Ort: Botanique, Brüssel
Vorband: We are animals

„Hast du am Freitag schon was vor?“ Mit dieser Frage am Dienstagabend kurz vor Beginn des Paul Banks Konzertes fing alles an. Nein, ich hatte noch nichts vor am Freitag, und so kam es, dass ich spontan und voller Neugierde dem Angebot zustimmte, mit nach Brüssel in die Botanique zu fahren um mir die bis dahin nur namentlich bekannte walisisch, schottisch, amerikanische Bandkombination Namens The Joy Formidable anzusehen. „Austere“, so erfuhr ich im weiteren gesprächsverlauf, könne ich kennen, es sei so etwas wie ein kleiner Riesenhit der band. Egal, es bedurfte keiner weiteren Überzeugungs- oder Überredungskünste, für einen unterhaltsamen Abend mit Musik bin ich immer zu haben. Da bin ich dabei, da fahre ich auch gerne mit nach Belgien. Insgeheim bin ich gar über jedes Angebot zum Besuch der Botanique dankbar, ist sie doch einer meiner allerliebsten Konzertorte.
Die Sache war also abgemacht, und so startete am späten Freitagnachmittag die Fahrt ins nicht so weite Brüssel. Die Besonderheit daran war diesmal, dass sie ohne moderne Navigationshilfen durchgezogen wurde, papierenes Kartenmaterial sollte uns schon hinführen. Wir waren ja bereits oft genug da und der Weg eigentlich klar. Eigentlich insoweit, als dass wir uns nur nicht verfahren dürfen. Einmal falsch abbiegen, und die Klarheit würde auf den ersten 10 Metern schwinden. Brüssel ist verkehrstechnisch ein tiefer Moloch, der einen rasch an die Orientierungsgrenzen führen kann. Erst recht im Regen, erst recht im Dunkeln. Und es kam wie es kommen musste und wir übersahen die richtige Ausfahrt von der Autobahn. Irrfahrt Nummer eins begann, obwohl, so richtig irre war sie nicht. Wir waren zwar nicht mehr auf dem direkten Weg, aber immer noch im Rahmen der Google Maps Ausdrucke. Wir wussten, wo wir waren, zumindest phasenweise. Dass wir noch einigermaßen im Zeitplan ankommen würden, war also absehbar und wurde auch eingehalten. Ein allzu großes Interesse an der Vorband bestand eh nicht, so dass wir We are animals denn auch zugunsten eines Abendsnacks sausen ließen. Haben wir was verpasst? Ich denke nein, und essen ist ja auch wichtig!
Ein Blick auf die Eingangstür der Orangerie verriet uns, dass The Joy Formidable um neun Uhr die Bühne betreten sollten. Konzertzeitpläne sind eine gute Sache, warum gibt es sie eigentlich bei uns nicht?
Es war also noch Zeit für einen Besuch beim Türken um die Ecke, und der grösste Saal der Botanique sah uns gesättigt gegen kurz nach neun wieder. Wir waren etwas spät dran, The Joy Formidable spielten bereits „Cholla“, als wir uns der Orangerie näherten. Überrascht stellten wir fest, dass der Saal voll war. Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass diese Band ein so grosses Publikum anzieht. Da aber die Bühne nicht am Kopfende des Saals platziert ist, sondern an der längeren linken Seite, war es nicht problematisch, sich noch einen guten und angenehmen Platz abseits und weit weg des Eingangs zu sichern. Nichts ist ja schlimmer, als bei Konzerten in der Nähe oder im Laufweg der Eingangstüren zu stehen. Ein ruhiges Verfolgen des Bühnengeschehens ist dort quasi unmöglich.
Wir hatten es uns gerade eingerichtet, als die ersten Töne von „Austere“ erklangen. Mensch, das spielen sie aber früh, für Spätankömmlinge wie uns vielleicht etwas zu früh. Ein, zwei Songs zum Akklimatisieren wären nicht verkehrt gewesen, dann wäre die Wirkung von „Austere“ auf mich stärker ausgefallen. So verpuffte der Hit leider und war nicht wirklich als ein Konzerthöhepunkt anzusehen. Dabei hatte ich hierauf vorher eine Bank gewettet. Schade, aber nicht zu ändern.
In der Folge ging es im Wechsel mit Songs der Alben „The big roar“ und „Wolf’s law“ weiter.
