Ort: Djingel Djangel, Antwerpen
Vorband:

Film School - Antwerpen, 23.09.2023

Mitunter dauert es etwas länger, bis ich eine Band live sehe. Bei Bettie Serveert zum Beispiel musste ich bis Anfang der 2000er Jahre warten, bis sie endlich mal durch Deutschland tourten und ich sie in Köln erwischte. Bei Saint Etienne sogar noch etwas länger. Am längsten brauchte ich jedoch bei dem Versuch, die amerikanische Nu-gaze Band Film School live zu sehen. Ein erster Versuch in den 2000er Jahren scheiterte. Ich war damals in den USA auf einem Softwarelehrgang, als sie in Washington ein Konzert gaben. Allerdings war ich dann abends zu kaputt und müde, um noch in die Stadt zu fahren und um in einem mir dubios erschienenen Stadtteil einen Club aufzusuchen. Da hatte ich echt Respekt und mein Ticket ließ ich verfallen. Ein zweiter Versuch kam lange nicht zustande. Erst vor einigen Tagen und damit fast 20 Jahre nachdem ich ihr Album Film School lieben lernte, bot sich eine erneute Möglichkeit. Als Film School ihre Europatour im Frühjahr angekündigt hatten, war ich in großer Vorfreude. Endlich eine hoffentlich realistische Möglichkeit, die Band live zu sehen, dachte ich. Doch als die Konzertorte bekanntgegeben wurden, zog Ernüchterung ein und damit auch die Frage, wo denn bitte Kusel oder Hoofddorp liegen. Beides sind nämlich Orte, die ich auf den digitalen Tourplakaten von Film School Konzerte entdeckte. Nun, ich lernte, dass das eine ein kleiner Ort westlich von Amsterdam ist und der andere irgendwo im Niemandsland der Westpfalz liegt. Also irgendwie realistisch unerreichbar. Der Großraum Köln, Maastricht, Luxemburg wurde dagegen konsequent ausgespart. Mist, dachte ich, denn auch das Mannheimer Konzert war unter der Woche terminiert und damit unmachbar. Lange übersehen hatte ich da den Gig in Antwerpen an einem Samstag. Das müsste doch passen. Kurzfristig prüften wir ein paar Zugverbindungen und ja, es passte. Auch weil in Belgien dieser fantastische 50% Wochenendsparpreis auf Hin- und Rückfahrten angeboten wird. Da fällt die Fahrt nach Antwerpen gleich viel leichter.

18 Stunden Antwerpen.
Da reicht die Zeit noch für ein bisschen Sightseeing. Da das Djingel Djangel im relativ neu gestalteten Norden der Stadt unweit des Museums aan de Stroom (Mas) liegt, entschieden wir uns für einen Besuch der Panoramaterrasse in der 9. Etage des Museums und anschließend für einen Aufenthalt in einer Frituur. In Belgien einer meiner Sehnsuchtsorte. Es dauerte zwar etwas, bis wir eine Frituur entdeckt hatten, aber immerhin fanden wir eine in unmittelbarer Nähe des Museums und des Djingel Djangels. Winwin.
In den letzten Jahren hat sich dieser Stadtteil ordentlich verändert. Oder besser gesagt, er wurde ordentlich und konsequent durchgentrifiziert. Als ich hier vor Jahren das erste Mal zu Besuch war, stand als Landmarke das Museum und neben ein paar alten Häusern und halb verfallenen Hafenanlagen noch nicht viel. Mittlerweile sind eine Vielzahl dieser modernen Stelzenbauten mit sicherlich nicht ganz billigen Appartements sowie Restaurants, Parks und Wasserflächen entstanden. Von Industrie kaum noch eine Spur. Der Autoverkehr wurde nahezu komplett aus dem Bereich verbannt. Das ist gut und es hat sicherlich eine hohe Lebensqualität, hier zu wohnen. Wenn man es sich leisten kann. In einer Seitenstraße unweit des Museums liegt das Djingel Djangel. Es ist mehr ein Plattenladen mit angegliedertem Bar-/Café-Betrieb denn ein Musikclub. In der Bar ist am Kopfende eine kleine Bühne aufgebaut, der Raum fasst vielleicht 100 Leute. Gemütlich wirkt das Djingel Djangel, nahezu familiär. Hier ein Konzert sehen, wird Spaß machen. Das war vom ersten Augenblick an klar.

Doch bitte wer sind denn eigentlich diese Film School?
Film School ist eine amerikanische Band, die Ende der 1990er Jahre auftauchte und seitdem – bis auf eine kurze Unterbrechung in den 2010er Jahren – Musik macht. Ihre ersten beiden Alben Brilliant Career und das selbstbetitelte Film School aus dem Jahr 2006 sind kleine Meisterwerke. Das Debüt ist etwas ruhiger, vielleicht Indie-Folkrock und/oder Neofolk in Anlehnung an den Mitte der 1990er Jahre erschienen Sampler Hit me with a flower…the new sounds of San Francisco. Immerhin stammen Mitglieder der Band aus San Francisco und Los Angeles. Das klingt schon ganz wunderbar. Noch wunderbarer finde ich dagegen die markanten Shoegaze Gitarren, die verstärkt mit dem zweiten Album in den Film School Sound kommen. „On and on“, „11:11“ oder „He’s a deep deep lake“ möchte ich als Anspieltipps empfehlen.

