Ort: Club Volta, Köln
Vorband: Andreya Casablanca

Public Service Broadcasting - Köln, 12.11.2024

‚We take samples from old public information films, archive footage und propaganda-material and write new music around it.‘ Kurz zusammengefasst ist das die Herangehensweise von Public Service Broadcasting zum Schreiben von Songs.
Auf mittlerweile fünf Alben hat uns die Band unterrichtet und über Themen informiert. Angefangen mit der ersten Mount Everest Besteigung und den Grachtenrennen in den Niederlanden, bis zu den Konzeptalben The race for space (ist klar, worum es geht) und Every Valley (Steinkohleindustrie in South Wales) bis hin zu einer Art Hommage an die Stadt Berlin (Bright Magic). Das aktuelle Album The last flight stellt die Pilotin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart in den Mittelpunkt: Ihr Versuch im Jahr 1937, die Welt am Äquator  mit einer Lockheed Model 10 Electra zu umrunden, ist kurz vor dem Ziel gescheitert. In der Nähe der Insel Howland, im Pazifischen Ozean bricht am 02. Juli 1937 das Funksignal ab. Seitdem fehlt jede Spur…. Ich mag die Geschichten, die Public Service Broadcasting erzählen. Ich mag ihre Herangehensweise, ihre Sounds. Seitdem ich sie vor vielen Jahren im Vorprogramm von den Manic Street Preachers gesehen habe, bin ich Fan. Als Einstieg für Neugierige kann ich die Doppel-CD / DVD Live at Brixton nur jedem empfehlen. Allerdings sollte man sich im Klaren darüber sein, dass man danach die Band liebt.

Vor ziemlich genau einem Jahr sahen wir Public Service Broadcasting zum letzten Mal. Seinerzeit spielten sie an einem Samstagabend als letzte Band zum Abschluss des Primavera Weekenders im Robin Hood Resort in der Nähe von Benidorm gegen 0:30 Uhr. Für die Band war es ein chaotischer Ausflug, sie landeten erst am Abend und waren zwei Stunden vor Konzertbeginn in Benidorm, um direkt nach dem Konzert wieder zum Flughafen zu fahren. Grundsätzlich war es ein bescheidenes Jahr für Public Service Broadcasting. Sie spielten kaum Konzerte (‘keiner wollte uns buchen’, so J. Willgoose, Esq.) und ihr damaliges aktuelles Album Bright Magic wurde nicht der erwartete Verkaufsschlager. Beides schien ihnen ein bisschen nachzuhängen. J. Willgoose, Esq. machte im Funpark Robin Hood Resort keinen freudigen Eindruck. Und obendrauf noch dieser nächtliche Auftritt vor vielleicht noch 200 Leuten in einer 1000 Personen fassenden Halle. Es muss von der Bühne aus ein erschreckendes Bild gewesen sein. Aufgrund der knappen Anreise verzichtete die Band auf die üblichen Videoprojektionen und den ganzen technischen Schnickschnack um die Musik herum. Das machte die Stimmung natürlich nicht besser. Es fehlte das Besondere, ein großer Teil des Education Faktors ging verloren und in letzter Konsequenz war es dann nur noch ein Konzert wie jedes andere. Und das reichte damals nicht, um die verbliebenen Zuschauer voll in den Bann zu ziehen. Zu allem Überfluss war es in der Halle schon herbstlich kühl und kodderig. Umso gespannter war ich, wie es an diesem Abend in Köln sein wird. Und wie erwartet blieb ihr Benidorm Auftritt mein einziges Public Service Broadcasting Konzert ohne Visuals.

Wie bei ihren früheren Kölnkonzerten im Stadtgarten und Yuca ist eine kleine Leinwand im Bühnenhintergrund aufgebaut. Davor stehen viele Mikrofone, ein Schlagzeug und drei Keyboards. Material, das auch von der Vorband mitgenutzt wird. Den Support bestreitet Andreya Casablanca und Band. Die Sängerin kennt man vielleicht noch von der tollen Band Gurr. Die gibt es aber nicht mehr (oder sie machen eine Pause), so dass Andreya Casablanca seit einiger Zeit Solosachen macht und just ein Album veröffentlicht hat.

Klassische Garagerock-Gitarren treffen auf Linn Drum-Sounds, catchy Refrains und MTV-Dancepop anno 2000. »Ich höre viel Gitarrenmusik, aber auch Artists wie Grimes, Princess Nokia und Tyler the Creator. Ich bin immer noch riesiger Thee Oh Sees-Fan und liebe Gitarrenmusik, genauso wie krautigen Elektro oder Pop wie Dua Lipa und Lady Gaga.