Power-pop-Rock at its best. Sängerin Ritzy Bryan wirbelte über die Bühne der gutgelaunten Orangerie und ich fragte mich, an wen mich die Sängerin nur so erinnert. Natürlich kam ich nicht sofort drauf, erst am Samstagmittag näherte ich mich der Lösung langsam an. Die Band müsse mit „R“ anfangen, oder aber ihr Hit. Und die Sängerin hätte einen Pagenschnitt mit schwarzen Haaren und einer roten Strähne. Was ich mir nicht so merke. Alles war richtig. „Ready to go“ und Republica, genauer gesagt die Sängerin von Republica waren die gesuchte Assoziation. Mehr als „Ready to go“ ist mir von dieser 90er Jahre Power-Rock Band allerdings nicht in Erinnerung.
The Joy Formidable scheinen diesen Sommer großes vor zu haben. Zumindest wenn man sich ihre Bühnendekoration anschaut. Die ist bereit für die mittelgrossen Konzertsäle. Und in denen werden sie auch spielen, das Vorprogramm der Bloc Party Tour in einigen Tagen ist ihnen sicher. Eine enorme Videoleinwand flankiert die Rückseite, darauf werden immer mal wieder stylische schwarz-weiß Filmchen oder Bilder projiziert. Davor hängt ein in Leuchtketten eingefasster schematischer Wolfskopf. Ganz groß. Die übrige Lichtgestaltung passt sich alledem an, dass Publikum auch. Es ist in Mitklatsch-Stimmung und nimmt jeden dieser Parts dankend und enthusiastisch auf. Mitklatsch-Teile gibt es viele, fast jeder Song hat einen. Es ist einfach Power-Rock, nach immer demselben Muster. Das blöde daran ist, dass nach einer guten Weile die Songs für mich austauschbar klingen. Ruhiger Beginn, wachsende Lautstärke, Mitklatsch-Part und fulminantes Ende. Das ist alles schön und gut, aber auch sehr vorhersehbar. Je länger das Konzert dauert, desto mehr wünschte ich mir eine Abwechslung, einen Überraschungsmoment. Natürlich war jeder Song für sich gut oder sehr gut, nur in der Summe verpuffte durch die Gleichförmigkeit etwas die Qualität der einzelnen Stücke. Dass es sie gibt, daran möchte ich nicht zweifeln, für schlechte Songs sind die drei Joy Formidable’s einfach zu sympathisch. Jemand mit einem so schönen walisischen Akzent wie Ritzy Bryan kann keine schlechten Songs schreiben. Das geht nicht überein. Vielleicht liegt es auch am Genre Power-Pop. Der lässt wenig Platz für experimentelles, und Gott sei Dank verzichten The Joy Formidable auf balladeske Töne. Die wären dann doch zu viel der Abwechslung. Auf dem nächsten Album sollten sie dennoch etwas neues in ihrer Musik einbauen. Für 75 Minuten war das alles jedoch sehr unterhaltsam, lustig und hat enormen Spass gemacht.
Mit einem fulminanten „Whirring“ endete ihr Konzert. Beim Abendessen sagte ich noch, ich würde mir ein lautes Konzert wünschen. Nun, laut war es, allerdings nicht schmerzend laut. Der Sound in der Orangerie bot sich gut ausgepegelt dar, ohne Lautstärke missen zu lassen. Vielleicht standen wir auch nur zu weit aus der Mitte heraus, um nicht die volle Wucht abzubekommen. Sei es wie es war, auch das passte zum guten Gesamteindruck des Abends.
Am Merch-Stand kauften wir noch zwei Platten, das daraus resultierende meet-and-greet mit der Band ließen wir jedoch sehr gerne sausen. Jeder, der für 30 Euro einkaufte bekam das Angebot, die Band persönlich zu treffen, aber wir hatten darauf wenig Lust und schwatzten bis zur Rückfahrt lieber noch ein wenig auf der Sonnenterasse der Botanique.
Ach ja die Rückfahrt. Die war auch toll. Lost in the outskirts of Brussels.

Setlist:
01: Cholla
02. Austere
03: This ladder is ours
04: The greatest light is the greatest shade
05: Little blimp
06: While the flies
07: Cradle
08: Tendons
09: Silent treatment
10. Maw maw song
11: I don’t want to see you like this
12: The everchanging spectrum of a lie
Zugabe:
13: Forest Serenade
14: Wolf’s Law
15: Whirring

Kontextkonzerte:

Multimedia:
flickr-Fotos

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