Ort: Tonhalle, Düsseldorf
Vorband: –
Es gab Optionen an diesem Dienstag. Courtney Barnett, Future Islands, Jeff Parker, noch irgendwas. Da ich einige der Künstler*innen dieses Jahr schon gesehen habe, entschied ich mich auf Anfrage für etwas ganz anderes: einen Besuch der Tonhalle Düsseldorf und der dortigen Veranstaltung um Bryce Dessner.
In Düsseldorf finden in dieser Woche die MTV EMA statt, also die European Music Awards des ehemaligen 100% Musiksenders MTV. In den 1990er Jahren wäre das ein Höhepunkt und in der Verbindung mit der vor der Veranstaltung stattfindenden MTV Music Week sicherlich der Ort, an dem ich sehr viele Konzerte sehen würde. Aber in den 1990er Jahren gab es noch kein MTV Deutschland und die Award Shows fanden in Großbritannien statt. C’est la vie. Da mittlerweile für mich MTV keine Rolle mehr spielt, hatte ich überhaupt nicht mitbekommen, dass diese beiden Veranstaltungen in dieser Woche in Düsseldorf stattfinden. Erst als ich mir ein Ticket für Bryce Dessner & Dream House Quartet kaufte, las ich das von der MTV Music Week. (Und einige Google Klicks später natürlich auch von den EMAs.)
Aber lustigerweise war die Veranstaltung nicht nur in die MTV Music Week eingebettet, sie war auch zugleich die Eröffnungsveranstaltung des Approximation Festivals, das zeitgleich in Düsseldorf an – ich glaube – vier Abenden und an vier unterschiedlichen Orten durchgeführt wurde. Ehrlich gesagt, ich hatte von diesem Approximation Festival noch nie zuvor gehört. Aber hier half das Internet:
Die Idee für das Approximation Festival entstand aus der Motivation heraus, Musikerinnen und Musiker, Komponistinnen und Komponisten in einem Projekt zu vereinen, das Grenzgänge auf dem Klavier wagt. Das Festival möchte versuchen, sich diesem so vielseitigen Instrument auf eine neue, innovative Weise und auf der Basis verschiedenster Kontexte oder Stile anzunähern (approximate).
Das Approximation Festival wurde 2005 im Salon des Amateurs in der Kunsthalle Düsseldorf von Volker Bertelmann (HAUSCHKA) und Aron Mehzion aus der Taufe gehoben. Lag zur Gründung von Approximation der Schwerpunkt noch auf der Schnittstelle von Klavier und elektronischer Musik, eröffneten sich bald Verbindungen zu anderen Formen der experimentellen und Neuen Musik. In den folgenden Jahren erweiterte sich der Ansatz von Approximation hin zu einem grenzüberschreitenden Festival en miniature, das mit seinen kontrastreichen Konzerten Extreme suchte und präsentierte. Die Konzerte zielten dabei nicht nur auf ein „klassisch“ zu nennendes Publikum, sondern begeisterten auch eine eher im Bereich von Avantgarde, Neuer Musik, Jazz, Lounge, Pop und Experiment beheimatete Hörer-Klientel: ein Versuch, neue Horizonte im Bereich der Publikumswirkung von Musik ins Visier zu nehmen.
Okay. Das ordnete die Sache ein.
Bryce Dessner ist der Typ von The National. Der, der die Gitarre spielt. Neben seinem Job bei The National ist er musikalisch sehr umtriebig. Soundtracks, Kollaborationen, Kompositionen. Sehr oft lese ich den Namen Dessner und häufig bei Sachen, wo ich ihn nicht erwarte: Arbeiten für das New York City Ballet oder Kompositionen für das Kronos Quartet, ein Streicherquartett. Und zum Beispiel auch in Verbindung mit diesem Festival. Und es ist nicht nur so, dass er zusammen mit dem Dream House Quartet auftritt, er kuratiert sogar das Festival in diesem Jahr.
Doch zurück zum Konzert. Der Untertitel für diesen Abend lautet: Besuchen Sie Bryce Dessners Uraufführung „Sonic wires“ mit dem Dream House Quartet.
