Ist das Kunst oder kann das weg? Es muss natürlich bleiben! Erst recht nach diesem Abend!
„Tat es eigentlich weh, als du vom Himmel gefallen bist?“ Dieser immer wieder zum schmunzeln animierende Anmachspruch schwebte indirekt über all den Interviews und Kritiken, die deutsche Musikjournalisten über die bayerische Band Get well soon veröffentlicht haben. Tat es eigentlich weh, als ihr vom Himmel gefallen seid? Von der größten deutschen Musikhoffnung seit jemals, von „endlich eine deutsche Indieband auf internationalem Niveau, endlich ein Songschreiber der mit allen mithalten kann“ ist im Rahmen der Veröffentlichung von “Vexations“ die Rede. Ich kenne niemanden, der ihre Alben und EP nicht über alles hebt. Auf Get well soon können sich alle einigen, in Get well soon sind alle verliebt.
Die Erwartungen sind entsprechend hoch an das Musikensemble um Konstantin Gropper. Meine auch, ihr Kölner Konzert ist das erste von Zweien, das ich in den nächsten Tagen besuche. Ich bin sehr gespannt, wie “Vexations“ live umgesetzt wird. Ich finde es ein schwieriges Album, ein sehr vielschichtiges und erwartete sehr viele Instrumente auf der Bühne. Bestätigung hierfür finde ich auf ihrer Homepage: Wir bringen alles mit: Marimbaphon, Vibraphon, Harmonium. Na denn….
Das Gloria ist konsequenterweise ausverkauft und die Bühne ist picke-packe voll. Millionen von Keyboards und andere Tasteninstrumente, inklusive Laptops, stapeln sich. Ist überhaupt noch Platz für die Musiker? Sehr wenig, aber es wird schon gehen.
Von Konstantin Gropper persönlich angekündigt eröffnen Musée Mécanique den Abend. Es sei seine derzeitige Lieblingsband und wir mögen sie doch herzlich begrüßen. Machen wir. Die Band stammt aus Portland und macht das, was Bands aus den ländlichen Regionen der Vereinigten Staaten gerne tun, wenn mindestens ein Bandmitglied einen Bart und eine Schirmmütze auf dem Kopf trägt: Indiefolk. Eigentlich sind Musée Mécanique zu fünft, auf dieser Tour müssen aber Schlagzeuger Matt Berger und Bassist Jeff Boyd passen. Sie hatten keine Zeit und so war es an den übrigen dreien, die große Trommel und Hi-Hat zusätzlich zu übernehmen. Den Bass schenkten sie sich.
Micah Rabwin, Sean Ogilvie und Brian Perez standen in ihrem Instrumentenpark und nutzen alles. Glockenspiel, Melodica, Schelle, drei Keyboards, Akustikgitarre; all die ganzen Folkspielzeuge kamen zum Einsatz. Nun war klar, dass Musée Mécanique all die aufgestellten Instrumente benötigten, um ihrem sehr ruhigen, verspielten und anmutigen Indiefolk zu zelebrieren.
Ihr Set war ein gelungener Einstand in den Abend. Sehr nachvollziehbar, warum Musée Mécanique Herr Groppers derzeitige Lieblingsband sind.