Zudem hat sie bei den letzten beiden Public Service Broadcasting Alben als Gastmusikerin mitgewirkt. Ein Umstand, der sie später am Abend nochmal auf die Bühne bringt.
Andreya Casablanca und Band spielen yachtpopartige und gut tanzbare Musik. Manchmal mit ein bisschen mehr Gitarre, manchmal mit ein bisschen mehr Pop. 39 Minuten lang fühle ich mich so gut unterhalten, dass ich mir ihr neues Album See more glass quasi kaufen muss. Da der Club Volta ist früh gut besucht ist und Andreya Casablanca ein paar Entertainmentqualitäten besitzt, ist die Stimmung schnell auf einem hohen Level. Und Hunger hat sie auch. Während des Sets erkundigt sich nach guten Essensmöglichkeiten in der Nähe. Der Tipp Keupstraße wird dann auch gleich dankend und mit Vorfreude aufgenommen, um ihn ein paar Songs später schmunzelnd revidieren zu müssen: ‚Scheisse, ich muss ja gleich noch singen‘. Genau, Andreya Casablanca ist später noch bei zwei Public Service Broadcasting Songs fest als Sängerin eingeplant. (Bei „Blue heaven“ und „The fun of it“.)

Eine halbe Stunde später stehen die vier Kollegen von Public Service Broadcasting auf der Bühne: J. Willgoose, Esq., Wrigglesworth und J F Abraham sowie der Nicht-Musiker Mr B, der einzig für die Visuals und das Liveset Design verantwortlich ist. Er wird im Konzertverlauf oft mit einer Handkamera vor den Musikern kniend und Aufnahmen machen.
Musikalisch ist das Konzert eine gute Mischung aus Songs der letzten vier Alben. Dabei bilden Public Service Broadcasting kleine Blöcke, von zwei, drei Songs je Album, so dass ich nicht zu sehr zwischen der Minenproblematik in Wales, dem Race for space oder den Berlin Sachen hin und hergerissen werde. Ich kann mich so ein paar Minuten auf das jeweilige Thema einlassen und in die Thematik eintauchen. Das finde ich gut, denn so ist das Konzert nicht nur eine Aneinanderreihung von Songs, sondern es hat eine Art roten Faden. Was mir auffällt ist, dass die Songs vom neuen Album gitarrenlastiger sind und die Band hier ganz schön Fahrt aufnimmt. So laut habe ich Public Service Broadcasting bisher noch nicht erlebt. Ganz anders noch als die eher ruhigen und keyboard- und samplinggesteuerten Stücke von The Race for space etwa oder – aber das ist thematisch bedingt – die tanzbareren und 80s-esken Songs von Bright magic.
Gefreut habe ich mich, dass sie meine beiden Lieblingssongs mitgebracht haben. „The other side“ und „Go!“ beenden das gut einstündige Set. Gerade auf „The other side“ hatte ich gehofft. Von der Dramaturgie her einer der besten Songs, die ich kenne. Wie sie auf den Moment der Funkstille zwischen Houston und Apollo hinarbeiten, wie sie die Minuten des Funkverlustes still und nur mit leisem Gitarrenrauschen überbrücken, um dann bei erneuter, erfolgreicher Kontaktaufnahme lospreschen. Auch musikalisch ist dann die Erleichterung darüber, dass man wieder Kontakt zur Raumkapsel hat, spürbar. Live specken sie den Song allerdings etwas ab: Die Minuten, in denen sich die Apollo Raumkapsel im Funkloch befindet, sind nicht totenstill und auch nicht in Realtime. Das wäre dann live auch des Guten vielleicht zu viel. Nichtsdestotrotz vermögen sie es aber auch auf der Bühne, die Spannung und Dramatik der Mondumrundung eindrucksvoll widerzuspiegeln.

Stimmungsmäßig ist das Konzert top. Der Club Volta ist zwar nicht ganz ausverkauft, aber durchaus gut besucht. Public Service Broadcasting haben sich über die Jahre auch bei uns durchaus eine gute und treue Fangemeinde erarbeitet, die der Band aus der Hand frisst und für tatsächlich ganz viele schöne Konzertmomente sorgt. Das hat Spaß gemacht und war enorm kurzweilig! Hach, was ein schöner Abend!

Kontextkonzerte:
Public Service Broadcasting – Primavera Weekender Benidorm, 17.11./18.11.2023
Public Service Broadcasting – Köln, 26.11.2017 / Yuca
Public Service Broadcasting – Köln, 18.03.2016 / Stadtgarten
Gurr- Way back when Festival, Dortmund, 29.09. bis 01.10.2017

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