Ort: Poppodium Volt, Sittard
Vorband: Eerie Wanda

Als ich letzten Freitag zufällig über die Webseite des Theaters Heerlen die Konzertankündigung der Great Lake Swimmers für den folgenden Sonntag sah, dachte ich ‘ja, warum eigentlich nicht.’ In den letzten Tagen wurden einige Videos der Band in meine Timelines gespült, so dass ich einigermaßen darüber Bescheid wusste, was die Band so macht und wie ihre Songs einzuschätzen sind. Mein erster Eindruck war: gut, und somit stand irgendwie schnell der Plan, am Sonntag nach Heerlen zu den Great Lake Swimmers zu fahren. Unterstützt wurde die Idee durch die Ansetzung der Vorband, Eerie Wanda aus Nijmegen, die ich vor einigen Jahren live gesehen habe und die mir sehr gut gefielen, würden doch den Sonntagabend bestmöglich abrunden. Bei der Ticketbuchung bemerkte ich dann, dass das Konzert nicht in Heerlen, sondern in Sittard stattfindet. Auf der Webseite des Theaters Heerlen ist das nicht direkt zu erkennen, da hier Tickets für alle im PLT – was so viel heißt wie Parkstad Limburg Theaters – angeschlossenen Spielhäuser in Kerkrade, Sittard und Heerlen verkauft werden. Nun gut, Sittard ist auch nur 15 Autominuten weiter entfernt, das macht den Kohl nicht fett.
Und ich freue mich drauf. Es wird eine der letzten Autofahrten mit meinem alten Auto, also eine der letzten Fahrten ohne Navigationsunterstützung aber mit Google Maps Ausdrucken oder handschriftlichen Notizen auf dem Beifahrersitz, und eine der letzten Fahrten mit einer Handvoll CDs im Gepäck. Bald erledigt das Suchen nach dem richtigen Weg das eingebaute Navigationsgerät und die Musik kommt wahlweise von einem Stick oder direkt aus dem Internet. Willkommen in der Moderne. Aber an diesem Abend habe ich noch einen kleinen Zettel mit der Wegbeschreibung und drei CDs dabei. (Nilufer Yanya, Personal Trainer, Gift; die aktuellen Platten aller drei Bands kann ich übrigens sehr empfehlen).
Das Volt ist eines dieser Konzertgebäude, die es in jeder niederländischen Stadt gibt. ist die Stadt kleiner, ist das Konzertgebäude kleiner, ist die Stadt größer, ist es auch das Konzertgebäude. Sittard ist eher eine Kleinstadt, der Saal im Volt fasst vielleicht 300 Leute. An diesem Abend ist er zu gut einem Drittel gefüllt, und damit haben die Great Lake Swimmers viel mehr Zuschauer, als von mir erwartet. Ich habe so mit 20 bis 50 Besuchern gerechnet. Immerhin ist es ein Sonntagabend, es ist ein Konzert in einer Kleinstadt und überhaupt, wer kennt da schon die Great Lake Swimmers. Sogar ich kenne die Vorband besser.
Eerie Wanda spielten beim ersten Zeitgeist Festival in Nijmegen vor drei Jahren. Damals platzte ich quasi in ihr Konzert und war spontan sehr begeistert von dem Duo. Dabei ist Eerie Wanda eigentlich das Soloprojekt der Musikerin Marina Tadic. Im Vergleich zu Nijmegen ist ihr musikalischer Begleiter 2024 ein anderer. Im Gegensatz zur Platte spielen die beiden die Eerie Wanda Songs live eher reduziert und weniger bombastisch, was in Summe die Songs viel schöner strahlen lässt und an diesem Abend auch nahezu perfekt zu den Great Lake Swimmers passt. Ich denke mal, dass jeder Great Lake Swimmers Sympathisant auch Eerie Wanda toll findet. Anders geht es ja gar nicht. Ihr gutes halbstündiges Set ist voll von kleinen Hits und tollen Songs. Ich empfehle, sich Eerie Wanda mal in Ruhe live anzusehen. Mir haben sie live jetzt zweimal sehr gut gefallen. Zusammen mit den Great Lake Swimmers sind Eerie Wanda noch ein wenig auf Tour, also ruhig mal eher zu den Gigs vor Ort sein.
Während die beiden Eerie Wandas ihre Kabel, Rasseln und anderes musikalisches Werkzeug in zwei Handgepäcktrolleys verstauen (praktisch, wenn man nur mit kleinem Musikgepäck reist), laufen The Weather Station vom Band. Passt musikalisch und geografisch top, und von denen gibt es ja auch bald ein neues Album.
Kurz darauf betreten drei Musiker*innen die Bühne. Die Great Lake Swimmers kommen als Trio. Bandchef Tony Dekker formierte über die Jahre immer mal wieder andere Musiker*innen um sich herum. Aktuell – oder besser auf dieser Tour – begleiten ihn Ryan Granville-Martin und Colin Brown an Bass, Schlagzeug, Keyboard und Gitarre.
Retrospektive lautet die Überschrift der aktuellen Tour. Warum? Weil die Great Lake Swimmer erst vor einigen Tagen ihr neues Album veröffentlicht haben; In Pieces: An Acoustic Retrospective ist eine Art Best-of Album, das Songs aus allen bisher erschienenen Alben der Band zusammenführt und diese in einer – neudeutsch würde man sagen – stripp-down Fassung präsentiert. Oder, wie Tony Dekker es formuliert: ‚Wir spielen heute die Songs leiser als sonst.’ Das Thema des Konzerts ist also ein Akustik-Set, wobei sie es nicht ganz so ernst nehmen. Der Bass ist elektrisch verstärkt, das Keyboard auch. Nur die Akustikgitarre und das seicht und in der Hauptsache mit Jazz-Besen gespielte Schlagzeug halten sich etwas an die Vorgabe.
Es ist aber wurscht, die Songs sind wunderschön. Und so passend für einen Sonntagabend. Unaufgeregt, ruhig und sehr harmonisch läuft das Konzert ab. Und obwohl ich kaum einen Song kenne, fühle ich mich von Anfang an sehr heimisch. Es macht Spaß, den Great Lake Swimmers zuzusehen. Nur die etwas kühle Klimaanlage stört ein wenig. Aber darüber hinaus ist das Volt ein feiner, kleiner Konzertsaal mit Café/Restaurant und eigenem kleinen Parkplatz. Warum gibt es solche Kulturorte nochmal nicht bei uns? Ach ja, Kulturförderung kostet Geld und die Masse der Menschen interessiert es zu wenig. Mit dem Bau von kleinen Theatern gewinnt man keine Wahlen. Während des Konzerts musste ich öfter an mein The Rural Alberta Konzert vor einigen Monaten denken. Seinerzeit habe ich das Konzert auch eher unvorbereitet besucht und war nachher oder schon während des Konzerts mächtig angetan von der Band. Und genau wie bei den Great Lake Swimmers hatte ich von The Rural Alberta vorher kaum etwas gehört. Entwickle ich gar wirklich ein Faible für Indiefolk und ähnliches?
Kontextkonzerte:
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