Ort: Werkstatt, Köln
Vorband: Yip Deceiver
Über of Montreal weiß ich nicht viel. Ich habe mir das neue Album zugelegt, weil ich die Single „Dour percentage“ sehr eingängig und interessant fand. Das war zu der Zeit, als ich Destroyer für mich entdeckte und mir die oberflächlich seichten Popmelodien mit ihrer heimlichen Verrücktheit, die beide Bands haben, sehr gefiel.
Dass of Montreal nicht aus Kanada sondern aus Athens kommt, war mir nicht klar. Macht aber nix, denn sowohl Kanada als auch Georgia sind schöne Orte, die ich gerne besuchen würde. Genau wie Winnipeg, einfach, um mal zu prüfen, ob diese Stadt wirklich hassenswert ist. Eine andere Geschichte…
Bitte was ist denn das Elephant 6 Kollektiv? Bei meiner Suche in Wikipedia fällt mir im ersten Satz diesen Ausdruck auf, den ich noch nicht gehört hatte. Weiter unter erklärt Wikipedia dann, of Montreal bedienen sich
„einen für viele der Elephant 6-Bands typischen Stil. Sie kombinieren musikalische Experimente mit den Grundzügen der Pop-Musik, wie eingängigen Melodien und mitzusingenden Refrains.“
Gut, das habe ich verstanden, ohne jedoch wirklich schlauer zu sein. Laut.de erklärt dann weiter:
„Zweifelsohne ist das in den neunziger Jahren gegründete Musikerkollektiv Elephant 6, dem auch Bands wie The Apples In Stereo oder Neutral Milk Hotel angehören, eine wichtige Koordinate für Of Montreal. Dem Labelsound, irgendwo zwischen knarzigem Indierock und ausuferndem Psychedelic Pop, fühlt sich auch Kevin Barnes in Grundzügen verpflichtet, der aber gleichzeitig wenig Berührungsängste hat, den Hybrid Of Montreal ständig weiterzuentwickeln.“
Aha, E6 war ein loser Band- bzw. Musikerzusammenschluss, das eifrig Kassettentapes austauschte und zusammen Musik machte. In den 90ern entstand dann daraus ein Plattenlabel. Eine gute Sache, das Hobby oder die Leidenschaft beruflich zu nutzen. Einen ersten Überblick über das Elephant-6 Imperium gibt ihre Homepage bzw. ein Besuch des ATP Festivals curated by Jeff Milk oder des Primavera, wo neben Jeff Milk’s Neutral Milk Hotel auch die E6 Band „The Olivia Tremor Control“ auftreten werden.
Doch zurück zu of Montreal: Seit 1997 hat die Band 11 Alben veröffentlicht, und mehrfach ihren Stil gewechselt. Am Anfang standen Lo-Fi Indie und Twee-pop, mittlerweile ist es eher 60s Rock und eine Mischung aus sämtlichen Musikstilen der letzten 30 Jahre. Das klingt anstrengend, und meine heimliche Befürchtung auf dem Weg nach Köln war denn auch die, dass es – wenn es blöd läuft – ein ebensolcher Abend werden könne. Beruhigenderweise lief es aber nicht blöd.
Das of Montreal Teil eines Kollektives ist bzw. sich aus vielbeschäftigten Musikern zusammensetzt zeigte sich bei der Vorband. Yip Deceiver, so der Name, besteht aus den beiden of Montreal Musikern Davey Pierce und Nicolas Dobbratz. Genau wie of Montreal stammen Yip Deceiver aus Athens. Bisher veröffentlichten sie eine EP.
Zwei Keyboards und ab und an eine Gitarre reichte den beiden, um eine gute halbe Stunde lang ihre tollen 80er Jahre „Synthie-Stock-Aitken-Waterman trifft George Michael-Simon le Bon- Heaven 17 Gesang“ Hymnen mit großer Begeisterung vorzutragen. Die Gesangsstimme von Davey Pierce ist der Wahnsinn, sie erzielte bei uns immer wieder Flashbacks. Sein Gesang klingt live so authentisch 80er, dass es überhaupt keine Keyboards benötigt, um den totalen Schulterpolster-Pop vor Augen zu haben. Yip Deceiver machten Spass und stimmten uns gut auf den Abend ein.
Das es dann mit of Montreal unterhaltsam weitergehen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Eigentlich hatte ich keine speziellen Erwartungen an das Konzert. Ihr aktuelles Album hatte ich länger nicht gehört, meine Meinung über den of Montreal Sound stand jedoch: schwierig und anstrengend. Diese beiden Adjektive hatten sich in meinem Kopf festgesetzt und so hoffte ich nur, dass sich ihr Konzert nicht allzu anstrengend anfühlend wird.
6 Reflektorwände auf der Bühne ließen eine Menge visuelle Unterstützung vermuten. Die kam dann auch und untermalte jeden Song mit psychodelischem Farbwirrwarr oder einfach nur mit Diaphotos von Landschaften oder surrealen Gebilden. Es war eine interessante Mischung, die sehr auf die Musik abgestimmt war. Das passte, war aber bei weitem nicht genug des Augenschmaus. Von Song zu Song gab es mehr zu sehen, mehr zu entdecken. dabei begann es harmlos. Zum Eröffnungslied „ Gelid ascent“ fragten wir uns noch, wer da singen möge, denn Kevin Barnes sahen wir – in den hinteren Reihen stehend – nicht. Und doch war er da, er saß bühnenmittig vor seinem Keyboard. So, wie er es während des Abends immer machen wird, wenn of Montreal einen Song ihres aktuellen Albums „Paralytic stalks“ spielen. Zu den älteren Sachen – sie spielten neben den aktuellen Hits Songs ihrer Alben „The Sunlandic Twins“, „False priest“ und „Hissing fauna, are you the destroyer?“ erhob er sich und spielte Gitarre oder schaffte in der Bühnenmitte einfach nur Platz für tanzende Mumien, Bettlakenprojektionen, weiße Federtiere oder andere konfettispeiende Fantasiefiguren. Die schauten ab Song drei immer mal wieder vorbei, nachdem die weißen Lufballons, die sie vorher ins Publikum prusteten, ihre Luft ausgehaucht hatten.
Dann wurde es noch enger auf der Bühne, die mit den acht of Montreal Musikern und den Videowänden eh schon gut gefüllt war. Wenn die Bettlaken hinzukamen, war die Bühne dicht. Dann spielte die Band hinter dieser Wand, auf der Filmprojektionen in angenehmer schwarz-weiß Ästethik flimmerten.
Die Konzertshow, so muss ich es wohl nennen, erinnerte mich sehr an ein Flaming Lips Konzert. Of Montreal bieten jedoch keine knuddeligen Teddybären, wie es die Flaming Lips gerne machen, sondern bevorzugen die bittersüße Fabelwelt. Nein, of Montreal lieferten keinen Kindergeburtstag ab, um die am Freitagmorgen per Email gestellte Frage zu beantworten, dazu waren die Bühnenfiguren zu verwirrend. Die beiden stagedivenden Spidermen etwa, die sich wagemutig zu „She’s a rejecter“ in die gut zur Hälfte gefüllten Werkstatt schmissen, wirkten eher wie das Monster vom Amazons, beängstigend statt helfend. Sie waren der vorläufige Höhepunkt der Show. Zu dieser Zeit war das Konzert schon zur Hälfte rum, ihre Überhits „Dour percentage“ und „Suffer for fashion“ hatten of Montreal bereits gespielt. „Dour percentage“ war das poppigste Stück des Abends, das rockigste folgte in der Zugabe. „The past is a grotesque animal“, gefühlte 20 Minuten und tatsächliche 12 Minuten lang. Grandios, danach war alles gesagt und logischerweise das Konzert beendet.
Trotz des Staunens über den ganzen Trubel auf der Bühne darf die Musik nicht vergessen werden. „Winter debts“ mit seinen Wendungen ist toll, ebenso „Forecats Fascist Future“. Ich mag Queen nicht, aber dieser Musical-Song hat etwas Schönes, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Jeder dann folgende Song verschwamm im Rausch der Bilder und Figuren. Das Konzert blieb kurzweilig und musikalisch erstklassig. Einen Hänger oder einen weniger spannenden Moment erlebte ich nicht. Im Großen und Ganzen waren es psychodelische 60s Melodien, die das Konzert bestimmten: „She’s a rejecter“, „Nonpareil of favor“, „The party’s crashing us“ oder “We will commit…”.
Aber egal wie ich es nenne, die Vielseitigkeit des of Montreal Sounds ließ mich die Zeit vergessen. Das hatte ich lange nicht mehr, und als nach einer guten Stunde der reguläre teil zu Ende ging, hatte ich noch nicht genug. Und ein bisschen Nachklapp kam noch. Nachdem zwei tanzende Schweinchen die Zugabe einleiteten, wurde kurz deutlich, dass of Montreal ihre Konzerte als Gesamtkunstwerk verstehen und dieses nicht „verhunzt“ haben möchten. Als während eines längeren Gitarrenparts zwei Mädchen aus der ersten Reihe auf die Bühne kletterten, um dort weiter zu tanzen, murmelte Kevin Barnes etwas von „… fucking dancing bitsches“ und wirkte sichtlich beleidigt. Der Sicherheitsmann, der übrigens nach dem Konzert händeverschränkend die Bühne vor Setlistenjägern beschützte, dass man meinen könnte, er sei Teil der Show, „entfernte“ die beiden „Störenfriede“ umgehend. Diese Aktion verlief unaufgeregt höflich und fiel wahrscheinlich kaum jemandem auf.
Fazit: Auch auf dieser Rheinseite war an diesem Donnerstagabend alles Nice, nice, very nice.
Setlist:
Zum nachhören auf Spotify: klick.
01: Gelid ascent
02: Spiteful intervention
03: Suffer for fashion
04: The Party’s crashing us
05: Godly Intersex
06: You do mutilate?
07: Dour percentage
08: We will commit a wolf murder
09: She’s a rejecter
10: Nonpareil of favor
11: Wintered debts
12: Wraith pinned to the mist and other games
13: Forecast fascist furure
14: Heimdalsgate like a promethean curse
15: Authentic pyrrhic remission Part II
Zugabe:
16: The past is a grotesque animal
Fotos:
Flickr
Kontextkonzert:
Flaming Lips – Barcelona, 26.05.2011
mit ein wenig mut kannst du dir alle tonträger von of montreal antun. ich liebe die band sowohl auf album als auch live. da gehören sie eh zu den größten. danke für den schönen, unterhaltsamen bericht.
Freut mich, das du dich unterhalten gefühlt hast. Na dann werde ich die Groschen zusammenkratzen, es sind ja doch einige Alben …