Ort: Luxor, Köln
Vorband:

they might be giants,konzert,köln,luxor,concert revue„Ana Ng“. Tanzflächenfüller in der Dortmunder Live Station und erster Hit der They might be giants. Es ist 1990 und „Ana Ng“ mein erster, und – so kann ich jetzt sagen – bisher einziger bewusster Berührungspunkt mit den beiden Johns, John Flansburgh und John Linnell. Natürlich nahm ich danach noch „Istanbul (not Constantinople“ oder „Dr Worm“ wahr, auch erkannte ich die They might be giants in der TV Serie Malcom mittendrin als Soundtrack Schreiber, aber eines der unzähligen Studioalben der They might be giants habe ich nie gehört. Und weder Lincoln, das mit „Ana Ng“, oder Flood, das mit den anderen Hits, stehen in meinem CD Regal. Es schien mir nicht sonderlich wichtig zu sein, diese Band näher zu verfolgen, genauso wenig wie es mir wichtig war, die Bedeutung des Songs „Ana Ng“ zu hinterfragen. Eine Schande! Ich gestehe.

Als ich im Zug zum ausverkauften Luxorkonzert saß, holte ich das nach. Nein, ich kaufte nicht noch rasch bei Amazon den They might be giants Backkatalog, ich googlete nach der Bedeutung von „Ana Ng“. „Ana Ng“ heißt der Song, da die beiden Johns über auffallend viele New Yorker Telefonbucheinträge mit Namen Ng stolperten und das so lustig fanden, dass sie einen Song daraus machten. Lincoln wurde 1988 veröffentlicht, also vor ziemlich genau 30 Jahren. Eine Besonderheit, die mir erst bei der Recherche auffiel, und die bei der Tour, die die Band nach vielen Jahren mal wieder nach Deutschland führt, scheinbar keine Rolle spielt. Ferner las ich auch, dass „Ana Ng“ auf der aktuellen Tour nicht regelmäßig auf den Setlisten stand. Dafür durchschnittlich andere 33 Songs, aufgeteilt in zwei Sets.
John Flansburgh und John Linnell sagen später, sie würden ihre eigene Vorband seien, um Kosten zu sparen. So geht’s natürlich auch. Die Zusammenstellung der beiden Sets erschloss sich mir nicht. Mir schienen die Songs willkürlich zusammengepackt worden zu sein, ohne roten Faden. Hatte die Setlist dennoch eine innere Logik, ich habe sie nicht entdeckt. Wichtiger war, dass durch die beiden Sets ein längerer They might be giants Abend vor mir liegen würde. Meine Neugierde stieg und ich machte mich pünktlich auf den Weg.

Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass es keine Vorband geben wird und es mit den They might be giants sehr pünktlich losgeht.
Früh ist es schon sehr voll im Luxor und noch bevor das Konzert in einer dreiviertel Stunde beginnt, ist es irgendwie schon ein guter Abend. Spätestens nach „Dr Worm“, das als vierter Song gespielt wird, ist mein Vorgefühl endgültig bestätigt. Bereits zuvor gab es schon den ein oder anderen Lacher. John Flansburgh und John Linnell sind guter Dinge und zementieren das Konzert schnell in Richtung großartig.
Nach 20 Jahren seien sie wieder in Köln und spielen immer noch im gleichen Klub, scherzen die beiden. Die Bühne hätten sie aber größer in Erinnerung.
Es geht beengt zu. Neben den beiden Johns sehe ich weitere vier Männer, die sich mit ihren Instrumenten um jeden Zentimeter drängeln. Bassist Danny Weinkauf, Schlagzeuger Marty Beller, Gitarrist Dan Miller und an der Trompete der überragende Curt Ramm (‘He is the same size as we, he’s just far away‘, so stellen die Johns den ganz im Hintergrund stehenden Trompeter vor) bilden die Band; der eine John spielt Gitarre, Trompete und Harmonika, der andere Keyboards, Saxofon, Klarinette, Gitarre und Akkordeon, Altsaxofon.

