Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Big Business

The Melvins

Die Ergänzung leicht oder light bedeutet allgemeinhin, dass im Gegensatz zum Originalprodukt etwas fehlt. Je nach Produkt steht light für einen reduzierten Gehalt an als ungesund angesehenen Bestandteilen wie Fett, Zucker, Ethanol, Nikotin oder den Verzicht darauf. Er kann zum Beispiel bedeuten: kalorienreduziert, fettarm, zuckerfrei, mit wenig Kohlensäure, mit wenig Koffein usw.
Ich kenne Rama leicht, Bud Lite (in optisch schönerer american english Schreibweise) und Coca Cola light. Ich glaube, Coca Cola light war das erste light Produkt, das mir in meinem Leben untergekommen ist. Wann war das nochmal? Ah, 1983. Gott, ist das lange her. Damals war es extrem cool, Coca Cola light zu trinken. Coca Cola konnte ja jeder, aber light?! In der silbernen Dose war es die stylish bessere und alternativere Cola Art. So wie in den 00er Jahren Bionade anstatt von normalem Orangensprudel.
Nun gibt es also auch Bands in der Leichtvariante. The Melvins Lite sind die Melvins in abgespeckter Form. Das bedeutet, dass Buzz Osburne und Dale Crover ohne ihre aktuellen etatmäßigen Kollegen Jared Warren Coady Willis eine Platte („Freak puke“) aufnahmen und diese nun betouren. Als Bassisten haben sie sich Trevor Dunn von Fantômas geliehen. Er spielt einen sogenannten stand-up Bass und ergänzt Osburnes Gitarren- und Crovers Schlagzeugspiel perfekt.
Die Melvins waren für mich immer ein Buch mit sieben Siegeln.
Verehrt als Urväter des Grunge habe ich es nie geschafft, Ende der 80er und Anfang der 90er so richtig warm mit ihnen zu werden. Ich wusste um die Bedeutung und die Verflechtung der Band aus dem Bundestaat Washington: Matt Lukin gründete mit Steve Turner und Mark Arm Mudhoney, nachdem beide bei Green River ausstiegen, Dale Crover spielte aushilfsweise Schlagzeug bei Nirvana, und trotzdem. „Houdini“, ihr Major Debüt Album habe ich kaum gehört, gekauft hatte ich es wohl seinerzeit nur, weil Kurt Cobain in irgendeiner Art und Weise daran beteiligt war. Dann muss es ja was sein, dachte ich wohl. War es aber nicht, die etwas härtere Gangart der Melvins behagte mir seinerzeit nicht so richtig. Weitere Versuche, die Band besser kennenzulernen scheitern in den nächsten Jahren ebenso.
Nichtsdestotrotz wollte ich die Melvins immer mal sehen. Wenn mir schon ihre Platten nicht gefallen, dann vielleicht ihre Konzerte. Eine sehr unlogische Überlegung, dessen bin ich mir bewusst. Aber an diesem Freitag verspürte ich urplötzlich große Lust, diese Unlogik in die Tat umzusetzen. Ich hatte nichts besseres vor, und im Zweifel ist es angenehmer, sich auf einem Konzert zu langweilen als daheim. Um es jedoch gleich klarzustellen, gelangweilt habe ich mich bei den Melvins nicht.
Und so machte ich mich auf den Weg. Das Konzert war relativ spät auf halb zehn terminiert, und so gab es vorher noch genügend Zeit, den alltäglichen Freitagskram wie einkaufen in aller Ruhe zu erledigen. Als Vorband standen Big Business auf dem Programm. Als ich gegen zehn Uhr den Konzertsaal betrat, war die Bühne allerdings noch leer. Oder schon wieder? So genau konnte ich es nicht ausmachen. Als dann aber um viertel nach zehn drei junge Männer zu den Instrumenten schritten war klar, die Melvins waren das nicht. Die sollten noch eine Stunde auf sich warten lassen. Eine Zeitspanne, die gefühlt sehr viel länger andauerte als 60 Minuten. Big Business sagten mir nichts und werden mir