Das Wochenende bietet einige Optionen. Wenn man zu den 5000 glücklichen gehört, die eine Karte für das Haldern-Pop Festival ergattern haben, bietet sich am Niederrhein die Chance, in schönster Umgebung Bands wie Maximo Park, The National, Editors oder die Flaming Lips zu befeiern. Nicht das Schlechteste.66 Massive Attack 08082008
Alternativ sollen einige Menschen das Wochenende rund um den Schnapszahlentag 8.8.08 auch dazu nutzen, einen Lebensbund mit einem netten Menschen einzugehen.
Oder aber man fährt zum Roncalliplatz nach Köln, um dort im Rahmen der „Music Unlimited Cologne“ Konzertreihe drei wundervolle Bands aus drei unterschiedlichen Musikrichtungen zu bewundern. Freitag TripHop mit Massive Attack, Samstag Rock-Pop mit den Killers und Sonntag Reggae mit dem Kölner Gentleman.
Als das Wochenendline-up der Roncalliplatzbühne im Juni bekannt gegeben wurde, kam es zu leichten Irritationen innerhalb der städtischen Politikerriege. Bei der Zustimmung für das Festival sei man von anderen Künstlern ausgegangen. Will sagen: hätte man gewusst, dass eine Rockband vor dem Dom spielt, die sich auch noch The Killers nennt, hätte das mit der Zustimmung überdacht werden müssen. Letzten Endes konnten aber alle Bedenken beiseite gekehrt werden, und so gaben Massive Attack am Freitagabend den Startschuss ins Wochenende. Massive Attack 08082008Massive Attack also, oder Massive, wie sie sich Anfang der 90er Jahre nannten. Die Band um die beiden Köpfe Robert del Naja (3D) und Grantly Marshall gehörte Anfang der 90er Jahre neben Portishead und Tricky zu den Mitbegründern des TripHop. 1991 erschien ihr Debütalbum „Blue Lines“. Das Album steht auch in meinem CD Regal, war aber in den letzten Jahren ein bisschen in Vergessenheit geraten. Wie die Band auch. 2003 erschien Massive Attacks letztes reguläres Album. Seitdem arbeiteten sie an einem Filmsoundtrack mit und veröffentlichten eine Best-of CD. Nichts spektakuläres, nichts, was die Aufmerksamkeit erregen könnte.
Einzig ihr Song Teardrop, den höre ich wöchentlich. Im Vorspann zur TV Serie Dr. House, was die ohnehin hohe Qualität der Arztserie nochmals unterstreicht.
2009 soll ein neues, dann das 5. Studioalbum der Band erscheinen.
Doch bis dahin ist stehen wir auf dem Roncalliplatz und schauen uns ein weiteres TripHop Urgestein an. Portishead gaben Köln ja schon im Frühjahr die Ehre und lieferten ein beeindruckendes Konzert ab.
Das gestrige stand dem in nichts nach, soviel sei verraten!
Doch bevor Massive Attack eine standesgemäße Show ablieferten, präsentierten Coldcut ein einstündiges DJ Set.Coldcut 08082008
Die Masterminds Matt Black und Jonathan Moore versuchten die noch nicht zahlreich Anwesenden mit einem Mix aus antiquiertem 90er Jahre Jungle / Drum Beat und eingemischten Samples aus „Im nin‘ Alu“ über „Jump“ bis zu „Killing in the name of“ zu überzeugen. Es gelang nur bedingt. Das Set war weder tanzbar noch besonders innovativ. Ein kleiner Höhepunkt ihrer Performance war „Walk a mile in my shoes“, auch bekannt aus der O2 Werbung, in der – allerdings nur instrumental – ein Stück aus dem Refrain benutzt wird. Was da wohl der Hauptsponsor der „Music Unlimited Cologne“ sagt?
Aber es liefen ja genug Vodafone Männchen rum, verteilten Karten, Bändchen und sonstigen unnützen Kram. Man vergaß also nie, wem man dieses Konzert zu verdanken hat. Commercial at it best.
Coldcut legten eine gute Stunde lang auf und schauten sich anschließend Massive Attack aus dem Innenraum heraus an.
Die Bristoler (?!) kamen mit Gesangsverstärkung. Jolanda, die Frau für die dunklen und bassigen Stücke, sie sang u.a. zu „Save from harm“ und „Unfinished symphony“. Im Gegensatz dazu Sängerin Nr. zwei, Stephanie. In ihrem weißen Kleid und mit ihren blonden Haaren sah sie nicht nur aus wie ein Engel, sie sang auch so und lieh ihre Stimme u. a. dem wundervollen „Teardrop“.Massive Attack 08082008
Die Bühnenshow war adäquat. Dunkle Ausleuchtung, viel Backlight, im Hintergrund ein fünfstufiges Diodenlaufband auf dem abwechselnd Botschaften, Flugpläne und sonstige Lichtinstallationen stimmungsvoll die Songs ausleuchteten. Dazu viel Nebel und wenige Front- und Deckenscheinwerfer. Die bevorzugte Kleiderfarbe der Musiker war schwarz, einzig Stephanie in ihrem weißen Kleid fiel auf.
Die zwei Schlagzeuger, Gitarrist und Bassist hielten sich dezent im Hintergrund. In der Mitte der Bühne waren 3D`s und Grantley Marshall`s Keyboard- und Computertürme aufgebaut. Davor in einer Reihe fünf Mikrofonständer. Neben Jolanda und Stephanie übernahmen auch 3D, Grantley Marshall und ein weiterer Künstler unbekannten Namens verschiedene Gesangparts. Hier fand zwischen den Songs ein munteres Sänger-wechsel-dich Spielchen statt, das den gut 90 minütigen Auftritt allein nicht langatmig erschienen lassen hätte, wenn er denn langweilig gewesen wäre. War er aber nicht. Die Zeit verging rasend schnell.
Das angenehme Wetter – nicht ein einziger Regentropfen fiel während des Auftritts – mit leichtem Wind und idealen Temperaturen tat sein übriges. So macht Musik gucken unter freiem Himmel Spaß.Massive Attack 08082008
Der Dom als Hintergrundkulisse, eine ordentliche Organisation und ein gutes, unaufgeregtes Mittdreissiger- Publikum ließen uns einen entspannten Abend verleben.
Allerdings merkte man, dass viele der 6000 nicht nur wegen der Band hier waren, sondern weil sie bei irgendeiner der zahlreichen Gewinnspiele mitgemacht und Tickets gewonnen hatten. Von der Stimmung her hätte es durchaus ein bisschen mehr sein können. Massive Attacks Spiellaune tat dies aber keinen Abbruch. Sie zeigten eine hinreißende Show, die zwar nicht ganz an den Portishead Abend im Palladium heran reicht, aber mit der sie locker unter den Top 5 Konzerten des Jahres rangieren.
Mal schauen, was die Killers am Samstagabend abliefern!
Setlist:
– All i want
– Marooned
– Rising sun
– Teardrop
– 16 Seeter
– Mezzanine
– Harpsichhord
– Red light
– Inertia Creeps
– Safe from harm
– Marakesh

– Angle
– Unfinished symphony
– Dobro

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Multimedia:
Fotos: frank@ipernity
Video: Teardrop
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