Ich bin nicht allzu sattelfest mit den Songs. Aus dem ersten Set, das eine gute Stunde andauert,  kenne ich nur „Dr Worm“, „Birdhouse in your soul“ und noch einen Song; im zweiten Set eigentlich nur „Istanbul (not Constantinople)“, das ich gar nicht so dolle finde.
Das Konzert schöpft seine Schönheit also nicht aus dem Wiedererkennungswert alter Hits und Lieblingslieder. Vielmehr ist es die Bühnenpräsenz der Musiker, die das Konzert zu einem sehr besonderen Konzert machen. Es wird gescherzt und viel gelacht. Die beiden Johns sind in Hochform und nehmen alle in ihre Wohlfühlatmosphäre mit. Das Publikum dankt es mit großem Applaus und mitsingen. Ich fühle mich gut aufgehoben. Als die Band den neuen Song „Let’s get this over with“ vom neuen ‘brand new album‘ I like fun ankündigt, schallen plötzlich quasi aus dem Nichts heraus die ersten Verse des „Theme from Flood“ durch den Saal (entsprechend auf I like fun umgemünzt):

Why is the world in love again?
Why are we marching hand in hand?
Why are the ocean levels rising up?
It’s brand new record for 2018.
They Might be Giants‘ brand new album: I like fun

Musiknerds stehen an diesem Abend nicht nur auf der Bühne! Da waren selbst die beiden Johns für ein paar Sekunden sprachlos. Was sie ansonsten so gar nicht sind. Alles und jeden und vor allem sich selbst nehmen sie auf die Schüppe. Es ist ein großer Spaß und es ist herrlich mitanzusehen und anzuhören, wie wenig ernst sich They might be giants auf der Bühne nehmen. Ich habe noch nie ein so lustiges, unterhaltsames und gleichzeitig technisch so hochbrillantes Konzert gesehen. Denn bei allem Klamauk sind die Songs perfekt. Durch den am Keyboard installierten Rückspiegel hat John Linnell jederzeit die Band im Blick und gibt durch Augenzeig Einsätze vor. Das läuft wie am Schnürchen. Es sitzt jeder Ton. Dass die Band – allen voran Curt Ramm – ihr Handwerk versteht, merke selbst ich als Laie.
Es käme nun ein Song, der sei so alt, man könne sich schon gar nicht mehr erinnern wie alt. „Istanbul (not Constantinople)“ und „The famous Polka“ sind für mich die schwächsten Stücke des Abends. Mittlerweile sind nahezu 90 Minuten Konzert vorbei und die Band ist in ihrem zweiten Set angelangt. Der zweite Teil wird eröffnet durch eine Videoprojektion des Rap-Metal Crossover Hits „Walk this way“, über das They might be giants „Last wave“ von I like fun gelegt ist.
Die anschließenden „Letterbox“, „Applause Applause Applause“ und „Why does the sun shine?“ Bilden einen kleinen Akustikpart im Programm. Die beiden Johns und Schlagzeuger Marty Beller haben es sich nah am Bühnenrand gemütlich gemacht. Erst schien es mir, als würde der gesamte zweite Konzertteil so ablaufen, aber als die Pink Panther artige Trompete mit längerem Intro „Istanbul (not Constantinople)“ ankündigt, erwies sich mein Gedanke als Trugschluss.

Es lag auch an diesem Trompetenspiel, dass mir das gesamte Konzert als großer Spaß in Erinnerung bleiben wird. Ich habe permanent Slapstick Comicfiguren vor meinem inneren Auge, wenn sich Curt Ramm und der Altsaxophon spielende John Linnell musikalische Duelle liefern. Was so ein paar tiefe Töne und Tonfolgen einer Trompete auslösen können.
Gegen Ende des zweiten Teils wird es irgendwann schwer für mich, der Band zu folgen. Ich merke, dass ich unkonzentrierter werde und ich genug bekomme. Auch ohne tiefergehendes Songwissen haben mich die They might be giants so sehr in Stimmung und Freude versetzt, dass ich es gegen Ende kaum noch aushalten kann. Nach guten zweieinhalb Stunden muss ich gehen. Ich kann nicht mehr. Reizüberflutung. Um mich herum ist noch großes Trallala, aber ich hatte mich Sekunden zuvor dafür entschieden, mich weiter nach hinten zu stellen. Ich hatte genug tolle Eindrücke gesammelt. Die erste Zugabe nehme ich aus dem Türrahmen des Luxors wahr, die zweite Zugabe (die es aufgrund des Jubels sicherlich gab), lasse ich ganz sausen. Ob sie „Ana Ng“ noch gespielt haben, ich weiß es nicht. Es hat aber nicht gefehlt.

Es war ein großartiges Konzert!

You are older than you’ve ever been, and now you’re even older.

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