Seit dieser Zeit werden Film School dem Genre der nu-gaze Bands zugeordnet und stehen damit in bester Gesellschaft zu Blonde Redhead, Schools of seven bells, Asobi Seksu, I break horses oder The Radio Dept.. Kenner werden jetzt erstaunt oder zustimmend nicken. Berühmt wurden Film School nie, bekannter eigentlich auch nicht. Ein Schicksal, das sie nicht exklusiv haben. Auch die tollen Asobi Seksu oder I break horses leiden darunter. In Antwerpen ziehen Film School immerhin ca. 50 Besucher. Das ist so eine Zahl, auf die ich vorher spekuliert hatte.

Nachdem es um die 2010er Jahre etwas ruhiger um die Band geworden ist, haben sie seit 2018 drei weitere Alben veröffentlicht. Von der Stammformation ist nur Sänger und Songschreiber Greg Bertens übriggeblieben; aktuell sind Film School ferner noch Noël Brydebell (Gesang), Nyles Lannon (Gitarre), Jason Ruck (Synthies), Justin LaBo (Bass) und Adam Wade (Schlagzeug). Auf Tour sind sie dagegen nur zu viert. Neben Greg Bertens spielt Noël Brydebell auch die Synthesizer und am Schlagzeug sitzt Adam Wade. Den Bassisten kann ich leider visuell so gar nicht zuordnen. Ist er ein Tourmusiker oder doch eines der anderen Bandmitglieder? Die Antwort bleibt offen.

Field heißt ihr Album, das vor einigen Wochen veröffentlicht wurde. Entsprechend stammen viele der Songs auf der Setlist von diesem Album. „Tape Rewind“, mit dem sie den Abend eröffnen, oder „Is this a Hotel?“, „Influencer“, „Baby“, um nur ein paar zu nennen. „Transmission“, den Joy Division Song, spielen sie dagegen an diesem Abend nicht. Bei meiner Vorabrecherche entdeckte ich ihn auf mehreren Setlisten. Doch ehrlich, ich kann auch darauf verzichten. Sehr gut sogar! Film School haben genug eigene gute Songs, die ich viel lieber hören möchte. „He’s a deep deep lake“ ist zum Beispiel einer davon. Oder „Harmed“. „Crushin“, ihr Hit vom 2018er Album Bright To Death, zähle ich auch dazu. Und was soll ich sagen, alle drei Songs haben sie gespielt. Wow! Leider haben es Film School in den 75 Konzertminuten nicht geschafft, zwei meiner Lieblingslieder unterzukriegen. Die Shoegazehymnen „11:11“ und „On and on“ stehen nicht auf ihrem Spielplan. Ein kleiner Wermutstropfen. Der einzige Wermutstropfen.
Der Sound ist laut, sehr laut sogar, aber gut auf den kleinen Raum eingepegelt. Nur die letzten Zugaben – Film School spielen hier drei Songs, u. a. „He’s a deep deep lake“ – zerren etwas an meinem Trommelfell. Das ist aber gut. Nugaze/Shoegaze Gitarren müssen laut sein, sonst funktioniert das nicht. Zu sagen hat die Band nicht viel. Ein bisschen was zur Stadt, ein kleiner Scherz über den gesplitterten Drumstick während eines Songs, und das war es. Vielleicht ist es auch gut so, denn auf den Stimmen liegt viel Hall. Nicht nur während der Songs, auch bei den Ansagen. Diese klingen dadurch sehr lustig und hundertprozentig unverständlich.

Das Konzert ist gut. Das Ambiente ist gut. Es ist einer dieser Abende, an dem gefühlsmäßig alles stimmt. Der Rahmen, die Band, das Publikum. Nichts wirkt irritierend, nichts stört mich in meiner Konzentration. Auch nicht der Barbetrieb, der 4 Meter hinter mir während des Konzertes weiterläuft. Ein Flaschen- und Glasgeklimper, wie ich das schon öfter in kleinen Konzerträumen spürbar gehört habe, gibt es nicht. Die Barfrau nimmt Rücksicht. Es ist das letzte Film School Konzert in Kontinentaleuropa. Anschließend spielt die Band noch ein paar Gigs in Großbritannien und fliegt dann zurück an die Westküste Nordamerikas. Ich fände es schön, wenn die Band die Tour als Erfolg ansieht und es in nächster Zeit noch einmal nach Europa schafft.

Apropos:

Nu-gaze, or the New Wave of Shoegaze, is a form of alternative rock originating in the late 1990s / early 2000s. The genre takes the ethereal, heavily effected guitars of the British shoegaze scene of the early 90’s and combines it with more modern influences from both sides of the Atlantic. The genre is very diverse as certain bands have synth/electronica influences and others have heavier rock elements but all are united by layers of guitar textures.

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