Noch so eine Herbstentdeckung aus dem letzten Jahr. „Post nothing“, das Debütalbum der Japandroids überrumpelte mich unvorbereitet. Noiserock von zwei Mann, Gitarre und Schlagzeug. Wuchtig. Ich höre Swervedriver Gitarren und denke an „…and you will know us by the trail of dead“ oder „At the drive-in“. „Post nothing“ ist Rockmusik der Jetztzeit. Dieser immer melodiös klingende Lärm ist nicht neu, keineswegs. Vor 20 Jahren gab es im weitesten Sinne erste Noiserock Attacken, seinerzeit unter dem Mantel des Alternative Rock verborgen. Helmet, zum Beispiel. Und noch einige andere…
Bands, die so was fabrizieren, können nur aus Nordamerika kommen. Ah, die Japandroids kommen aus Kanada, oh aus Vancouver. Genau, Brian King und David Prowse wohnen in Vancouver, der it- Stadt der nächsten Wochen.
“Will they find their way back home?“ Ach, bestimmt. Der Weg nach Vancouver ist ja derzeit überall ausgeschildert. Die Welt befindet sich in olympischer Vorfreude, Vancouver, der zentrale Ort der nächsten Tage, ist aus den Medien und den Flugplänen nicht wegzudenken.
Doch bevor am Samstag das olympische Feuer erglimmt, wir uns in die Regeln des Curlings und Skeleton vertiefen, ist ein bisschen Vancouver in Köln. Die Japandroids sind da, im Luxor.
Das Duo, das irgendwann im Rahmen erster Demoaufnahmen die Suche nach einem Sänger aufgegeben hat, vertreibt sich die vorolympische Zeit in Europa. * Oder mögen sie gar keinen Sport und befinden sich quasi auf der Flucht vor den Sporttouristen und den Wolf-Dieter Poschmann’s dieser Welt? Oder haben sie ihre Wohnungen vermietet und können die nächsten Wochen eh’ nicht zurück. Ich weiß es nicht, und eigentlich ist es auch egal. Also erst mal Europa begeistern, bitte.

* Ergänzung: Auch die olympische Zeit. Ihre Tour führt sie erst im April wieder in heimische Gefilde.

Grundsätzlich gilt: ein Konzert muss nicht lang sein, um ein gutes Konzert zu sein. Manchmal glaube ich, meine liebsten Konzerte sind die, die keine Stunde dauerten. Warum ich das erwähne, nun, ich erwartete von Brian King und David Prowse kein abendfüllendes Programm. Meine Schätzung ging auf ungefähr 50 Minuten. Dass die Japandroids ihr Set über knappe 70 Minuten ausdehnten, überraschte mich dann umso mehr. Eine Menge Zeit für eine Band mit nur einem Album im Gepäck; erst recht wenn man weiß, dass das „Post nothing“ gerade mal knappe 40 Minuten lang ist.
So peppten die Vancouveraner ihr Set durch zwei B-Seiten und einen alten, bisher nicht veröffentlichten Song auf. Wie viele Stücke sie spielten, kann ich nicht mehr nachhalten. Viele können es aber nicht gewesen sein, denn jeder einzelne dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Die schon auf dem Album nicht gerade kurz geratenen Häppchen wurden live noch um einige Minuten an druckvollem Gitarrenspiel ergänzt. Ich tippe auf zehn Songs, das könnte passen.
Das Konzert war so, wie ich es mir vorgestellt habe. Vor allem war es laut, ich glaube sogar, sehr laut. Leider war die Lautstärke nicht gut verteilt. Was die Gitarre zu viel ab bekam, hatte der Gesang zu wenig. Größenteils untersteuert versinken die Gesangsparts bei vielen Songs, Gitarre und Schlagzeug dagegen verschmelzen zu einem großen Klangbrei, der als Folge daraus leider weite Teile des Konzerts zu einer Einheitssuppe geraten ließ. Tontechnisch durchaus ausbaufähig, performancetechnisch dagegen sind die Japandroids on-top.
Gitarrist Brian King erinnerte mich an Lou Barlow in den 90ern. Die Art wie er Gitarre spielt kommt dem Sebadoh Frontmann sehr nahe. Vielleicht lag es aber auch an den lockigen Haaren und dem tief ins Gesicht fliegenden Pony, der mich zu diesem Vergleich animierte.
Vom Gesamtbild kam es einer Health Show sehr nahe. Kraftvoll, wuchtig, nach-vorn gehend. Die beiden machen Lärm für fünf. Ihre Hits haben sie klug im Set platziert, wie Bojen weisen “Heart Sweats“, “Crazy/Forever“ und “Sovereignty“ ihnen und uns die Richtung. Erste Boje ist als zweites Stück “The boys are leaving town“. Spätestens ab hier ist der Weg frei: weg, raus, fort. Weiter, immer weiter. Es macht Spaß zuzuschauen. Brian King ist ein erster Eyecatcher. Klar, er kann sich frei bewegen, er ist nicht an sein Mikrofon gebunden wie Bandkollege David Prowse an sein Schlagzeug. Er okkupiert die Bühne, macht und tut, verausgabt sich. In den Songpausen, in denen er seine Gitarre nachjustiert, wirkt er entsprechend kurzatmig.

Nach einer halben Stunde, die Japandroids haben gerade vier Songs gespielt, wird es merkwürdig. Ich merke, wie meine Konzentration nachlässt. Der diffuse Sound, die ungemein brummende Gitarre, die ungestümen Drums und die sich überschlagenden Stimmen scheinen mich zu überfordern. Es ist die Zeit um „Wet Hair“, in der ich gar nichts mehr weiß. Ist es nun ein famoses Konzert oder ist es ein missglückter Auftritt?
Hätte man mich gestern Abend im Zug auf der Heimfahrt gefragt, ich hätte mit “fürchterliches Konzert“ geantwortet. Heute jedoch glaube ich: es war ein famoser Abend, der noch lange nachhalten wird.
Japandroids Konzerte sind keine leichte Kost. Sie müssen erst sacken, damit man ihre Großartigkeit erkennt. Ja, ich glaube, dass ist es.
Beim nächsten Mal bin ich besser vorbereitet, dann weiß ich Bescheid.
Prädikat sehenswert.
„It’s raining in Vancouver – but I don’t give a fuck – ‚cause I’m far from home tonight.“

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Health – Köln, 17.10.2009

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