A ha, okay. Einen kurzen YouTube Schnipsel später war ich geneigt, ein Ticket zu kaufen. Das klang spannend, auch wenn ich für diesen Abend noch nicht hundertprozentig wusste, was mich erwartet. Irgendetwas, das man mit minimal music bezeichnet. Und schon wieder brauche ich das Internet. Was versteht man unter minimal music?
a) Eine Musikform, die in einer unendlichen Wiederholung kleinster, nur wenig variierter Klangeinheiten besteht.
b) Die Minimal Music ist mehrstimmig und besteht meistens aus einem festen Rhythmus, der das ganze Stück hindurch gespielt wird. Durch Änderungen im Tempo der einzelnen Stimmen entsteht eine Phasenverschiebung und dadurch ein neues Klangbild. Es werden außerdem sehr oft Percussion-Instrumente benutzt. Die Hauptinterpreten dieser Musiker sind La Monte Young, Terry Riley, Steve Reich und Phillip Glass.
Jetzt bin ich irgendwie nicht schlauer. Egal. Klingt aber spannend.
Das Dream House Quartet sind neben Bryce Dessner die Schwestern Katia und Marielle Labèque am Flügel sowie David Chalmin, der auf der sommerlichen The National Tour bei dem ein oder anderen Termin das Vorprogramm bestritt. Falls jemand spontan beim Lesen über den Namen stolpert. Auch ich kenne den New Yorker Gitarristen irgendwoher, kann das aber gerade nicht einordnen.
Nach einer mehrminütigen Einführung durch den Ausrichter betreten die vier Musiker die Bühne der zu vielleicht einem Fünftel gefüllten Tonhalle. Minimal music ist Nischenmusik, die sicherlich nie ein größeres Publikum anziehen wird. Mit vielen Besuchern rechnete sicherlich niemand. Auch wenn das ganze Festival in die MTV Music Week eingebettet ist, MTV Publikum hat sich hierhin nicht verirrt.
Um zwanzig nach acht höre ich den ersten Tastenanschlag. Nach dem ersten Stück ergreift Bryce Dessner das Mikrofon und gibt Erläuterungen darüber, was wir hören werden und wie die Musik zustande gekommen ist. Es folgen aneinandergesetzt Stücke von Meredith Monk und Desssners Eigenkomposition „Sonic wires“, ehe die beiden Gitarristen die Bühne verlassen. Katia und Marielle Labèque bleiben und spielen die Philip Glass Komposition „Four moments for two pianos“. 10 Minuten später ist das Stück vorbei und die beiden Schwestern verlassen ebenso die Bühne. Das Licht geht an.
Mhh, ist es das jetzt schon? Das waren nur knapp 30 Minuten, wenn ich die einführenden Worte des Veranstalters abziehe? Okay, Qualität vor Quantität, aber das erscheint mir jetzt schon etwas merkwürdig. Wir sind kurzzeitig irritiert, unwissend und outen uns als Laien im Besuchen von E-Musik Konzerten. Auf Nachfrage bei den Platzanweiser*innen erfahre ich, dass jetzt eine gut 30-minütige Pause folgt, bevor es für weitere 45 Minuten weitergeht. Gut, mit einer Pause hätte ich rechnen können; dass sie nach 20 Minuten kommt, brachte mich etwas durcheinander.
Um kurz vor halb zehn geht es weiter. Dieses Mal mit mehr Musik. Neben einer weiteren Dessner Komposition ( „Haven“) und einer Chalmin Komposition stehen für den zweiten Teil des Konzertes auch zwei Stücke von Steve Reich auf dem Programm. Dieser zweite Part gefällt mir besser. Die Stücke sind mir zugänglicher und weniger vertrackt als die vor der Pause. Vielleicht habe ich mich auch nur an das Zusammenspiel von Klavier und Gitarre gewöhnt und mich eingehört.
Leider ist nach wie vor der Sound nicht hundertprozentig top. Die Gitarren hören wir kaum. In einer ruhigen Sequenz nehme ich gar das metallische Klacken wahr, wenn das Plektron die Saiten berührt. Ein technischer Defekt? Ist die Hardware nicht richtig verkabelt? Ich vermute fast, denn das soll doch nicht so sein, oder? Aber das bleibt der einzige Wermutstropfen einer sehr schönen und kurzweiligen Veranstaltung.
Kontextkonzerte:
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