Ort: Allegiant Stadium, Las Vegas
Vorband: Russ
Im Vorfeld unseres Las Vegas Besuchs ergaben sich neben dem U2 Konzertbesuch noch weitere Möglichkeiten, Konzerte zu besuchen: Usher spielte, auch die Rapperin Sza, The Cult und Cold Cave sowie Billy Idol, Earth, Wind and Fire und diverse Countrysänger. Alles nett, aber alles keine must-see Veranstaltungen, die uns direkt zu einem Ticketkauf zwangen. Ed Sheeran hatten wir bei unserer ersten Recherche nicht auf dem Schirm, vielleicht lag es daran, dass sein Las Vegas Konzert im Allegiant Stadium vom September auf den November verschoben wurde, und der Termin so nicht in allen Veranstaltungsportalen auftauchte. Wie auch immer, als wir sein Konzert in einer Terminübersicht entdeckten und bei Ticketmaster noch 35 Dollar Plätze im Angebot waren, schlugen wir binnen Sekunden zu. So günstig die Möglichkeit zu bekommen, a) ein Footballstadion von innen zu sehen (das wollte ich schon immer mal und das Konzert findet im Allegiant Stadium satt, der Heimat der LV Raiders) und b) ein Ed Sheeran Konzert zu erleben, wird sich sicherlich nie mehr ergeben. Der Realpreis des Tickets belief sich dann zwar auf ungefähr 50 Dollar, aber auch das ist noch ein Schnäppchenpreis, sag’ ich mal. Was ruft Eventim für Ed Sheeran Konzerte auf?
Also kein The Cult, kein Earth Wind and Fire oder gar ein zweites Mal U2 (was sich bei Box Office Ticketpreisen von regulär 400 Dollar für die günstigsten verfügbaren Plätze auch als völlig haltlos erweist). Lieber der Besuch eines Footballstadions und okay, eines Popkonzertes.
Ed Sheeran ist aktuell auf Mathematik-Tour. +-=÷x (was mich irgendwie den ganzen Abend über an die Playstation denken ließ) heißt die Tour, benannt nach den ersten drei Platten (x, /, + ) und dem fünften und sechsten Album des Singersongwriters (–, =). Ist es dann so, dass er nur Songs von diesen Platten spielt, oder warum die Namensgebung? Ehrlich gesagt, ich muss es nachrecherchieren: Die Antwort ist dann ‘nein’. Mit „American Town” spielt er einen Song vom aktuellen – zusammen mit den Dessner Twins (die Dessners sind einfach überall) produzierten Album Autumn Variations und ein paar Sachen von seinem No. 6 Collaborations Project Album. Kollaborationsprojekt Nummer 5 stammt übrigens aus dem Jahr 2011 und ist eine EP mit acht Songs. Das nur nebenbei.
Für uns starten die drei Konzerte viel zu früh, Ed Sheeran kommt mit Dylan (einer britische Singersongwriterin) und Russ (einem Amerikanischer Rapper) im Vorprogramm. Viel zu früh für uns, da wir noch im U2 Fan Shop am Venetian ein T-Shirt und eine Tasse kaufen wollten und auch spätmittags erst aus Freemont (Las Vegas Downtown) zurückgekommen sind. Die Busfahrten der Deuce-Line auf dem Strip dauerten länger als geplant. Es ist viel los an diesem Samstag und überdies sind wegen des Formel 1 Rennens bereits große Areale um das Bellagio und dem Caesars Palace abgesperrt und Fussgängerumleitungen eingerichtet. Aber egal, Dylan gilt zwar als Geheimtipp, klingt mir aber in der Konzertvorrecherche ein bisschen zu poppig (Amy Macdonald) und Russ und sein Hip-Hop sind für mich doch arg belanglos. Nichtsdestotrotz sehen wir seinen kompletten Auftritt.
Gegen 19 Uhr und zum zweiten opening act sind wir auf nämlich dann doch auf unseren Plätzen. Wir haben einigermaßen schnell die Sicherheitskontrollen am Stadion passiert und dann entschieden, erst am Schluss Merch zu kaufen und finden uns so überraschend früh auf unseren Sitzplätzen ein. Oberrang zwar, aber schön mittig. Perfekte Plätze, da die Bühne kreisförmig in der Platzmitte aufgebaut ist. Wäre es anders, wären die Plätze nicht ganz so gut.
