Ort: King Georg, Köln
Vorband: Lauter Bäumen

ahuizotl

Alle paar Monate überfällt mich die Wehmut nach 1990er Jahre Gitarrenindiemusik. Dann krame ich in den hinteren Ecken meines CD Regals und suche das, was dort schon länger steht und nicht mehr so oft Beachtung findet. Vor einigen Wochen erwischte es Sharon Stoned und all das, was sich im damaligen Umfeld der Ostwestfalen so rumtrieb: Hip Young Things, Speed Niggs, H.P. Zinker. Das Sharon Stoned Album Sample & Hold ist sicher eines der meist unterschätzten und eines meiner liebsten. Ich muss es dringend allen empfehlen, es ist wunderbar! Es fasst für mich all das auf einer Platte zusammen, was ich an Gitarrenmusik so mag und schätze.
Warum erzähl ich das?
Nun, ich war auf einem Konzert der Kölner Band Ahuizotl, die sich voll und ganz im Sound und in der Tradition des 1990er Gitarrenindies wälzt. Auf den ersten Blick mag das kurz irritieren, klingt Ahui-Dingens doch eher nach einer bayerischen Blas- und Tanzkapelle, nach Oktoberfest und Schützenfestumzug als nach anderem. Ahuizotl, nennt man so seine Indieband?
Nun, die vier Kölner haben es getan und orientierten sich bei der Namensgebung an einem aztekischen Vieh, hundsähnlich und in Gewässern lebend.

Ich sah Ahuizotl vor einigen Jahren im Vorprogramm der englischen Frauencombo Bleech. Normalerweise ist es ja so, dass die Vorband irgendwie da ist aber nicht immer meine tiefergehende und Beachtung findet. Das klingt nicht nur ungerecht und gemein, es ist auch. Im Laufe all meiner Konzertbesuche habe ich unbewusst folgendes Verhalten an mir beobachtet: Die ersten Songs einer Vorband höre ich intensiv zu, aber wenn sie es in dieser, eigentlich viel zu kurzen Zeit nicht schaffen, mein Interesse zu wecken, wird es für sie schwierig. Sehr schwierig. Dann werde ich schnell unaufmerksam und lasse mich ablenken.
Die Vorband Ahuizotl weckte seinerzeit unser Interesse und hielt es über ihren gesamten Auftritt aufrecht. Sie machte das schon vor ihrem Auftritt, in dem Bandmitglieder Bandshirts von Lieblingsbands trugen. Ein Rah-Rah-Riot T-Shirt wie es der Keyboarder trug, sah und sehe ich nicht so oft, sowas bleibt positiv im Kopf hängen. Umso schöner war dann, dass ihre Musik den T-Shirts entsprachen: Indiemusik, wie ich sie mag. Damit waren Ahuizotl auf der Plusseite.
Integrity is overrated ist die just erschienene Debütplatte der Kölner Band, und vor einigen Wochen wurde ich auf ihr Konzert im King Georg aufmerksam gemacht und ich war mir ziemlich sicher, dass ich da hingehen wollte. Denn neben ihrem Auftritt vor Bleech sahen wir sie auch im Gebäude 9 vor Wild Flag, wiederum waren wir sehr angetan.
Warum also nicht etwas mehr als nur 20 Minuten von ihnen hören? Und die Platte musste man sich ja auch irgendwie besorgen. Denn Integrity is overrated ist ein sehr gelungenes Album, das mit den Beiworten

Nicht nur die punkige DIY-Attitude, auch die Soundästhetik und der Ursprung als Soloprojekt erwecken Assoziationen zu Bands wie z.B. seBADoh.….

schon richtig beworben wird, aber nur die Hälfte verrät. Mich erinnern sie größtenteils eher an Sharon Stoned und andere poppige Indiebands wie die Lemonheads in ihrer „Shame about Ray“ Phase. Das rumpelige und ruppige Sebadoh’s wäre mir nicht als erste Referenz in den Kopf gekommen. „Ghosts of departed quantities“ ist zum Beispiel überhaupt nicht ruppig, genauso wie „I wanna be ignored“, das in seinen 7 Minuten ordentlich was zu bieten hat. Und immer klingt alles so vertraut.
Damit erfindet Integrity is overrated das Rad nicht neu, aber die schönen Gitarren und guten Melodien, die Stefan Ebbers (Bass) Felix Hedderich (Keyboard) Barry Langer (Gitarre, Gesang) und Christof Schulte (Schlagzeug) hier zusammengebaut haben, sind noch längst nicht aus der Mode. Integrity is overrated ist es zwar ein altbacken klingendes Album, aber ein schön altbacken klingendes Album.

