charts, aber England ist weit. Woher kennen die Menschen nun Amy Macdonald?
Zum Beispiel aus dem Vorprogramm der letztjährigen Paul Weller Akkustiktour. Damals spielte sie – zumindest in Köln – gross auf und begeisterte nicht nur mit einer Killers Coverversion sondern mit ihrem gesamten halbstündigen Set. Oder zum Beispiel aus dem Internet und Itunes ‚Free single of the week‘ Werbeprogramm. Hier tauchte Mitte letzten Jahres „Youth of today“ als Gratis-download auf. Oder einfach aufgrund der Tatsache, dass sich gute Musik auch ohne Werbemaschinerie und Radiopräsenz verbreitet. Schön zu wissen.

Als ich um kurz vor neun am Gebäude 9 ankomme, wundere ich mich, dass keine Menschen im Innenhof stehen. Normalerweise ist es hier vor Konzertbeginn immer recht rege. Man wartet hier im Freien bis die Musik beginnt, denn in der Halle ist oft sehr schnell sehr dicke Luft, der man sich so spät wie möglich aussetzen möchte. Und begonnen hat der Abend auch noch nicht, es dröhnt nichts aus dem Gebäude. Im Vorraum das gleiche Bild, kaum jemand der hier rumlungert. Die Theke ist verwaist. Ist heute alles anders? Scheint so.

In der Halle ist es rappelvoll. Hier geht nichts mehr. Liam Gerner, ein australischer Singer- Songwriterpoet eröffnet den Abend. Er hat leichtes Spiel, musikalisch passt seines gut zu Miss MacDonald und nach wenigen Songs wird klar, dass er darüberhinaus ein guter Entertainer ist. Zwischen den Songs erzählt Liam kleine Dönekes. Der Auftritt lässt mich kurz an Olli Schulz in nicht ganz so albern denken. Das Gebäude 9 fühlt sich vom mann mit der Gitarre gut unterhalten. Bei seinen Songs ist es mucksmäusenstill im Publikum. Man könnte ein Handy vibrieren hören. Die höchste Anerkennung, die eine Vorband vom Publikum bekommen kann.
Um zwanzig vor zehn räumt Liam Gerner die Bühne, doch es scheint als würde er noch länger bleiben wollen. Vor dem vorletzten und letzten Song schaut er kurz nach links. Sagt ihm da eine Stimme aus dem dunklen Off: „Es reicht.“? Es sieht so aus.

Nun sind vier Rowdies an der Reihe. Da es keine Instrumente ab- und aufzubauen gibt, alles steht schon bereit, checken sie viermal die Mikrofone, prüfen dreimal jede Gitarre und sehen sehr beschäftigt aus, wenn sie immer wieder die Bühne verlassen um kurz danach mit nichts wieder auftauchen. Das wirkt sehr gross und Mainstagekompatibel und macht sich bestimmt besser bei T in the Park als auf der Bühne des Gebäudes 9. Obwohl noch voll im Umbaupausenzeitsoll wird das Publikum leicht unruhig und scharrt mit den Füssen. Alle sind sehr gespannt. Es liegt dieser typische Geruch von Vorfreude und ich-weiss-nicht-was-mich-erwartet in der Luft, der so oft bei Tourpremieren zu fühlen ist. Jeder hat eine Vorahnung, einen Traum von dem, wie die Künstler live auftreten. Hat man eine Band hingegen schon mal live gesehen, ist dieses Element nicht mehr so stark. Dann weiß man um die Bewegungen, kennt die Bühnenpräsenz.
Um kurz nach zehn hat das Warten ein Ende. Erst betritt ein Laptop die Bühne, kurz darauf die Band und Amy Macdonald.
Amy und Kollegen beginnen rockig. Zwei schnelle Songs stehen am Anfang, ehe zum ersten Mal entschleunigt wird. Hatte ich vom rockigen Beginn überraschen lassen, wirkte es nun vertrauter und kam mehr nach der Konserve. Was nicht heissen soll, dass das Rockige Amy nicht gut steht. Im Gegenteil, reine Singer-Songwriter Veranstaltungen ohne Tempo- und Lautstärkenwechsel sind eh etwas dröge, so freut es mich sehr, dass live der Sound mehr nach vorne ist als auf der CD. Selbstverständlich darf auch die Coverversion nicht fehlen, die mich seinerzeit hat aufmerksam werden lassen, der Killers „Mr Brightside“. Als diese in der Mitte des Sets gespielt wurde, musste ich nochmals kurz an die Autofahrt zurückdenken. Bei 1live scheint es eine neue Rubrik zu geben, „Verdeutschung bekannter Hits“ nennt sie sich. (Oder so ähnlich.). Die Kölner Wolke covern dort große Hits und geben ihnen deutsche Texte. Diesmal war „Today“ von den Smashing Pumpkins an der Reihe. „Ich brenne mir meine Augen aus, bevor ich rausgeh‘.“ Naja, das war nicht allzu schwer zu erraten, und ich hätte bestimmt gute Chancen gehabt und diesen abgekarterten Anrufgewinnspielen einen Lolli gewonnen.
Da habe ich im September schon länger geknobelt, bis ich Amy MacDonalds „Mr Brightside“ erkannt habe. Und vor allem, bis mir der Titel eingefallen ist. Es ist doch so, man hört ein paar bekannte Textzeilen, sagt sich „halt, das kenn ich doch“, sucht dann man nach der Melodie des Originals, und wenn man sie im Ohr hat, fällt einem doch partout der Titel nicht ein. Geschweige denn die Band.

Aber zurück nach 2008. Nach guten 45 Minuten verschwanden die vier Jungs und Amy von der Bühne. Wie ich es vermutet hatte, endete das reguläre Set mit „Let’s start a band“, diesem rasanten Stück, das zum Ende hin immer ausufernder wird. Da kann man sich noch einmal so richtig austoben. Der perfekte Schlusssong. Und um das andere Thema abzufrühstücken:
„Foundation“, na klar, der Kate Nash Vergleich darf nicht ausbleiben. Er passt ja auch ach so wunderbar: beide Mädels sind Anfang 20, beide kommen von der Insel, haben diese typische Seitenscheitelmädchenfrisur und sind do-it-yourself Künstlerinnen.
In Nuancen hinkt es aber gewaltig. Amy ist mehr Singer- Songwriterin. Bei ihr fliessen traditionelle Musikstrukturen ein. Manchmal meint man für ein zwei Takte ein schottisches Heimatlied zu hören.
Und während Kate Nash über Pickel, die erste Liebe, Boyfriends und gibbeligen Mädchenkram singt, heissen Amys Themen eher „was will ich im Leben“ („This is the life“), und drehen sich um mehr als den eigenen oder Freundeskreiskosmos (wie in „Footballer’s wife“).
Das lässt ihre Songs erwachsener und reifer klingen, und spricht damit scheinbar auch ein älteres Publikum an, wie im Gebäude 9 zu beobachten war. Kein Teenagerpublikum wie seinerzeit in der Kantine, eher das Mitt-/ Endzwanziger Publikum mit Peaks Richtung älter.

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