Ort: Mercedes-Benz Arena, Berlin
Vorband: Idris Elba
In den 1980er Jahren.
Madonna gehörte zu meinen drei großen Teenieschwärmereien, neben Nena und dem Mädchen aus meiner Klasse. Obwohl mich Filme damals nicht wirklich interessierten, ‚Susan verzweifelt gesucht‘ und ‚Crazy for you‘, in denen Madonna mehr (‚Susan…‘) oder weniger (‚Crazy…‘) mitwirkte, sah ich mir an. In Madonnas Album True blue war ich vernarrt. Ich hörte es auf der Urlaubsfahrt an den Gardasee so lange, bis der Akku des Walkman nichts mehr hergab. True blue war ein Sommer lang mein absolutes Lieblingsalbum.
Später.
Weihnachtsfeier-Tombola im Sportverein. Ich hatte keinen Plattenspieler, meine Eltern auch nicht, einen großen Bruder, der einen hätte haben können, gibt’s nicht, und trotzdem entschied ich mich für eine Madonna Platte als Losgewinn. You can dance, ein Mixalbum. Ich habe es nie gehört.
Etwas später.
In der Disco, in die wir am Wochenende immer fuhren, gab es neben einer kleinen Indietanzfläche auch eine große Tanzfläche, auf der Radiomusik gespielt. Normalerweise waren wir da nie, die Charlatans, Pixies, Pretenders und B‘52s hielten uns bestens davon ab. Aber wenn wir zufällig ankamen, als „Like a prayer“ gespielt wurde, blieben wir dort und tanzten. Auch weil wir wussten, das im Anschluss entweder INXS „Mystify“ (Riesenhit!) oder Midnight Oil gespielt werden. Danach ging’s dann wieder in die Indiedisco.
Noch etwas später.
Als Madonna im Rahmen ihrer Welttournee auch Konzerte in Deutschland ankündigte, überlegte ich sehr lange, hinzufahren. Madonna, Mensch! Aber die für meine Verhältnisse viel zu hohen Ticketpreise schreckten mich dann doch ab. Um die 40 Mark sollte ein Ticket kosten.
Sehr viel später.
Urlaub. New York. An einem Nachmittag waren wir auch bei Macey’s, kurz was einkaufen. Als wir aus dem Kaufhaus hinauswollten, verweigerte man uns den Ausgang. Wir mussten das Kaufhaus am anderen Ende verlassen waren aber neugierig genug, nochmal zurückzulaufen um zu schauen, was da los war. Los waren ein abgesperrter Eingangsbereich und ein davor postierter Kamerawagen. Wir fragten nach und ein Security-Mann flüsterte uns folgende Worte ins Ohr: „It’s M’donna.“
Jetztzeit.
So früh wollte ich nicht vor Ort sein. Gegen neun Uhr hat der nächste James Bond noch ein bisschen auf der Bühne zu tun: Platten auflegen. Technobeats wummern durch die Halle. Musikverständnis hat er also, dieser Idris Elba.
„Iconic“. So beginnt das Konzert. Madonna ist erst nur zu hören, nicht zu sehen. Auf der Bühnenleinwand prangt riesengroß das Konterfei von Mike Tyson. Ex-Boxer. Auf der Bühne marschieren als Samurai verkleidete Tänzer den Laufsteg auf und ab. Irgendwann wird ein Käfig von der Hallendecke gelassen, in ihm Madonna. Soweit der Beginn des Konzertes.
Was in den nächsten 140 Minuten passiert, ist mit Konzertshow noch harmlos ausgedrückt. Es ist ein wahres Popcornkinokonzertfeuerwerk. Es ist eine Ansammlung an kleinen Themen und Geschichten, die um die Songs herum gebaut werden. Es sind viele kleine Musicals, die Madonna und ihre Tänzer und Sängerinnen inszenieren. Musik ist dabei nur ein Teil, genauso wichtig sind Schauspiel und Tanz. Und zumindest letzteres beherrschen die Männer und Frauen des Madonna Ensembles perfekt. Das männliche Geschlecht nenne ich hierbei zuerst, denn es ist in der Mehrheit und es ist Madonnas Liebling. Natürlich. Ob deswegen eine Sixpack Demonstration diverser Tänzer vor „Body shop“ nötig ist, man könnte darüber diskutieren. Viele Männer im Publikum freut es zumindest.