Dass Ahuizotl auch live hörbar sind, hatte ich bereits feststellen können und so entschied ich mich für den Weg ins King Georg. Ich hätte auch zu den Swans ins Gebäude 9 fahren können, an diesem Abend waren Ahuizotl waren nicht alternativlos. Aber auf Lärmattacken hatte ich keine Lust, überdies sah ich die Swans erst beim letztjährigen Primavera Sound, was ich bis heute immer noch als ausreichend empfinde. Ahuizotl dagegen erlebte ich zuletzt im Vorprogramm von Wild Flag, und das ist immerhin schon 2 Jahre her. Wild Flag gibt es nicht mehr, die Band um Carrie Brownstein und Janet Weiss hat sich wieder zu ihrem Erstprojekt Sleater Kinney zusammengefunden, ein Album wird bald erscheinen.
Ahuizotl gibt es noch, und an diesem Abend steigt so etwas wie das Release-Konzert zur Plattenveröffentlichung.
Das King Georg ist spärlich besucht, als wir eintrudeln. Ahuizotl sind für viertel nach neun vorgesehen. Aufgrund der Anwohnerproblematik müssen Konzerte in dem ehemaligen Nachtklub um zehn Uhr beendet sind, so dass gute 45 Minuten Zeit bleiben, um altes und neues Material zu präsentieren. Das sollte aber passen, das Album bietet entsprechenden zeitlichen Spielraum. Doch die Vorband spielt länger als geplant, als um Viertel nach neun die Gerätschaften ausgetauscht und umgebaut wurde, kam kurzzeitig leichte hektische Betriebsamkeit auf.

Als Ahuizotl etwas verspätet an die Instrumente gehen, ist es vor uns etwas leerer als bei der Vorband. Im King Georg ist das ein Vorteil, hier, wo die Instrumente ebenerdig stehen (von einer Bühne kann überhaupt keine Rede sein) und der Thekentresen -in der Mitte des Raumes als Umlauf-Bar konzipiert – immer irgendwie stört. Es scheint, als hätten Lauter Bäumen mehr Freunde und Familienangehörige für einen Konzertbesuch rekrutiert. Denn das an diesem Abend Laufkundschaft im King Georg vorbeischaut, war nicht unbedingt zu erwarten. Wer um Himmels Willen sollte eine der Bands kennen, Ich fürchte, wir sind an diesem Abend die Exoten unter den Besuchern.
Ahuizotl klingen unaufgeregter und ruhiger als das, was wir zuvor hörten. Die sehr an Hamburger Bands erinnernden Songs der Vorband wirkten befremdlich. Irgendwie, als ob etwas nicht passte. Da ist noch Luft nach oben.
Bei Ahuizotl lief es besser, für mich war ihr Konzert perfekt. Gesang, Gitarren, alles klang ausgereift und ausgefeilt. Ihr Auftritt gefiel mir von Anfang an und ließ die Nervigkeit des King Georgs schnell zur Nebensache werden und bestätigte sehr den Liveeindruck, den wir bereits gewinnen konnten. Hier spielt eine Band, die was auf dem Kasten hat.
Allerdings, und das muss ich erneut eingestehen, ist es auch nicht sonderlich schwer, mich mit dieser Art von Musik rumzukriegen und zu begeistern. Das geht schnell, aber Songs wie ihr Hit „I wanna be ignored“ machen es mir auch nicht allzu schwer. So wurden es schnelle 40 Minuten US-Gitarrenindie, bis um kurz vor zehn das Konzert beendet war. Es gibt wahrhaft schlimmeres!

Am Ende des Abends stehen wir noch ein paar Minuten draußen beisammen und unterhalten uns über die Dinge, über die sich Anfangvierziger so unterhalten: nicht gesehenen und gesehenen Nirvana Konzerte. Mein musikalischer Kreis schließt sich. Sehr gut!

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