auch in Zukunft nicht viel sagen. Ihr Stoner Rock Metal kam mir nicht entgegen. Mir kam er zu einfach vor, zu berechenbar. Musikalisch sind Big Business zwar nicht weit weg von den Melvins, inhaltlich trennen sie aber Welten. Ich bin in musikalischen Dingen wahrlich kein Fachmann, aber schon während des Big Business Auftritts war mir klar, dass die Melvins mich nicht so hängen lassen würden. „Eye flys“, die Melvin’sche Konzerteröffnung, es blieb mir in Erinnerung, weil der Gesang erst sehr spät einsetzt und es einen tollen Schlagzeugbeginn hat, überzeugte mich dann auch direkt. Das war doch von anderer Güte! Und gerade das Schlagzeugspiel begeisterte zog mich in den Bann. Da es am Bühnenrand und nicht im Hintergrund aufgebaut war, hatte ich beste Sicht auf die Virtuosität Dale Crovers. Oh Mann, das sah toll aus. Die Stöcke wirbelten nur so umher. Toll!
Neben Crovers Schlagzeug war immer noch das Schlagzeug der Vorband aufgebaut. Warum in der recht langen Umbaupause das Schlagzeug nicht abgebaut wurde, erklärte sich in der Zugabe. Dort spielten Crover und der Big Business Schlagzeuger einen ausgedehnten Schlagzeugpart zum Konzertende hin. Kann man so machen. Leider behinderten die beiden Schlagzeuge und die jeweils über ihnen angebrachten Mikrofone und Mikrofonständer von meinem Standpunkt aus etwas die Sicht auf King Buzzo. Der stand links, rechts neben dem Schlagzeug spielte Trevor Dunn seinen Bass. Das war schade, große Lust auf die andere Seite des Saales zu wechseln, hatte ich aber keine. So wichtig war mir das nun auch wieder nicht.
Zwischen „Eye flys“ und dem Schlagzeugfinale lagen gute 90 Minuten. Anfangs spielten die Melvins nahtlose Übergänge zwischen den Songs, so dass mir nicht immer direkt auffiel, wann ein Song zu Ende war und ob ein neuer Song just begann. Es verwirrte jedoch nicht nur mich beim Applaudieren in den kurzen Ruhesequenzen. War der Song nun vorbei oder nicht? Neben der zeitweise sehr metallastigen Gitarre war das Schlagzeug lautstärketechnisch sehr präsent. Früher einmal wurden die Melvins als lauteste Band des Universums gehandelt, auch wenn das heutzutage nicht mehr der Fall ist, in einigen Songpassagen konnte ich mir gut vorstellen, dass es so war.
Es war ein kurzweiliges und interessantes Konzert. Ich verspürte wenig Lust, gegen Mitternacht den Saal zu verlassen. Zwar war ich mir nicht ganz sicher darüber, wie die Öffnungszeiten des Parkhauses seien, aber das wurde mir von Minute zu Minute gleichgültiger. Hier wollte ich keine Minute verpassen und zur Not würde ich eben bis zum Morgen warten, um nach Hause fahren zu können.
Wer im Netz nach Videobeweisen sucht, wird sie nicht finden. Zwei sehr eifrige Saalordner in zivil sorgten dafür, dass nach den ersten drei Songs niemand mehr Fotos oder Videos aufnimmt. Und damit meine ich und meinten die Verantwortlichen wirklich niemand. Selbst das allseits beliebte und manchmal gehasste, aber Tage später sehr geschätzte Mobiltelefonrecording wurde rigoros unterbunden. Die Kollegen hatten ordentlich zu tun, wie sich jeder denken kann. Irgendwie unglaublich, dass 2013 so was noch unterbunden wird.
Aftershow Gespräche: „Und, wie fandet ihr denn so die Melvins?“ „Geht so. Sie haben meine Lieblingslieder nicht gespielt.“ „Was ist ‘n das, „snake appeal“?“ „Ja nee, eigentlich das gesamte erste Album.“ „Von wann ist das nochmal, ‘83 oder so, nicht?“ Ich lerne immer und überall …

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