Ort: Stadtgarten, Köln
Vorband:

Konzert, Craig Taborn,Dave King,Stadtgarten,Jazz,pretty paracetamolNa das war mal ein sehr interessanter und gleichsam experimenteller Einstieg in mein Konzertjahr. Craig Taborn und Dave King im Stadtgarten lieferten mir eine, wie soll ich sagen, experimentelle Minimal-Jazz-Improvisationserfahrung.
Ein Zufall, beziehungsweise der Surprise Ticketpass führten mich in dieses Konzert. Wer glaubt, dass ich als Fan von Craig Taborn und Dave King im Stadtgarten saß, der irrt leider. Die Namen las ich vor einigen Tagen das erste Mal, ein Fan bin ich höchstens von Jazz. Aber ein Anfängerfan.

Ich denke, ich erkläre kurz, was der Surprise Ticketpass ist: Mitte Dezember erhielt ich vom Stadtgarten eine E-Mail. Für das nächste Jahr würde ein sogenannter Surprise Pass angeboten, der für den Preis von 10 Euro Zutritt zu 5 Konzerten in den Moten Januar bis Oktober gewährt. Pro Monat bekäme der Surpriser ein Konzert angeboten, das er dann besuchen könne oder aber nicht. Ich musste nur kurz überlegen. 5 Konzerte für 10 Euro, da kann ich doch nix falsch machen. Schnell kaufte ich den limitierten Konzertpass und bekam so in diesem Monat den Besuch des Konzertes von Craig Taborn & Dave King angeboten. Wie schon erwähnt, ich konnte mit beiden Namen nichts anfangen. Aber es gibt ja Google und YouTube und so suchte ich und fand wenig befriedigend sehr unterschiedliche Musikmitschnitte. Sowohl Craig Taborn als auch Dave King scheinen in sehr vielen Bands mitzuwirken und eine Vielzahl von Projekte unterschiedlicher Musikrichtungen zu bespielen.  Es war mir unmöglich, gemeinsame Musik der beiden zu finden. Es gab Craig Taborn mit dem Dave King Trio, aber näher kam ich nicht ran an die beiden. Räumlich war meine Suche nach Gemeinsamkeiten erfolgreicher: Beide stammen aus Minneapolis.

‘Zusammen Musik würden die beiden seit 1983 machen, seit sie sich auf dem Geburtstag von Julie Robertson getroffen und kennengelernt haben. Damals hätten sie Sachen von Rush und AC/DC gespielt bzw. aufgelegt, heute Abend jedoch würden sie was ganz anderes machen.‘

Ein besseres Intro in das Konzert hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich sitze nur einen halben Meter vom Schlagzeug entfernt. Es war eine gute Idee, so früh am Stadtgarten zu sein, dass ich mir meinen Sitzplatz noch aussuchen konnte. Vorne, Mitte, hinten, mehr links, eher rechts. Was sich anfangs für mich so anhörte, als sei der Jazzsaal des Stadtgartens nicht ausverkauft, stellte sich zu Konzertbeginn als Irrtum heraus. Die Sitztribüne war voll.
Craig Taborn hat sein Instrumentarium links von mir aufgebaut. Der Pianist und Organist hat eine ganze Menge an Tasteninstrumenten dabei. Der Flügel, darauf ein Keyboard und im rechten Winkel dazu zwei weitere Tasteninstrumente und eine Menge an Knöpfen und Reglern. ‘That’s my workspace for tonite‘, so der Pianist. Jetzt stöpselt er noch sein IPad dazu, mit dem er im zweiten Konzertteil ein paar Sprechsequenzen versamplen wird. Neun Alben hat Craig Taborn veröffentlicht, auf mehr als 90 mitgewirkt.
Sein Partner Dave King am Schlagzeug steht qualitativ auf derselben Linie. Mit seinen Bands und Projekten sind unzählige Alben erscheinen, seine Platte Never stop II mit seiner aktuellen Band (also die Band, mit der er als nächstes auf Konzerttour geht) The Bad plus zählt der Rolling Stone in seinem Jahrespoll zum besten Jazzalbum 2018.

Nachdem sich Dave King hinter sein Schlagzeug gesetzt hat und Craig Taborn noch einige Pedale vor seinem Flügel richtete und die Synthesizer anstellte, konnte es beginnen.
Ganz ruhig mit Klingel- und einzelnen Klaviertönen starteten sie in den ersten Song. ‘Okay denke ich, es wird vielleicht eher minimalistisch.‘ Richtig gedacht, den bedächtig geht es weiter. Über ruhige Airdrums, Jazzbesen und vielen kleinen Tönen aus den elektrischen Tasteninstrumenten schrauben sich Craig Taborn und Dave King in den ersten Teil des Konzertabends. Mal knurspelt es hier, mal höre ich Synthiewellen dort und dann wieder Sequenzen klassischen Klavierspiels; es ist eine Vielzahl an Tönen, die mir entgegenschwirren. Mitunter wirkt alles sehr abstrakt und strukturlos. Es scheint beliebig, wenn  Dave King mit seinem Handrücken auf die Bespannung der Schlagzeugtrommel drückt und so irre Geräusche erzeugt. Das ist aber nicht, denn natürlich hat jeder Ton seine Berechtigung und das große Ganze Hand und Fuß. Das merke selbst ich Jazzanfänger immer dann, wenn im Laufe einer Sequenz die beiden Musiker immer wieder zusammen kommen. Augenkontakt oder eine geheime Zeichensprache benötigen sie dafür nicht. Es klappt auch so. Trotzdem frage ich mich, wieviel von alldem Improvisation ist und wieviel sie vorher abgesprochen und eingespielt haben.
Einzelne Songs oder Tracks sind kaum auszumachen. In der ersten Dreiviertelstunde gibt es zwei Klatschpausen, nach einer viertelstündigen Pause im zweiten Teil genau eine. Zwischendurch erinnert mich der Sound an Filmmusik, mehrfach erinnert mich das Klavier an die Lost in Translation Melodie. Es ist ein experimenteller Musikabend zwischen Jazz und Avantgarde.

Zum Ende des Konzertes schließt sich der Kreis. Craig Taborn spielt eine ähnliche Klaviermelodie wie zu Beginn des Abends und als Zugabe spielt das Duo eine Sequenz aus „Theme of the Stargazers“ von Sun Ra. Im Popbereich würde man wohl Coverversion sagen. Gefühlt der erste Song mit klassischer Struktur.

Auf dem Rückweg fällt es mir ein: Ach, im letzten Jahr sah ich diese Instrumentenkombination schon einmal. John McEntire und der Sea and cake Sänger, mir fällt der Name gerade nicht ein, schufen mit Schlagzeug und Synthesizer aber ganz andere Klangwelten.

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Multimedia: (Einen Tag später in Amsterdam)

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