Russ heißt der amerikanische Rapper, der leider nicht wirklich überzeugen kann. So bleibt Zeit, sich im Stadion umzugucken. Was direkt auffällt, die Beinfreiheit an den Plätzen ist viel größer als in deutschen Fußballstadien. Und die Sitze breiter. Was noch auffällt: eine Dose (!) Bier (1,5 oz) kostet 16 Dollar. Das Essensangebot reicht von gut bürgerlich amerikanisch über TexMex bis hin zu vegetarisch. Eigentlich gibt es alles außer Bratwurst mit Senf im Brötchen. Auf jeder der vier Tribünenebenen sind mehr als genug Essensstände untergebracht. Lange Warteschlangen bilden sich kaum.
Normalerweise ist hier das Las Vegas Footballteam beheimatet, die LV Raiders. Deren Merch ist leider an diesem Abend geschlossen. Ich brauche jedoch ein Andenken, also kaufe ich ein Ed Sheeran T-Shirt, das mehr kostet als mein Eintrittskarte. Natürlich ist das Konzert ein Showspektakel. Es ist allerdings nur das zweitbeste Showspektakel in dieser Woche. In jeder anderen Woche ohne U2 Konzert in der Sphere wäre es anders.
Ein Countdown zählt die letzten 10 Minuten herunter. Grell leuchten die Zahlen auf dem runden LED-Schirm, der die Bühne umrahmt. Weitere Bildschirme sind in Form von Plektrons im Stadionrund installiert. Das sieht schon schön aus.
In der Mitte des Innenraums ist eine runde Bühne aufgebaut. Langsam bewegt sich der äußere Teil im Uhrzeigersinn. Dort sind nur ein Mikrofon und ein paar Fußpedale aufgebaut. Ed Sheeran steht alleine auf der Bühne. Oder besser gesagt, er läuft alleine auf ihr umher. So still stehen mag er eher weniger. Ich möchte nicht wissen, wie viele Schritte er an einem Konzertabend abreißt, 10000 werden es locker sein. Eine Gitarre und eine Loopstation, mehr braucht er nicht, um die vielleicht 65000 Leute zu begeistern.
Das Stadion ist nicht ganz ausverkauft, ein paar Sitzplätze bleiben leer und auch der Innenraum ist nur zu ca. 40% gefüllt. Obwohl ich da immer unsicher bin, wie hoch die Auslastung aus Sicherheitsgründen sein darf. Ich glaube, in den USA gibt es besondere Regeln. Also sind die 40% Auslastung bestimmt 80% Auslastung. Von hier oben wirkt der Innenraum zumindest leer und ich frage mich, wie die Sicht von Ed Sheeran auf die Dinge ist. Fühlt sich beim Blick von der Bühne genauso leer an, wie beim Blick von oben? Um die Bühne herum ist ein sicherlich 5 Meter breiter Graben, dann kommen sechs Sektoren, jeweils getrennt durch Kabelwege und die Bühnenmasten, in denen die Leute stehen. Außerhalb dieser Tortenstücke ist der Innenraum mehr oder weniger leer.
Und natürlich ist es ein Hits Konzert. Wer in den letzten 10 Jahren aufmerksam Radio gehört hat, kennt sehr viele Songs. Entsprechend euphorisch ist die Stimmung. Obwohl ich nichts direkt von Ed Sheeran kenne, kenne ich fast alles. Ich habe zwar in den letzten 10 Jahren nicht so super aufmerksam Radio gehört, aber das reicht scheinbar schon. Was ich nicht kenne sind die Songs des neuen Albums und die Kollaborationssachen.
Die spielt er dann auch nicht alleine. Abseits der Bühne, in der Nähe der Masten sind Nebenbühnen aufgebaut, auf denen die weiteren Musiker stehen/sitzen. Das Schlagzeug hat eine eigene Bühne, die Gitarristen, etc. Ich sehe das erst zufällig irgendwann, explizit darauf hingewiesen wird nicht. Es ist halt ein Ed Sheeran Konzert und kein Ed Sheeran & Band Konzert.