„Iconic“ geht nahtlos in „Bitch I‘m Madonna“ über. Thematisch ist die Show weiterhin in Asien angesiedelt. Nicki Minaj rappt von der Leinwand, und ich frage mich zum ersten Mal, ob das das einzige an Musik ist, die eingespielt wird. Denn Madonna singt schon arg glatt und irgendwie zu entspannt. Müsste ihre Stimme nicht nach all der körperlichen Akrobatik klingen, die sie permanent auf der Bühne vollzieht. Das Tanzen, Marschieren, das hin- und her Swingen, all das müsste man doch hören? Na egal, ich hab da eh keine Ahnung und vielleicht ist sie auch sie durchtrainiert, dass man es eben nicht hört. Da die Musik auch nur Teil der Show ist, beschließe ich, die Sache mit dem Playback im Laufe des Abends nicht weiter zu hinterfragen. Stattdessen genieße ich lieber den verdammt guten Klang in der Mehrzweckhalle und die verdammt guten Shows. Und ja, beides ist richtig, richtig unterhaltsam.
In „Holy water“ mischt sich etwas „Vogue“, das Konzert ist im zweiten Themenblock, dem pseudo-Kirchen-Provokations-Dings. Da Vincis letztes Abendmahl wird auf der Bühne nachgestellt. Die Tänzer rekeln sich Sekunden später mit nacktem Oberkörper auf dem Tisch, die Tänzerinnen tragen irgendwie ein Nichts an Nonnenkostümen und vier aufgestellte Kreuze dienen als Poledance-Stangen. Früher hätte dieses Showelement zu großen Diskussionen geführt, aber im Jahr 2015 reizt so etwas niemanden mehr. Katholizismus und Sexualität, Madonnas Kernthema. Es muss scheinbar immer irgendwie auftauchen.
Kurz danach steigt die erste größere Umziehpause. Drei- oder viermal laufen an diesem Abend Madonna Videos von der Leinwand, zu denen die Tänzer eben das tun, was sie den ganzen Abend über tun: tanzen. Madonna ist dann nur zu hören.
„True blue“ ist das erste ganz alte Stück, choreographisch wird es in eine Autogaragenszene eingebaut. Madonna und ein paar der Tänzer sitzen auf Autoreifen und Madonna klimpert dazu auf der Gitarre. Es ist eine sehr entschleunigte „True blue“ Version, sie gefällt mir nicht. Er bleibt nicht der einzige Song, der im Rahmen der Rebel heart Tour umarrangiert wurde. „Into the groove“ trifft es am schlimmsten. Im Flamenco Triplet mit „Dress you up“ und „Lucky star“ geht er vollkommen unter und alle drei Songs im Medley klingen wirklich übel. Es ist etwas schade, dass gerade die älteren Stücke so dermaßen unpassend dargeboten werden. Auch „La isla bonita“ hat für mich zu viel Flamencopop. Thematisch sind wir mittlerweile in Spanien angekommen: rote Kleidchen, schwarze Hüte und Toreroanzüge. Madonna trägt nun Zopf.
Der ruhige Teil des Konzerts folgt am Ende des Laufstegs, der in den Innenraum hineingebaut ist. „Secret“ spielt sie auf der Gitarre, den Beginn von „Rebel heart“ auch noch, allerdings setzt hier nach und nach die Band ein. Die Band? Quatsch! Ein Schlagzeugbeat. Musiker sehe ich zwar, ganz am linken und rechten Bühnenrand sind ein Schlagzeug und Keyboards aufgebaut, allerdings bin ich mir nicht sicher, was und wie viel sie zum Sound beitragen. Aber wie gesagt, das ist irgendwie egal.
Später erlebe ich noch „Deeper and deeper“. Es gefällt mir am besten. Tänzer und Madonna zeigen die klassische Tanzchoreographie ohne größeren Schnickschnack. Sie laufen einfach tanzend über die Bühne, so wie die Menschen in der Strassensequenz in dEUS Video zu „Instant street“. Das passt.
Die Show geht dem Ende entgegen. „Music“ steht im 30er Jahre Design, aber warum Edith Piafs „La vie en rose“ gecovert werden muss, die Frage stelle ich besser nicht.
Samurai, Nonnen, Rockabilly Charme, 30er Jahre Design, Flamenco Ausflug, viel Dance-Music, drei ‚Akustik‘ Songs, das Madonna Konzert war jeden Cent wert. Auch wenn Spötter jetzt einwenden mögen: ja, aber die Musik. Ich habe eine tolle Konzertshow gesehen. Punkt.
Setlist:
01: Iconic
02: Bitch I’m Madonna
03: Burning up
04: Holy Water / Vogue
05: Devil Pray
06: Body Shop
07: True blue
08: Deeper and deeper
09: HeartBreakCity
10: Like a virgin
11: Living for love
12: La Isla Bonita
13: Dress You Up / Into the groove / Lucky star
14: Secret
15: Rebel Heart
16: Music
17: Candy Shop
18: Material Girl
19: La vie en rose
20: Unapologetic bitch
Zugabe:
21: Holiday
Fotos:
Video: