Ort: Gebäude 9, Köln
Foto: Kai Müller (stylespion- via flickr)
Auf der Rückfahrt las ich innehaltendes: Die Veranstaltungs- bzw. Konzertbranche in Deutschland verzeichnet auch 2010 ein negatives Wachstum, also Rückgang, ihrer Umsatzzahlen. Als Gründe werden u. a. gestiegene Kosten auf der einen und teure Ticketpreise auf der anderen Seite genannt. Eigentlich nur ein Grund, beides hängt unmittelbar vom anderen ab.
Ja, mittlerweile ist es so, dass unter 15 Euro kaum noch was geht (Ausnahme heute Abend), dass sich die Preise für kleine Bands so um die 22 Euro und nicht mehr ganz so kleine Bands so um die 32 Euro eingependelt haben. Ausreißer zu allen Seiten inbegriffen. Ich finde das okay; 19 Euro für die Stars ist nicht zu viel und 32 Euro für die Charlatans eher auch nicht. Und solange es nebenher noch für Brot und Käse reicht, bin ich immer dafür zu haben, dieses Geld für ein interessant klingendes Konzert auszugeben. Kultur sollte man erhalten und unterstützen! Und bevor der Konzertmarkt komplett zusammenbricht, zahle ich doch lieber einen oder zwei Euro mehr.
Dass dies dabei Musik- und Konzertinteressierte das Geld aus der Tasche zieht, und bei dem gewaltigen Touraufkommen von Bands nicht immer einfach ist, auszuwählen, gilt es hierbei in Kauf zu nehmen. Besser ein Überangebot als gar kein Angebot, sag ich mal aus Konsumentensicht. Und ein paar Maniacs, die redlich versuchen, alles, was ihnen lohnenswert und interessant erscheint, mitzunehmen, gibt es schließlich noch. So vier bis sechs, schätze ich mal.
Wie kam ich drauf?
Ach ja, die eigentliche Meldung war diese: In England ist das Glastonbury Festival 2011 bereits ausverkauft. Nach vier Stunden waren alle 160000 Karten weg.
Lohnenswert erschienen mir auch die drei Franzosen Antoine Hilaire, Flo Lyonnet und David Aknin. Musikalisch irgendwo zwischen Phoenix und Justice. Trifft zu, als ich die ersten Songs auf MySpace und YouTube hörte. Kann man mal einplanen …
Mein Liveeindruck war jedoch ein anderer. Viel rockiger als erwartet starteten Jamaica in ihr Set. Phoenix meets Japandroids, so mutete es mir an. Das klang vielversprechend und wäre es so weitergegangen, dann wäre es nicht dieser Abend geworden. Genau, Konjunktive in jedem Haupt- und Nebensatz.
Denn mein Positiverlebnis dauerte ganze drei Minuten. Oder anders gesagt, bis zum zweiten Song. Dann übernahmen fiese 80er Jahre Rockgitarren das Kommando. Zusammen mit ebenso ekligen Gitarrensoli, von nun an in fast jedem Song auftauchten, war mein Debakel perfekt. Und war da nicht auch ein kleines Foreigner Zwischensample heraushörbar? Oh mein Gott, das kann doch nicht den ganzen Abend so weitergehen.
Nach „The Outsider“ passierte das, was ein-Alben-Bands live gerne und gern gehört machen. „Are you ready for a cover?“ Es erklangen die ersten Töne von Nirvanas „Come as you are“. Oh nein, die werden doch nicht … Mal ganz abgesehen davon, dass Nirvana zu den wenigen Bands gehören, die man als Rockband nicht covern darf, graute es mir vor einer Jamaica Variante. Gott sei Dank brachen sie nach wenigen Sekunden ab. „We have another cover.“ „Enter sandman“. Okay, wegen meiner. Doch auch dieses kam über ein kurzes Anspielen nicht hinaus. „We have another one.“ Das Spielchen wurde belanglos, die gecoverten Songs auch. „Message in a bottle.“ Das spielten Jamaica dann aus.
Nirvana – Metallica – The Police. Sind das die musikalischen Eckkoordinaten Jamaicas? Nach diesem Abend würde ich sagen: ja. Zumindest deckt es sich mit meinen Liveeindrücken.
So langsam wurde dann nach guten 35 Minuten das Konzertfinale eingeläutet. Und das war durchaus gut: „Short and entertaining“, „I think i like U2“ und „When do you wanna stop working“ spielten die drei zügig nacheinander weg. Das hatte was und entschädigte ein wenig für die vorherigen Minuten. Jetzt nervten auch die Gitarrensoli nicht.
Tja, so schnell kann das gehen und ganz zum Schluss durften auch die drei, vier Groupies auf die Bühne. Rock Show eben.
Die vier schienen mir jedoch die einzigen heißblütigen Jamaica Fans an diesem Abend gewesen zu sein. „Tolle Show aber scheiß Publikum“, äußerte denn auch einer von ihnen treffend beim rausgehen. Vielleicht kann man aber auch sagen: mittelmäßige Band, anspruchsvolles Publikum.
Bis in die kleinste Ecke des Gebäudes 9 überzeugt haben Jamaica an diesem Abend jedenfalls nicht.
Multimedia:
Foto: Kai Müller (stylespion- via flickr), der das Konzert so erlebte.
Kontextkonzerte:
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Also vielleicht bin ich von Berliner Preisen verwöhnt, ich meine aber, dass man in Berlin oft schon um 10 EUR einen wirklich guten Act sehen kann.
So wie du die Band schilderst, hast du mich zumindest soweit abgeschreckt, dass ich gar nicht erst in Versuchung komme, mir Songs der Band anzuhören… Aber jedes schlechte Konzert hat auch etwas Gutes, man lernt die wirklich feinen Auftritte noch mehr zu genießen.
auch ich finde die preisentwicklung bei konzerten sowie das überangebot bedenklich (irgendjemand muss zwangsläufig auf der strecke bleiben, bei mir sind es leider die eher unbekannteren acts). unter 20 euro geht wirklich fast nichts mehr außer zweit- bis drittklassigen coverbands. wir erhalten ja auch nicht prooprtional mehr geld, um das angebot zu nutzen, die einbußen sind also nur konsequemt und logisch. ich musste bspw. peter gabriel sausen lassen und sah ein durchschnittliches guns n roses-konzert. würde die kings of leon mal so zum spaß gerne ansehen, aber nicht für € 60 (wobei dieser preis heutzutage ja fast schon als „human“ zu bezeichnen ist ;-)