Das Konzert ist kurzweilig, überraschend kurzweilig und ich finde es beeindruckend, wie souverän und toll Ed Sheeran das Stadion im Griff hat. Ich meine, er steht ganz alleine auf dieser sehr großen Bühne, ohne Band als Backup. Das hat schon was. Ich ziehe meinen Hut, das verdient meinen höchsten Respekt.
Ed Sheeran erzählt zwischen den Songs viel und lange. Leider ist die Akustik in der riesigen Schüssel nicht so dolle, es hallt ohne Ende und seine Geschichten – die meist über die Entstehung des nächsten Songs, das wie und warum handeln – sind nur schwer zu verstehen. Bei den Songs ist alles einwandfrei ausgesteuert. Sonst wäre es auch übel.
Zwischendurch ab einer Stunde leichte Längen. Ein paar Songs von Kollaborationsalbum und das Duo mit Russ funzen nicht wirklich. Stimmung brandet erst wieder mit „Galway girl“ auf. Es ist jetzt gut die Hälfte des Konzerts um. Ed Sheeran, der sich für dieses Halloween Konzert (in USA ist es das Halloweenwochenende) als Chucky, die Mörderpuppe verkleidet hat, läuft immer noch unermüdlich über die Bühne. „Love Yourself“, das er für Justin Bieber geschrieben hat, läutet das Finale ein. Kommt jetzt noch was außer „Bad habits“ und „Shape of you“, was man wirklich verpassen könnte. Es ist viertel vor zehn, das Konzert 90 Minuten alt und eigentlich so gut wie vorbei. Wir denken also, ‘nein viel kommt nicht mehr. Ein, zwei Songs noch. Höchstens drei’, und verlassen unsere Sitzplätze. Ich will noch ein T-Shirt kaufen, habe aber keine Lust auf langes Anstehen. Als wir just die Treppenstufen hinunter gehen, hören wir aus dem Innenraum einen zwar bekannten, aber nicht Ed Sheeran zuzuordnenden Song. „Mr Brightside“ von den Killers. Und wir hören noch eine zweite, eher dem Song zugehörige Gesangsstimme. Schnell gehen wir durch irgendeine Tür zurück in den Innenraum und tatsächlich, neben Ed Sheeran steht Brandon Flowers auf der Bühne. Argh. Gemeinsam singen sie „Mr Brightside“. Mist, hätten wir doch noch die Ansprache abgewartet und wären nicht sofort nach „Photograph“ aufgesprungen, um zu gehen. Jetzt stehen wir hier suboptimal und verpassen die Besonderheit des Abends, die Attraktion des Konzertes, die Einzigartigkeit dieser Tour. Im Anschluss an „Mr. Brightside“ singen beide noch den Ed Sheeran Song „Castle on a Hill“. Na toll. Auch das verpassen wir, denn dummerweise sind wir auf der Ebene Logenplätze und werden nach ein, zwei weiteren Minuten aus dem Innenraum herausgebeten. Schade und Ärgerlich. Diesen Gastauftritt haben wir uns aber sowas von voll durch die Lappen gehen lassen. Mist. Eine Rückkehr zu unseren Plätzen macht null Sinn; bis wir da wären, wäre der Zauber vorbei. Immerhin ist an einem der Merchstände wenig Betrieb, so dass der T-Shirt Kauf nur Sekunden dauert. Von außen lauschen wir noch der Zugabe, dann strömen alle aus dem Innenraum zu den Ausgängen. Nach knapp zwei Stunden ist das Konzert vorbei. Wir gehen gemütlich über die Interstatebrücke zurück zum Mandalay Hotel, steigen in die hoteleigene Monorail, die uns bis zum Excelsior Hotel bringt. Entlang dem MGM und New York Ressort gehen wir zurück zu unserem Hotel.
Es ist kälter als die letzten Nächte, der Wind pfeift etwas stärker. Noch ein letzter Blick den Strip herunter, dann geht es endgültig ins Hotel. Nachts sieht Las Vegas definitiv glamouröser aus als bei Tageslicht.
Es ist ein guter Ausklang unseres Las Vegas Trips. Lady Gaga bei U2, Brandon Flowers bei Ed Sheeran. In Las Vegas scheinen Gastauftritte die Regel zu sein. Uns passte das sehr.
Kontextkonzerte:
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