Nach einer dreiviertel Stunde wurde abgebaut. Und auf einmal war es leer auf der Bühne. Get well soon hatten aufgeräumt. Sind sie doppelt so viele Personen wie Musée Mécanique, so benötigten sie gerade die Hälfte der Instrumente. Warum hatte ich das anders erwartet?
Wie immer stimmen die Get well soon’er ihre Geräte selbst. Schlagzeuger Paul Kenny und Konstantin Gropper tragen dazu identische rote Kapuzenpullis. Ist das der neue Aufwärmdress der Band? Bestimmt. Egal, eine Randnotiz.
Zum Intro von “Nausea“ starten sie in den Abend. Das neue Album “Vexations“ bildet den Rahmen, “Seneca’s silence“ zu Beginn und zum grandiosen Finale “We are the Roman Empire“. Das passt und macht Sinn. Während des gesamten Konzerts laufen Videoinstallationen im Hintergrund. Philipp Kässbohrer, der bereits das ein oder andere Video für die Band gedreht hat, ist der verantwortliche Regisseur. In sehr schönen Bildern, immer wieder ergänzt durch die von “Vexations“ bekannte off-Stimme entsteht so eine ganz besondere Atmosphäre. Das hier ist mehr als ein Konzert, es ist eine Inszenierung, eine vorgetragene Demonstration des Get well soon-schen Gesamtpakets. Hier stimmte alles. Es war perfekt. Und wenn dann doch die Saite der Akustikgitarre reißt, Konstantin Gropper mit den Worten „Bin gleich wieder da“ hinter dem Bühnenvorhang verschwindet um die Ersatzgitarre zu holen, muss niemand fürchten, dass es diese Art von Perfektionismus ist, die einen draußen stehen lässt und zur Distanz zwingt. Nein, wir sind alle mittendrin. Das ausverkaufte Gloria ist entzückt. Der Applaus zwischen den Songs ist sehr groß.
Ab „Listen! Those…“ bin ich mir sicher, dass dies eines der Konzerte des Jahres sein wird. Die Hälfte des Sets ist erreicht, und jetzt ist sie da, diese berühmte Konzertgänsehaut. Zum zweiten Unterwassersong, in nenne ihn so, weil im Video Menschen zu sehen sind, die einen Unterwasserkaffeeklatsch abhalten, bin ich völlig gefangen. Ich döse dahin, wie in Trance nehme ich meine Umgebung wahr. Rauschzustand. Viel besser geht es nicht, vielmehr kann ein Konzert nicht erreichen. Es ist toll, es könnte noch einige Minuten so weiter gehen. Aber auch Konzerte finden irgendwann ihr Ende. Als im Hintergrund der Abspann läuft, ist es soweit.
15 Songs haben wir bisher gehört, eine gesunde Mischung aus allen Veröffentlichungen. Das reguläre Set ist beendet. Zugabe. Drei Songs stehen noch aus. Von “Vexations“ dürfte aber nichts mehr kommen, dieses Kapitel ist mit “We are the Roman Empire“ geschlossen. „Aschenputtel“ ruft jemand aus dem Publikum, als die sechs zurückkehren. „Au ja, Aschenputtel, bitteee!!“ Das war eine zweite Stimme. “Aber Aschenputtel spielen wir doch nur zu Weihnachten.“ entgegnet Verena.
Okay, “Christmas in adventure parks“, “Help to prevent forest fires“ und “I sold my hands for food so please feed me“ sind auch nicht verkehrt. Wir genießen nochmals die Musik, den Abend. Gute 90 Minuten sind jetzt um. Die Band verneigt sich. Aus. Vorbei. Es war ein toller Abend. Danke schön!
Bis in ein paar Tagen dann….

Setlist:
01: Nausea (Intro)
02: Senecas Silence
03: People magazine front cover
04: We are free
05: 5 steps / 7 swords
06: A voice in the Louvre
07: Listen! Those Lost At The Sea Sing A Song On Christmas Day
08: Werner Herzog gets shot
09: That love
10: If this hat’s missing if have gone hunting
11: We are ghosts
12: A burial at sea
13: Ticktack goes my automatic head
14: Angry young man
15: We are the Roman Empire
Zugabe:
16: Christmas in adventure parks
17: Help to prevent Forest fires
18: I sold my hands for food so please feed me

Multimedia:
Fotos: frank@flickr
Fotos: frank@flickr (Musee Mecanique)

Kontextkonzerte:
Get well soon – Nijmegen, 25.04.2009
Get well soon – Köln, 07.12.2008
Melt! 2007

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. carla

    kunst! wie erwartet toller abend. :)

  2. Michael

    ich bin gespannt, bin am dienstag in frankfurt :-)

  3. frank

    Na da wünsche ich dir viel Spass!!! es lohnt sich sehr.

  4. carla

    ha. ich liebe deine konzertberichte. war wieder mittendrin.
    und ich will auch noch mal. :)

  5. -Christoph-

    Oh, wie toll! Das steigert meine Vorfreude ganz enorm! Eigentlich hatte ich zwar nichts anderes erwartet, aber es beruhigt, daß auch das Konzert wieder so gut war. Bis Sonntag dann.

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